Rolls-Royce Trent XWB
Ein Brite made in Germany

Report

Das Trent XWB-84 ist das erste zivile Großtriebwerk von Rolls-Royce, das komplett in Deutschland endmontiert wird. Ein Besuch der Produktionslinie im brandenburgischen Dahlewitz, wo parallel schon am Trent-Nachfolger getüftelt wird.

Endomntage des Rolls-Royce Trent XWB-84 in Dahlewitz
Foto: Rolls-Royce

Das Portfolio von Rolls-Royce Deutschland hat sich seit der Eröffnung des Standorts Dahlewitz vor 25 Jahren stetig erweitert. „Dahlewitz war bisher vor allem ein Standort der Geschäftsreiseluftfahrt, nun aber auch der Zivilluftfahrt“, sagt Richard Goodhead, Senior Vice President Marketing, Civil Aerospace von Rolls-Royce, im Gespräch mit der FLUG REVUE. Neben der Entwicklung des Leistungsgetriebes für den Zukunftsantrieb UltraFan wird seit Januar 2017 erstmals auch ein ziviles Rolls-Royce-Großtriebwerk vollständig in Deutschland endmontiert: das Trent XWB-84 des Airbus A350-900. Zwei weitere Fertigungslinien befinden sich am Rolls-Royce-Hauptsitz im britischen Derby: eine für das Trent XWB-84 und eine für das stärkere Trent XWB-97 der A350-1000.

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Ein Triebwerk aus 20000 Einzelteilen

Warum Dahlewitz den Zuschlag für die Endmontage erhielt? „Hier gibt es ausgeprägte technische Fähigkeiten, zudem waren Infrastruktur und Platz vorhanden“, erklärt Goodhead. Tatsächlich wurde bereits ab 2012 ein Gebäude für einen neuen Prüfstand für Großtriebwerke mit einem Schub von bis zu 667 Kilonewton gebaut. Bei der Eröffnung im November 2014 war aber vor allem von Entwicklungstests des Trent XWB-97 die Rede. Umso besser, dass die Halle mit 8000 Quadratmetern so großzügig geplant wurde, dass noch eine Fließfertigung nach dem Vorbild der Ende 2014 am Hauptsitz in Derby eröffneten Montagelinie integriert werden konnte. Der Aufbau in Dahlewitz begann 2016, für die neue Arbeit wurden die Mechaniker in Derby und Singapur geschult. Mittlerweile sind etwa 100 Mitarbeiter in der Trent-XWB-Endmontage beschäftigt. Ein Trent XWB-84 entsteht aus mehr als 20 000 Einzelteilen und entsteht im Zweischichtbetrieb. Ein Triebwerk durchläuft neun Stationen, bis es zur Auslieferung bereit ist. Pro Woche werden zwei A350-Antriebe von Rolls-Royce Deutschland an Airbus übergeben.

Alles beginnt mit der Anlieferung des Bläsergehäuses, das zunächst inspiziert und anschließend mit den zugehörigen Unterbaugruppen versehen wird. In vertikaler Bauweise und mithilfe von Deckenkränen entsteht parallel dazu das Kerntriebwerk aus verschiedenen Modulen: Hochdruckturbine und -verdichter, Mitteldruckturbine und -verdichter, Brennkammer, Zwischengehäuse, Niederdruckturbine sowie die zugehörigen Wellen. Anfänglich kamen die Module größtenteils vormontiert nach Dahlewitz. Mittlerweile baut Rolls-Royce Deutschland eine eigene Modulmontage auf. Seit 2018 wird das Hochdrucksystem-Modul selbst montiert, folgen sollen auch Bläser, Zwischengehäuse und Mitteldruckturbine.

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Transport auf dem Luftkissen

Ebenfalls mithilfe eine Krans wird das Kerntriebwerk vertikal mit dem Bläsergehäuse verbunden. Erst dann wird das Triebwerk in Flugposition gedreht, um den Fan zu installieren. Für die weiteren Bewegungen in der Horizontalen sowie für den vorherigen Transport des Bläsergehäuses werden keine Deckenkräne verwendet, sondern ein bodenbasiertes Luftkissensystem, dessen Plattform mithilfe von Druckluft fünf Millimeter angehoben wird. Damit das funktioniert und eine Person das bereits mehrere Tonnen schwere, unfertige Triebwerk bewegen kann, bedarf es eines sehr glatten und sauberen Bodens.

