Grüne Lieferkette: Mithilfe der Zulieferer zum sauberen Flugzeug

Grüne Zulieferer
Mithilfe der Zulieferer zum sauberen Flugzeug

Veröffentlicht am 30.07.2023

Engpässe bei bestimmten Bauteilen, lange Vorlaufzeiten, Personalmangel: Die Schlagzeilen im Zusammenhang mit globalen Luftfahrtzulieferern sind derzeit wenig schmeichelhaft. Während der Luftverkehr teilweise schon wieder auf Vor-Corona-Niveau gestiegen ist, hinken die Flugzeugbauer aufgrund der angespannten Lieferketten mit ihren Auslieferungen den eigenen Zielen deutlich hinterher. Zu den aktuellen Problemen beim Wiederhochfahren der Produktion kommt noch ein weiteres Thema hinzu, das neben den Flugzeug- und Triebwerksherstellern auch die Zulieferer umtreibt: Wie kann die Luftfahrt sauberer werden? Die Branche soll innerhalb kurzer Zeit disruptive Lösungen entwickeln und auf den Markt bringen, um ihren CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren. Denn ansonsten droht der bislang auf 2,5 Prozent geschätzte Beitrag der Luftfahrt zum Klimawandel in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stark anzusteigen. Flugverbote und Strafsteuern könnten die Folge sein.

Airbus

Hohe Anforderungen und Herausforderungen

"An diesen Themen wird parallel mit Hochdruck gearbeitet. Das geht gar nicht anders, denn sie alle sind essenziell. Sie verlaufen aber auf verschiedenen Zeitachsen und Bereichen in den Unternehmen", sagt Dr. Stefan Berndes, Abteilungsleiter Luftfahrt, Ausrüstung und Werkstoffe beim Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Die aktuellen Anforderungen an die Zulieferer seien immens. Doch die deutschen Unternehmen seien es gewohnt, sich auf veränderte Rahmenbedingungen und Kundenanforderungen einzustellen und hätten in den vergangenen Jahren ihre Krisenfestigkeit unter Beweis gestellt. Alles gut also? Mitnichten. Auf die deutschen Zulieferer, zu denen nach Angaben des BDLI rund 160 Mitgliedsunternehmen zählen, sieht Berndes aufgrund der Lieferkettenanspannungen und Ratenerhöhung große finanzielle Herausforderungen zukommen. "Es geht um eine Vergrößerung der Lagerbestände, gegebenenfalls um eine Erweiterung der Produktion und dabei die Ausbildung und Einarbeitung neuen Personals. Alles sind Investitionen, die nach den Pandemiejahren möglicherweise einzelne Unternehmen nur schwer stemmen können." Hier gebe es Ansatzpunkte für Veränderungen der Ausrüsterlandschaft, beispielsweise Übernahmen und Fusionen.

Liebherr-Clean Sky

Hersteller in der Verantwortung

Hinzu kommt: Die Hauptlast, Technologien für klimafreundlichere Flugzeuge zu entwickeln, liegt bei den Lieferanten. "Der Flugzeughersteller hat eine Idee und die System- und Zubehörlieferanten müssen alle möglichen Lösungen zur Verfügung stellen", sagte Nathalie Duquesne, Managing Director bei Liebherr-Aerospace, beim Clean Aviation Annual Forum in Brüssel Ende März. Dies bedeute zusätzliche Investitionen. Liebherr-Aerospace arbeitet in Toulouse beispielsweise an elektrischen Klimatisierungssystemen sowie an Brennstoffzellensystemen als Ersatz für die konventionelle Auxiliary Power Unit (APU). Zum Einsatz kommen könnten solche Systeme in der nächsten Narrowbody-Generation. Duquesne sieht Flugzeug- und Triebwerkshersteller in der Verantwortung, sich für bestimmte Technologien zu entscheiden: "Flugzeughersteller müssen eine starke Führung übernehmen." Zu diesem Schluss kommt auch eine Umfrage unter 89 Zulieferern aus Deutschland und Frankreich, die von der Unternehmensberatung Roland Berger, dem BDLI und dem französischen Luftfahrtindustrieverband GIFAS 2022 durchgeführt wurde. 63 Prozent der befragten Lieferanten haben das Gefühl, dass nachhaltige Luftfahrttechnologien in ihren Unternehmen nicht schnell genug vorankommen. Mehr als ein Viertel der Zulieferer sehen das Problem darin, dass Flugzeughersteller keinen klaren Technologiefahrplan haben.

