Dauerläufer V2500: Das Erfolgstriebwerk für den Airbus A320

Old but gold
Das V2500 - Erfolgstriebwerk für den Airbus A320

Veröffentlicht am 07.09.2024

Mehr als 7800 V2500-Triebwerke wurden gebaut, seit die erste Variante, das V2500-A1, an einem Airbus A320 von Adria Airways 1989 in Dienst ging. Heute sind weltweit rund 3000 Flugzeuge mit V2500 unterwegs. Etwa die Hälfte der A320ceo-Flotte wird nach Schätzungen des Herstellers International Aero Engines (IAE) vom V2500 angetrieben. Hier konkurriert das Triebwerk mit dem CFM56 des amerikanisch-französischen Joint Venture CFM International. Beim Airbus A321ceo hat das V2500 sogar einen Anteil von 60 Prozent. Bei der McDonnell Douglas MD-90 und dem Militärtransporter Embraer C-390 war beziehungsweise ist das V2500 der exklusive Antrieb.

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Pratt & Whitney

Wird noch immer gebaut

Das letzte Flugzeug der A320ceo-Familie mit V2500-A5 wurde zwar schon 2019 ausgeliefert, doch das Konsortium IAE, das heute aus Pratt & Whitney, Pratt & Whitney Aero Engines International, MTU Aero Engines und der Japanese Aero Engines Corporation besteht, baut den Turbofan noch immer. "Fast 70 Ersatztriebwerke wurden seit 2019 bis heute ausgeliefert", sagt Kelly Horan, President von IAE. Hinzukommen der boomende Umbaufrachtermarkt und das Militärgeschäft. Die jüngste Variante, das V2500-E5, ging mit der Embraer C-390 vor fünf Jahren bei der brasilianischen Luftwaffe in Dienst. Mittlerweile haben sich auch Portugal, Ungarn, Südkorea, die Niederlande, Österreich und Tschechien für den brasilianischen Militärtransporter entschieden.

Airbus

Zuverlässig und effizient

Die Gründung von IAE 1983 und die Einführung des V2500-Triebwerks bezeichnet Horan als "Gamechanger". "Die Effizienz des V2500 ist ein entscheidender Faktor", sagt sie. Im Vergleich zum etwas älteren CFM56 verbraucht es demnach gute drei Prozent weniger Treibstoff, was die Betriebskosten verringert. Schlüsselelemente sind die zweistufige Hochdruckturbine, breite Bläserschaufeln (sogenannte wide-chord blades), der gemischte Abgasstrom, die optimierte Anzahl und der Abstand der Schaufeln und Leitschaufeln, die verbesserte Lageranordnung und die fünfstufige Niederdruckturbine, die von MTU Aero Engines stammt. Für den Münchner Triebwerkshersteller war das V2500 der Einstieg in den volumenstarken Narrowbody-Markt. "Das V2500 ist ein Weltklasse-Triebwerk, wenn es um die Zuverlässigkeit geht", sagt Dennis Reichel, technischer Programm-Manger bei MTU Aero Engines. Das Triebwerk hat nach Angaben von IAE eine "Dispatch Reliability" (technische Verfügbarkeit) von 99,97 Prozent. Auch wenn bei einem so reifen Programm keine größeren Redesigns mehr zu erwarten sind, so arbeitet IAE doch weiter an Produktverbesserungen, damit die Airlines die Triebwerke so lange wie möglich nutzen können.

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Vorteile bei der Instandhaltung

Dabei geht es vor allem um die Instandhaltung: "Wir können aufgrund der Flottenerfahrung und in Absprache mit dem OEM [Original Equipment Manufacturer; d. Red.] auf manche Inspektionen verzichten oder sie einschränken. Das verringert die Durchlaufzeit in den Shops", so Reichel. V2500-Triebwerke haben kumuliert mittlerweile mehr als 275 Millionen Flugstunden erreicht. Dabei habe man sehr viel Erfahrung bei der Reparatur und der Nutzung gebrauchter Teile gesammelt. Sowohl für die MTU als auch Pratt & Whitney spielt das V2500 eine wichtige Rolle für das Geschäftsergebnis. Denn die Instandhaltung der älteren Triebwerke finanziert die neueren Antriebe. Dabei profitieren die Unternehmen unter anderem von den aktuellen Problemen des Getriebefans (GTF) des amerikanischen Triebwerksherstellers.

