Rotation Detonation Engine: Explosiver Hyperschall-Antrieb

Rotation Detonation Engines
Explosiver Antrieb für Hyperschallflüge

Zuletzt aktualisiert am 08.02.2024

Mehr Reichweite, höhere Geschwindigkeiten, weniger Treibstoffverbrauch, geringere Instandhaltungskosten: Das sogenannte Rotating Detonation Engine (RDE) scheint so etwas wie der Heilige Gral unter den Verbrennungstriebwerken zu sein. Heute arbeiten mehrere Länder, darunter die USA, China und Japan, an der RDE für verschiedene Anwendungen – von der kompakten Hyperschallwaffe bis zur Oberstufe von Trägerraketen. Dabei ist das Konzept keineswegs neu. Es geht auf Forschungsarbeiten in der Sowjetunion und den USA in den 1950er- und 1960er-Jahren zurück, darunter jene des Luft- und Raumfahrtingenieurs Arthur Nicholls, damals Professor an der University of Michigan. Zugrunde liegt die Beobachtung, dass Raketentriebwerke bei versehentlichen Verbrennungsinstabilitäten leicht explodieren. Nicholls stellte sich die einfache, aber etwas verrückte Frage: Was, wenn man solche Explosionen als Antrieb nutzen könnte?

NASA

Überschallverbrennung

Das Wort "Detonation" deutet bereits darauf hin: Bei der Verbrennung in einem RDE handelt es sich um eine Explosion. Ein solches Triebwerk arbeitet, anders als konventionelle Antriebe, in einem druckerhöhenden Verbrennungszyklus. In herkömmlichen Gasturbinen und Raketentriebwerken findet der Verbrennungsvorgang mit Unterschallgeschwindigkeit statt, man spricht von Deflagration. In der RDE verbrennt das Luft-Treibstoffgemisch deutlich schneller, die Flammfront bewegt sich mit Überschallgeschwindigkeit bis zu 2000 m/s.

Vorteile von RDEs

RDEs sind mechanisch gesehen simpel und erfordern keine beweglichen Teile. Das macht einen solchen Antrieb potenziell günstig und wartungsfreundlich. Schlüsselelement der wohl bisher am meisten untersuchten Konfiguration ist eine hinten offene Ringbrennkammer, die aus zwei konzentrischen Zylindern besteht. Nach dem Einspritzen des Treibstoffgemischs in den Zwischenraum dieser beiden Zylinder erfolgt die Zündung. Die darauffolgende Detonation bildet eine Schockwelle. Eine oder mehrere dieser Detonationswellen umrunden kontinuierlich und in hoher Frequenz (im Bereich von ein bis zehn Kilohertz) die ringförmige Brennkammer und ziehen einen Bereich mit hohem Druck nach sich. Die Druckerhöhung ergibt sich daraus, dass die sich ausdehnenden Reaktionsgase auf ein nahezu konstantes Volumen eingedämmt werden. Der nachlaufende Bereich mit hohem Druck sorgt dafür, dass das eingespritzte Treibstoffgemisch verdichtet und schnell erhitzt wird. Dabei wird ein höherer Anteil des Gemischs verbrannt als in konventionellen Triebwerken, was die Kraftstoffeffizienz theoretisch um bis zu 20 Prozent erhöht.

Die Reaktionsgase wollen sich ausdehnen und verlassen die Brennkammer am offenen Ende durch eine Düse, was den Schub erzeugt. Treibstoff und Luft bzw. bei Raketentriebwerken mitgeführter Sauerstoff werden entweder vorgemischt oder einzeln durch Einspritzöffnungen am Verdichtereinlauf – bei Raketentriebwerken an dem Teil der Brennkammer, wo die Turbopumpe anschließt – eingespeist. Die Detonationen sind nach dem Triebwerksstart selbsterhaltend. Neben dem einfachen Aufbau und der hohen spezifischen Leistungsabgabe liegt ein weiterer Vorteil von RDEs in ihrer kompakten und leichten Bauweise. Das macht sie unter anderem für Luft-Luft- und Luft-Boden-Waffen sowie als Antrieb für interplanetare Raumfahrzeuge und bemannte Landefähren für Mond und Mars interessant. Denn eine kompakte RDE ließe mehr Platz und Gewicht für Treibstoff und Nutzlast.

Nagoya University

Für Raumfahrt und Militär

Ein RDE könnte als alleinstehende Lösung als Raumfahrtantrieb dienen. Die japanische Raumfahrtbehörde JAXA hat zusammen mit den Universitäten Nagoya und Keio bereits am 27. Juli 2021 ein RDE an einer Höhenforschungsrakete im All getestet. Es war nach eigenen Angaben die weltweit erste erfolgreiche Demonstration eines Detonationsantriebs bei einem Raumflug. Ein solches System könne die Größe eines künftigen Raketentriebwerks erheblich verringern. Es sei sogar möglich, die Brennkammer wegzulassen und das Detonationssystem in die Treibstofftanks oder einen anderen Teil der Raketenstruktur einzubetten, glaubt Professor Kasahara Jiro von der Universität Nagoya.

