Roboter und künstliche Intelligenz in der Luftfahrt: Instandhaltung der Zukunft

Roboter und künstliche Intelligenz in der Luftfahrt
Sieht so die Instandhaltung der Zukunft aus?

Veröffentlicht am 09.06.2025

Bauteile ersetzen, bevor sie ausfallen: Das klingt erstrebenswert. Denn nur fliegende Flugzeuge bringen Einnahmen. Doch die Umsetzung der vorausschauenden Instandhaltung (Predictive Maintenance) ist alles andere als einfach. Deshalb gelten bisher häufig noch immer feste Intervalle, sogenannte Hard Times. "Dass man Zyklen, Flugstunden oder Starts und Landungen zählt, ist robust", sagt Gerko Wende, Leiter des Instituts für Instandhaltung und Modifikation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Es ist eine wissensbasierte Abschätzung, die man mit Predictive Maintenance nicht unbedingt an allen Stellen verbessern kann." Sowohl mit festen Intervallen als auch bei der vorausschauenden Instandhaltung würde zum Teil Lebenszeit verschenkt. "Komponenten, die keine Folgeschäden verursachen oder deren plötzliches Versagen nicht zu einem Flugausfall führen, lässt man besser so lange fliegen, bis sie wirklich am Ende des Lebenszyklus angekommen sind", sagt Wende. Und das gilt für die meisten Komponenten an einem Flugzeug. Für Triebwerke ist vorausschauende Instandhaltung hingegen sinnvoll, weil der vorzeitige Verschleiß oder gar der Ausfall eines Teils hohe Folgekosten nach sich zieht. "Grundsätzlich nutzt man die Daten aus dem Betrieb, um zu analysieren, ob zum Beispiel aufgrund einer Leistungsverschlechterung ein frühzeitiger Shop Visit notwendig ist", erklärt Christian Keller, Engine Trend Monitoring bei MTU Maintenance Hannover. Ein Shop Visit bezeichnet den Aufenthalt eines Triebwerks in der Werkstatt zur Wartung, Reparatur oder Überholung. Doch auch bei Triebwerken hat die vorausschauende Instandhaltung ihre Grenzen: Viele weitere Aspekte spielen eine Rolle, darunter der tatsächliche Zustand eines Teils, der sich erst bei einer Boroskopuntersuchung zeigt, die in festen Instandhaltungsintervallen stattfinden – die Zwänge des Airline-Betriebs. "Dieses komplexe Puzzle zusammenzusetzen, ist eine Herausforderung", sagt Keller.

KI-generiertes Konzeptbild der Roboter-unterstützten Instandhaltung der Zukunft
Ulrike Ebner via ChatGPT

Von Predictive zu präskriptiver Instandhaltung

Doch das könnte sich in Zukunft mit der präskriptiven oder auch handlungsbezogenen, vorausschauenden Instandhaltung ändern. Dabei werden die Informationen über den Verschleißprozess von Bauteilen aus der Predictive Maintenance verwendet und zusätzlich das gesamte Ökosystem eines Flugzeugs beziehungsweise Triebwerks betrachtet, um geeignete Instandhaltungsmaßnahmen vorzuschlagen. So könne man aus festen Intervallen Soft Times machen und Wartungsereignisse vorziehen, sagt Wende. Das ist sinnvoll für Airlines, die zum Beispiel in Wüsten- oder Küstenregionen fliegen, wo Partikel oder Salz in der Luft zu vorzeitigem Verschleiß bzw. Korrosion führen. So lassen sich der Wartungsumfang und die Liegezeit reduzieren und betroffene Bauteile sind noch in einem Zustand, in dem sie einfacher repariert werden können.

"Wenn man wüsste, wann die Teile je nach Betrieb oder Art der Belastung ausfallen werden, dann könnte man die Shop Visits viel genauer planen", bestätigt Jörn Städing, Technologiemanager bei MTU Maintenance Hannover. Allerdings finde die Planung aktuell größtenteils erfahrungs- und nicht wissensbasiert statt. Heute ist es üblich, dass die während eines Shop Visits tatsächlich durchgeführten Wartungsaufgaben zum Teil erheblich von der ursprünglichen Planung abweichen können.