Ältere Jets sind gefragt

"Es gibt mehrere Effekte, die nicht nur das V2500, sondern alle älteren Triebwerksgenerationen weiterhin in der Luft halten. Das ist nicht nur das Getriebefan-Thema, sondern auch der Umstand, dass die Auslieferung von neuen Flugzeugen nicht schnell genug gesteigert werden kann. Dazu kommt der ungemein große Bedarf an Passagierkilometern. Da kommen ältere Flugzeuge wieder ins Spiel. Für uns ist das in der Maintenance hoch profitabel, denn diese Triebwerksgeneration fliegt meistens noch unter sogenannten ‚Time and Material‘-Verträgen", sagte kürzlich der MTU-Vorstandsvorsitzende Lars Wagner gegenüber der FLUG REVUE. Bei "Time and Material"-Verträgen wird nach Arbeitszeit und Materialaufwand abgerechnet. Im Gegensatz dazu sind heute "Rate per Flight Hour"-Verträge üblich, bei denen die Instandhaltung für einen Festpreis pro Flugstunde erfolgt. Pratt & Whitney erwartet für dieses Jahr eine Zunahme an Shop Visits des V2500 um drei bis vier Prozent. Für einen großen Shop Visit wird das Triebwerk vom Flügel abgenommen, in der Werkstatt zerlegt und inspiziert. Laufzeitbegrenzte Teile werden ersetzt, andere Teile repariert oder ebenfalls ausgetauscht. Die "Time on Wing", also die Zeit am Flügel zwischen zwei größeren Instandhaltungsmaßnahmen, liegt beim V2500 im Schnitt bei 20 000 Stunden, ist aber abhängig von der Version, der Schubklasse, den Flugmissionen und der Umgebung. Alle sechs bis sieben Jahre muss ein V2500 in die Werkstatt.

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Instandhaltungs-Netzwerk

Nach Angaben von IAE erfolgen weltweit jährlich rund 800 Shop Visits mit V2500-Triebwerken. Das Instandhaltungs-Netzwerk umfasst 13 MRO-Standorte (Maintenance, Repair, Overhaul; auf Deutsch Wartung, Reparatur, Überholung), dazu gehören in Deutschland Lufthansa Technik und MTU Maintenance Hannover. Das V2500 war 2023 bei MTU Maintenance mit 29 Prozent aller Shop Visits das wichtigste Triebwerksprogramm. Das MRO-Netzwerk kümmert sich derzeit auch um die Inspektion und den Austausch von Hochdruckturbinenscheiben und anderen laufzeitbegrenzten Teilen, die bei Pratt & Whitney aus einem kontaminierten Metallpulver hergestellt wurden. Das Problem, das vor allem den moderneren GTF betrifft, wurde nach einem Vorfall mit einem V2500 im Jahr 2020 entdeckt. Während es beim GTF wegen des Inspektionsprogramms zu großflächigen Groundings der A320neo-Flotte kommt, läuft es beim V2500 deutlich geräuschloser ab. "Wir führen dieselben Inspektionen durch wie beim GTF", erklärt Reichel. "Allerdings sind beim V2500 mehr Ersatztriebwerke verfügbar. Deshalb können die Flugzeuge im Einsatz bleiben."

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Tests mit Biokerosin

Neben solchen Instandhaltungsthemen gibt es auch am Triebwerk selbst Verbesserungen, beispielsweise Beschichtungen, um Turbinenschaufeln widerstandsfähiger zu machen. Für die Zukunftsfähigkeit des V2500 sind auch nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) wichtig. Bisher ist das V2500 für 50-prozentige SAF-Beimischungen zugelassen. Im ersten Quartal 2024 wurde ein V2500 bei MTU Maintenance Hannover mit reinem HEFA-SPK (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids – Synthetic Paraffinic Kerosine) des finnischen Kraftstoffunternehmens Neste auf einem Prüfstand getestet. HEFA-SPK wird aus Altölen oder -fetten hergestellt. Die Erwartungen seien voll erfüllt worden, sagt Reichel. "Das Triebwerk wird jetzt in Einzelteile zerlegt und inspiziert. Wir erwarten keine negativen Einflüsse des SAF." Beim späteren Einsatz in der Flotte wird voraussichtlich auch weniger Sulfidation stattfinden. Diese tritt bei hohen Temperaturen auf, dabei reagiert Schwefel mit der Nickelbasislegierung der Turbinenschaufeln. Auf dem Prüfstand wurden Partikelmessungen durchgeführt, um herauszufinden, ob das Abgas weniger Rußpartikel enthält. Das könnte die Bildung von Kondensstreifen reduzieren. "Da ist noch einiges an Musik drin", so Reichel.

Bis in die 2050er-Jahre

Und das ist auch gut so. Denn das Durchschnittsalter der V2500-Triebwerke liegt bei gerade einmal 13 Jahren. Damit wird das V2500 noch viele Jahre das Bild an Flughäfen prägen. Bei einer Feierstunde zum 40. Jahrestag der Gründung von IAE im März 2023 sagte der damalige IAE-Chef Earl Exum, dass man gerade die Hälfte des Programmlebens hinter sich habe. "Ich bin sicher, dass das zivile V2500 bis in die 2050er-Jahre hinein fliegt", sagt Reichel. Die militärischen V2500 werden noch deutlich länger im Dienst sein, dort wird der Höhepunkt an Shop Visits erst Anfang der 2050er-Jahre erwartet.