Auch die NASA entwickelt und testet ein Rotating Detonation Rocket Engine. Im Herbst 2023 feuerte ein 3-D-gedruckter Prototyp beim Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama 251 Sekunden lang auf einem Prüfstand und generierte dabei mehr als 25,8 kN Schub. Das entspreche einer typischen Zündung einer Mondlandefähre oder eines Raumfahrzeugs auf dem Weg zum Mars, so die NASA. Der jüngste Test soll zu einem besseren Verständnis führen, wie die Brennkammer für verschiedene Schubklassen skaliert werden kann. Für militärische Luftfahrtanwendungen könnte eine RDE mit einem Staustrahltriebwerk (Ramjet), einem Turbojet oder Turbofan kombiniert werden. Selbst wenn sich die potenziell höhere Leistung nicht bewahrheiten sollte, wäre ein solches Kombi-Triebwerk kürzer als der jeweilige konventionelle Antrieb.

GE Aerospace

Turbinentriebwerk mit RDE

GE Aerospace arbeitet beispielsweise an einer Rotating-Detonation-Brennkammer, die in einer Kombination aus Turbofan und Ramjet zum Einsatz kommen könnte. Ein solches Antriebssystem soll nach Angaben des US-Triebwerksherstellers künftige hocheffiziente Hyperschall-Fluggeräte antreiben, die schneller als Mach 5 fliegen und eine große Reichweite haben. Mitte Dezember 2023 gab GE bekannt, dass in seinem Forschungszentrum in Niskayuna, New York der weltweit erste Rig-Test eines Hyperschall-Staustrahltriebwerks mit zwei Betriebsarten (Dual-Mode Ramjet, DMRJ) mit einer Rotationsdetonationsverbrennung erfolgreich durchgeführt worden sei – nur 18 Monate, nachdem das Unternehmen im Geheimen das selbstfinanzierte Programm begonnen hat.

Ein Dual-Mode Ramjet kann sowohl mit Unterschall- als auch Überschallverbrennung (Scramjet) genutzt werden. Ein Ramjet benötigt jedoch für den Betrieb genügend Staudruck; nach Angaben von GE ist der erst bei einer Fluggeschwindigkeit über Mach 3 gegeben. Die Lücke zu niedrigeren Geschwindigkeiten wollen die Ingenieure mit der Rotating-Detonation-Brennkammer und einem Überschall-Turbinentriebwerk in der Schubklasse des F110 (rund 76 kN ohne Nachbrenner) schließen, die mit einem Dual-Mode Ramjet in einem ähnlichen Leistungsspektrum verbunden sind. Ein solches turbinenbasiertes Antriebssystem mit kombiniertem Zyklus könnte für viele größere Anwendungen genutzt werden, beispielsweise für Überwachungs- und Transportflugzeuge oder Bomber. Noch dieses Jahr will GE Tests mit einem originalgroßen Demonstrator am Boden beginnen, die bis 2025 dauern.

VennusAero-RDRE-Test
Venus Aerospace

Weltweites Interesse

Weitere US-Unternehmen widmen sich derzeit dem revolutionären Antrieb. Anfang Oktober 2023 hat beispielsweise Raytheon von der US-Militärforschungsbehörde DARPA den Auftrag bekommen, ein RDE für das Gambit-Programm zu entwickeln und in Originalgröße am Boden zu testen. Daraus könnte einmal der Antrieb für eine neue Langstreckenrakete für Kampfflugzeuge der vierten Generation entstehen, so die DARPA. Der Triebwerkshersteller Pratt & Whitney arbeitet seit 2022 im Rahmen eines Auftrags der Air Force ebenfalls an einem RDE-Bodendemonstrator. Auch im Fernen Osten interessiert sich das Militär für RDE. Laut einem Artikel der South China Morning Post wollen Forscher des Pekinger Instituts für Kraftmaschinen in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Militär die stärkste RDE der Welt für Hyperschallflüge bis Mach 16 erfunden haben. Allerdings existiert der Antrieb bisher nur als wissenschaftliches Paper. China scheint das Antriebskonzept aber mit Hochdruck zu verfolgen: Im September 2023 ist angeblich in der Provinz Gansu eine Drohne mit RDE geflogen. Für zivile Anwendungen sind RDE übrigens eher nicht geeignet. Sie sind – wie ihr Name schon vermuten lässt – extrem laut.