MTU Aero Engines

Erste Anwendungen

Ansatzweise wird die präskriptive Instandhaltung jedoch bereits bei der Planung der Sollliegezeiten für die großen Checks angewendet, wo die Durchführung zusätzlicher, aufwendiger Arbeiten anvisiert wird, für die ein Flugzeug (teil-)zerlegt sein muss. "Dass man das Ganze allerdings dynamisiert, das heißt abhängig vom jeweiligen Betrieb des Flugzeugs, vom jeweiligen Kunden und Einsatzbereich macht, das ist noch nicht etabliert", sagt Wende. Dafür müsse man Daten sammeln und auch die Verfügbarkeit von Komponenten mitberücksichtigen. Daten sind am Ende entscheidend dafür, um Vorhersagemodelle weiter zu verfeinern. Daten sammeln heißt aber nicht, mehr Sensoren am Flugzeug anzubringen oder in die Struktur zu integrieren. Letzteres nennt man Structural Health Monitoring. Es ist bislang noch nicht in der kommerziellen Luftfahrt verbreitet, sondern wird in einzelnen Pilotprojekten untersucht. "Man kommt irgendwann an einen Punkt, wo die Sensoren selbst zu Fehlerquellen werden", sagt Wende. Hohe Ansprüche bei der Zulassung, wenn Sensoren Teil der Primärstruktur sind, kommen hinzu. Auch bei den Triebwerken sind mehr Sensoren nicht unbedingt sinnvoll. "Wir haben bereits ein gutes Bild von der Leistung des Triebwerks. Ein weiterer Temperatursensor an einer anderen Position verbessert vielleicht das Bild ein bisschen. Aber es sagt nichts darüber aus, wie das Material aussieht. Und Kameras überall im Inneren des Triebwerks zu platzieren, ist aktuell nicht in Reichweite", sagt Keller. Stattdessen könnten in Zukunft bereits vorhandene Daten besser genutzt und miteinander kombiniert werden.

Airbus A380 bei Check bei der Lufthansa Technik Philippines
Lufthansa Technik

Daten neu kombinieren

Interessant sind für die Instandhaltung nicht nur jene Daten, die das Flugzeug und die Triebwerke aufzeichnen, sondern auch die Betriebsdaten der Fluggesellschaften sowie Flugrouten und Umweltdaten. Allerdings sei der Datenaustausch in der Industrie nicht immer ganz einfach, so Keller: "Es sind zum Teil auch sensible Daten, die Airlines nicht unbedingt gern teilen. Da muss noch was passieren, auch hinsichtlich der Einfachheit des Datenaustausches." Potenzial bieten zudem Informationen, die während der Instandhaltung selbst anfallen. "Da kommt unser Know-how voll zum Tragen. Die Zustandsinformationen der Bauteile müssen wir viel detaillierter aufnehmen und auswertbar machen", sagt Städing. Die MTU will diesen Prozess in den nächsten Jahren automatisieren. "Es geht um zwei Seiten: Was hat das Triebwerk im Betrieb gesehen? Und wie sehen die Teile danach genau aus?", erklärt Städing. "Im besten Fall lässt sich das mit einer automatisierten Befundung verknüpfen." Hier kann künstliche Intelligenz (KI) einen Beitrag leisten, beispielsweise mithilfe von Bildverarbeitungsmethoden. So könnten Parameter wie Beschichtungsabplatzungen oder Risslängen erfasst werden. Daraus ließen sich auch Wahrscheinlichkeiten berechnen, an welcher Stelle Schäden am häufigsten auftreten. Die Kunst liege aber darin, die Korrelation zwischen Betrieb und Zustand der Bauteile zu finden.

KI-Technologien sind in der Luftfahrt schon seit Jahrzehnten im Einsatz, bekommen aber mit der zunehmenden Rechenleistung noch einmal eine andere Relevanz. Auch die noch jungen Large Language Models (LLM), zu denen generative KI wie ChatGPT gehört, sind ein Thema. Ein Beispiel sind die Lebenslauf-Karten für Gerätesysteme, die viele Freitextfelder enthalten. Hier könnte KI dabei helfen, verschiedene Begriffe für ein und dasselbe Problem eindeutig zu interpretieren. Oder generell die richtigen Informationen zur richtigen Zeit zur Verfügung zu stellen. So können Prozesse vereinfacht und damit effizienter und schneller werden. Das wiederum ist auch hilfreich, um die Qualifizierung neuer Mitarbeiter zu beschleunigen. In Zukunft könnten Chatbots zudem als Assistenten dienen, die luftfahrtrechtlich abgesicherte Antworten auf sprachliche Anfragen geben. "Solange wir das unterstützend für den Menschen entwickeln, ist das durchaus auch in einem absehbaren Bereich der Zulassung", sagt Wende. Unterstützend heißt, dass der Mechaniker am Ende entscheidet, was er mit den Empfehlungen der KI macht. Um das Potenzial von KI zu heben, braucht es aber Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Ergebnisse.