Anschließend geht es zum Abnahmetest. Fünf Schichten umfasst die Gesamtdauer des Tests, das Rüsten des Triebwerks eingeschlossen. Der eigentliche Testlauf nimmt zwischen zwölf und 15 Stunden in Anspruch. Da der XL-Prüfstand auch für Forschung und Entwicklung genutzt wird, beispielsweise für Technologien aus dem Forschungsprogramm Advance 3, kann es gelegentlich zu Engpässen in Dahlewitz kommen. Dann wird das fertige Trent XWB-84 kurzerhand per Lastwagen zu N3 Engine Overhaul (Gemeinschaftsunternehmen von R-R und Lufthansa Technik) ins thüringische Arnstadt überführt.

„Augmented Reality“ soll die Endmontage verbessern

Nach der Abnahme wird das Trent XWB-84 ins Auslieferungszentrum gebracht, das sich ebenfalls in der Produktionshalle befindet. Dort werden bis zu 200 Arbeitsstunden investiert, um dem Triebwerk für die Kundenübergabe den letzten Schliff zu geben. Beispielsweise tauschen die Mechaniker auf Wunsch den nur einmal für Tests benutzten Spinner gegen einen neuen oder führen letzte Boroskopuntersuchungen durch.

Um die Arbeit der Montagemitarbeiter künftig zu vereinfachen, entwickelt Rolls-Royce derzeit eine Augmented-Reality-Anwendung (deutsch: erweiterte Realität). Sie läuft auf einem eigenen PC mit Kamera sowie einem Tablet-Computer. Die Anwendung vergleicht die hinterlegten CAD-Daten des Triebwerks mit dem realen Bild und ermittelt mögliche Abweichungen, die farblich hervorgehoben werden. Auf dem Tablet kann der Mitarbeiter so erkennen, ob beispielsweise Leitungen und Schrauben an den richtigen Stellen angebracht sind. Das System soll nach Angaben von Rolls-Royce vorhandene Kontrollmechanismen ergänzen. Zudem würden die Daten mit anderen Triebwerksdokumenten und Protokollen archiviert. Aktuell läuft die Pilotphase, doch schon 2019 soll die Anwendung im Produktionsalltag genutzt werden.

Der Trent-Nachfolger UltraFan

Unterdessen läuft die Entwicklung der nächsten Triebwerksgeneration bereits auf Hochtouren. Mit dem sogenannten Design Freeze hat Rolls-Royce einen entscheidenden Meilenstein bei der Entwicklung des Zukunftstriebwerks UltraFan erreicht. Nachdem nun der Entwurf feststeht, könnten Detailarbeit und Komponentenfertigung beginnen, so Andy Geer, Projektleiter des UltraFan-Demonstratorprogramms. Erste Bodenläufe mit einem Testtriebwerk sollen 2020 oder 2021 stattfinden.

Derweil erprobt Rolls-Royce wichtige Technologien für den UltraFan mit dem Advance-3- Demonstrator. Er besteht aus einem komplett neuen Kerntriebwerk, das mit dem Bläsersystem eines Trent XWB-84 und der Niederdruckturbine eines Trent 1000 (Boeing 787) kombiniert wurde. Die Hochdruckturbine erhält im Vergleich zum Trent XWB eine zweite Stufe, die Mitteldruckturbine wird auf eine Stufe verkleinert. Untersucht werden unter anderem auch keramische Verbundwerkstoffe für Dichtungssegmente der Hochdruckturbine. Advance 3 wird seit Ende November 2017 in Derby getestet, laut Geer läuft der Demonstrator seit Anfang Juli 2018 mit maximaler Leistung.

Marktreife 2025?

Aktuell gebaut wird in Derby ein weiterer Demonstrator auf der Basis eines Trent 1000. Mithilfe des sogenannten ALPS-Testtriebwerks (Advanced Low-Pressure System) soll die Wechselwirkung zwischen den neuen, bereits im Flug erprobten Bläserschaufeln aus kohlefaserverstärktem Kunststoff mit Titanvorderkante und dem Gehäuse untersucht werden. Bodentests sind noch für dieses Jahr geplant.
Beim UltraFan geht der britische Herersteller von einer Dreiwellen- zu einer Zweiwellenarchitektur über. Schlüsseltechnologie ist ein Getriebe zwischen der Mitteldruckturbine, die faktisch zur Niederdruckturbine wird, und dem Bläser. Das erhöht das Nebenstromverhältnis auf 14:1. Das Leistungsgetriebe wird derzeit in Dahlewitz erprobt. Der UltraFan war ursprünglich für Großraumjets gedacht, ist nach Angaben von Rolls-Royce aber auch für Standardrumpfflugzeuge wie die A320-Familie skalierbar und soll um 2025 marktreif sein.

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Erscheinungsdatum 05.09.2023