Nachhaltige Technologien und Lösungen

Weitere Hindernisse sind fehlende finanzielle und personelle Ressourcen. "Um die Technologien der Zukunft entwickeln und finanzieren zu können, brauchen die Unternehmen vor allem laufende Umsätze und Aufträge sowie genügend Fachkräfte. Dazu kommen die richtigen Rahmenbedingungen wie Energiesicherheit und Cybersecurity sowie eine nach vorne gerichtete Förderlandschaft", ergänzt Berndes. Für die deutschen Zulieferer bieten das Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo) der Bundesregierung sowie Clean Aviation und Clean Hydrogen auf europäischer Ebene gute Möglichkeiten, eigene Technologien zu entwickeln und in Flugzeugprogramme einzubringen. "Diese Forschungsleistung, die auch im besonderen Maße von den Zulieferern getragen wird, ist ein ganz wichtiger Pfeiler auf dem Weg zu einer nachhaltigen Luftfahrt", so Berndes. "Zusätzlich ist es für die Zulieferer unglaublich wichtig zu wissen, an welchen Themen die Hersteller arbeiten." Systemhersteller (sogenannte Tier-1-Lieferanten) machen laut der Roland-Berger-Studie die größten Fortschritte bei der Entwicklung nachhaltiger Technologien. Sie konzentrierten sich auf die Elektrifizierung von Bordsystemen und andere Lösungen, die Gewicht oder Energie einsparen. Zu Tier-1-Lieferanten gehören beispielsweise Hersteller von Triebwerken, Fahrwerken, Avionik, Flugsteuerungssystemen und Kabinenausstattung sowie Strukturzulieferer.

Ulrike Ebner

Bessere Triebwerke, neue Struktur

Den stärksten Einfluss auf den Energieverbrauch eines Flugzeugs haben klassischerweise die Triebwerkshersteller. Sie arbeiten an weiteren Verbesserungen konventioneller Turbofans, aber auch an revolutionären Antrieben, beispielsweise hybrid-elektrischen, wasserstoffbasierten sowie solchen mit sehr hohem Nebenstromverhältnis wie dem Open Fan oder dem Ultrafan. Auch bei der Struktur moderner Verkehrsflugzeuge wird durch die Verwendung von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) im Vergleich zu Aluminium einiges an Gewicht eingespart. Mit dem Airbus A350, der über einen CFK-Anteil von 53 Prozent verfügt, scheint der Höhepunkt der Faserverbundwerkstoffe vorerst erreicht zu sein. Allerdings ließen sich Flugzeugrümpfe durch die Verwendung von thermoplastischem CFK und durch die bessere Integration verschiedener Funktionen noch leichter designen. Hier ist aber weitere Forschung und Entwicklung bis zur Serienreife nötig.

Leichtere Kabinen, mehr Passagiere

Einen schon heute realen Beitrag zur Nachhaltigkeit kann die Kabineneinrichtung liefern, wie verschiedene Paneldiskussionen auf dem Aircraft Cabin Innovation Summit des Red-Cabin-Netzwerks im März in Hamburg deutlich machten. Das Interieur trägt nach Angaben von Airbus je nach Konfiguration etwa 10 bis 20 Prozent zum CO2-Ausstoß eines Flugzeugs bei. Je leichter die Sitze und Monumente (zum Beispiel Bordküchen, Toiletten, Trennwände) sind, desto besser. Bionische, von der Natur inspirierte Designs, neue Werkstoffe und Materialmixe, 3-D-Druck sowie Innovationen bei der Verbindungstechnik bieten auch in naher Zukunft noch Potenzial für Gewichtseinsparungen. Leichtbau und zusätzliche Verdichtung wurden in den vergangenen Jahren vor allem in der Economy Class vorangetrieben. Während ein Sitz in den 1990er-Jahren durchschnittlich 15 Kilogramm auf die Waage brachte, sind es heute nur noch um die 9 Kilogramm. Mark Hiller, der CEO des deutschen Sitzherstellers Recaro Aircraft Seating, geht davon aus, dass die Effizienz einer bestehenden Flotte allein mithilfe von Kabinenumrüstprogrammen um fünf bis zehn Prozent verbessert werden kann. Solche Maßnahmen sind nicht unwichtig, denn nur ein Viertel der heute im Dienst stehenden Flugzeuge gehören der neuesten Generation an, verbrauchen also von Haus aus aufgrund modernster Triebwerke deutlich weniger Treibstoff als ihre Vorgänger.

Recaro

Klimaneutralität "Made in Germany"

Am Beispiel der Kabinenausstattung zeigt sich aber auch, wo es in Sachen Nachhaltigkeit hakt. Denn einige Airlines bauen derzeit besonders die höheren Klassen aus. Das bedeutet schwerere Sitze, weniger Passagiere, damit weniger verkaufte Sitzplatzkilometer und eine schlechtere Umweltbilanz. Beispiel Lufthansa: Die größte deutsche Fluggesellschaft führt auf der Langstrecke das neue "Allegris"-Konzept ein, das neben Business-Class-Suiten auch wieder eine First Class beinhaltet (die es bisher nur noch in der Boeing 747-8 und der A340-600 gab). Die Passagiere würden seit der Pandemie mehr Wert auf Privatsphäre legen, heißt es. Dennoch misst Berndes den Lieferanten eine große Bedeutung auf dem Weg zum emissionsarmen Fliegen bei: "Das klimaneutrale Flugzeug der Zukunft, das bis 2035 auf den Markt kommt, soll ‚airborne in Europe‘ und ‚Made in Germany‘ sein. Das Ziel ist ambitioniert. Um es zu erreichen, bedarf es umfangreicher Technologieentwicklung und Reifmachung in den kommenden Jahren. Diese Entwicklung wird vom Mittelstand entscheidend vorangetrieben."