KI-generiertes Konzeptbild der Roboter-unterstützten Instandhaltung der Zukunft
Ulrike Ebner via ChatGPT

Roboter als Helfer

Auch physische Assistenzsysteme in Form von Robotern könnten in Zukunft die Mechaniker unterstützen, ihnen beispielsweise die richtigen Werkzeuge bringen. Assistenzsysteme sind zudem eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen, Durchlaufzeiten zu verringern und Standortnachteile aufgrund hoher Lohnkosten auszugleichen. Für Prozesse, wo es um größere Mengen oder sehr komplexe Bauteile geht, ist eine gewisse Automatisierung möglich. "Es wird zwangsläufig eine Folge der demografischen Entwicklung sein", sagt Städing. Als Beispiele nennt er Verschraubungen und Bewertungen. Eine Vollautomatisierung der Instandhaltung ist aufgrund des Variantenreichtums der zu wartenden Fluggeräte und Triebwerke allerdings nicht absehbar. Effizienzsteigerungen sind aber durch weitere Digitalisierung möglich. "Wir sind dabei, an allen möglichen Stellen Brücken zu bauen, so dass Systeme, die per Definition nicht miteinander reden, verknüpft werden", sagt Wende. Sogenannte Software-Roboter können dann beispielsweise automatisiert Dokumente ausfüllen. Das verhindert Systembrüche und entlastet die Mechaniker. Denkbar sind auch digitale Zwillinge von Bauteilen und Baugruppen, auf denen Informationen abgespeichert werden, "als 3D-Modell in der Inspektion, wo man seine Befunde direkt und schnell dokumentieren kann", sagt Städing. Und was ist mit möglichen neuen Flugzeugtechnologien, die auf die Instandhaltung in den kommenden zehn, zwanzig Jahren zukommen? "Aus Maintenance-Sicht ist das noch so weit weg. Der Fokus ist total auf dem, was wir jetzt gerade vor der Brust haben", sagt Städing. Man habe aber im letzten Luftfahrt- forschungsprogramm "LuFo Klima" der Bundesregierung ein Projekt beantragt, das sich damit beschäftigt, welche Implikationen Wasserstoffantriebe auf künftige Shop-Abläufe haben könnten.

KI-generiertes Konzeptbild der Roboter-unterstützten Instandhaltung der Zukunft
Ulrike Ebner via ChatGPT

Mehr Forschung

Auch das DLR-Institut für Instandhaltung und Modifikation setzt sich mit möglichen Zukunftsantrieben auseinander. "Wir sind dabei, Verfahren zu verbessern, wie man die Lebenszyklus-Aufwände von Technologien beschreiben kann, die man noch gar nicht kennt", sagt Wende. Gerade bei Wasserstoff-Antriebssystemen gibt es noch keine Erfahrungswerte, wie sie sich in der Luftfahrt verhalten. Deshalb greifen die Forscher auf Daten von bereits existierenden Systemen am Boden zurück, beispielsweise wasserstoffbetriebene Lastwagen oder Schienenfahrzeuge. "Grundsätzlich sehe ich keine Showstopper in der Maintenance, was neue Technologien angeht", sagt Wende. Er wünscht sich aber, dass bei der Entwicklung künftiger Flugzeuge der technische Betrieb stärker berücksichtigt wird. Wichtig sei zudem eine stärkere finan-zielle Förderung von Forschungs- und Entwicklungsthemen aus der Instandhaltung. In den vergangenen Jahren seien Gelder stark in Projekte zum klimaneutralen Fliegen geflossen. "Verglichen mit gänzlich neuartigen Triebwerkskonzepten können wir in der Maintenance dazu wenig beitragen. Dafür sind wir als Teil der Kreislaufwirtschaft extrem effektiv, wenn es darum geht, Ressourceneffizienz zu steigern", so Städing.