Liebherr-Aerospace hat in den vergangenen 15 Jahren daran gearbeitet, seine bisher pneumatischen Klimatisierungs- und Eisschutzsysteme zu elektrifizieren. Brennstoffzellen sieht der Luftfahrtzulieferer als Baustein, um die beiden größten Energieverbraucher an Bord künftig mit Strom zu versorgen. "Wir glauben, dass es einen Weg gibt, die Stromerzeugung mittels Brennstoffzellen zu optimieren, indem man die größten elektrischen Lasten beherrscht", sagt Dr. Nathalie Duquesne, Managing Director bei Liebherr-Aerospace Toulouse. Ein elektrisches Klimatisierungssystem und ein elektrisches Eisschutzsystem würden in einem Standardrumpfflugzeug 60 bis 70 Prozent der Nicht-Antriebsleistung verbrauchen.

Ein Modell des „Main Electrical Power System“ von Liebherr auf dem Pariser Aérosalon 2023.
"Main Electrical Power System"
Vor drei Jahren haben Liebherr-Aerospace und GM angekündigt, gemeinsam ein Wasserstoff-Brennstoffzellensystem für die Luftfahrt zu entwickeln. Ein solches System könnte in künftigen verstärkt elektrischen Flugzeugen ("more electric aircraft") die Stromerzeugung für Sekundärenergieverbraucher wie Avionik, Bordküchen, Beleuchtung, aber eben auch Kabinenklimatisierung und Flügelenteisung übernehmen. Finanziell unterstützt wird die Technologieentwicklung unter anderem von den europäischen Forschungsprogrammen Clean Aviation und Clean Hydrogen sowie von der französischen Zivilluftfahrtbehörde DGAC. Mittlerweile ist in Toulouse ein Demonstrator des Brennstoffzellensystems entstanden, das sogenannte Main Electrical Power System (MEPS). Es besteht aus HYDROTEC-Brennstoffzellenstapeln von GM, die Wasserstoff und Luftsauerstoff in Strom umwandeln. Weitere Bestandteile des MEPS sind das Kathodensystem mit einem luftgelagerten, motorisierten Turbokompressor, das Anodensubsystem mit Rezirkulationsvorrichtung, das Wärmemanagementsystem und die elektrischen Komponenten (Leistungsumrichtung und Leistungselektronik). Innerhalb des Projekts entwickelt Liebherr verschiedene Prototypen, der erste lieferte 80 kW netto. "Die angestrebte Leistung liegt bei fast 400 kW", sagt Duquesne.

In seinem Testzentrum in Toulouse hat Liebherr-Aerospace einen Wasserstoff-Prüfstand installiert.
Seit 2023 auf dem Prüfstand
Kompliziert ist bei einem solchen System die Wärmeableitung. Dafür müsse sowohl an der Kühlung der Brennstoffzellenstapel als auch am gesamten Wärmemanagementsystem auf Flugzeugebene gearbeitet werden. "Das Gewicht des Gesamtsystems ist eine weitere Herausforderung, und wir arbeiten an der Zusammenlegung von Komponenten, um die Gesamtenergiedichte des Systems zu verbessern", sagt Duquesne. Seit April 2023 wird das MEPS auf dem Wasserstoff-Prüfstand von Liebherr-Aerospace in Toulouse getestet. Anfang 2024 wurde die Stromversorgung eines von Liebherr entwickelten elektrischen Klimatisierungssystems für Flugzeuge über das Brennstoffzellensystem demonstriert. "Das zeigt das Potenzial der MEPS-Lösung", sagt Duquesne. Das System soll sich auch bei Flugtests beweisen, die spätestens 2028 stattfinden sollen.

Bei HYDROTEC von GM handelt es sich um Polymerelektrolyt-(PEM-)Brennstoffzellen aus dem Automobilbereich.
Ein Schritt mehr in Richtung Wasserstoff
Ein Brennstoffzellensystem zur Stromerzeugung für Nicht-Antriebssysteme kann mehr als eine übliche Hilfsgasturbine: "Das Brennstoffzellensystem wird, im Vergleich zu einer herkömmlichen APU, die Sekundärenergieverbraucher während des gesamten Fluges mit Energie versorgen. Die Lärmbelastung und die direkten Wartungskosten dürften deutlich geringer sein, ebenso die CO2-Emissionen während des Flugbetriebs", sagt Duquesne. Für ein solches Brennstoffzellensystem ist nicht zwingend auch ein Wasserstoffflugzeug nötig. Das System mit einer angepeilten Leistung von 400 kW zielt zunächst ab auf Regional-, Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge, die mit Kerosin betrieben werden. Es soll die Triebwerke der nächsten Generation unterstützen, die zu empfindlich auf die Entnahme von Zapfluft oder mechanischer Arbeit reagieren könnten. "Kerntriebwerke werden immer kleiner, laufen bei immer höheren Temperaturen und mit stärkeren Vibrationen. Klassisches Equipment wird damit immer mehr zur Herausforderung", erklärt Duquesne. Zwar sei die Mitführung von zwei Treibstoffen eine Herausforderung, aber es gebe auf dem Markt neue technische Lösungen, welche die Wasserstoffspeicherung und -versorgung eines MEPS übernehmen könnten. "Es ist ein erster Schritt, um Wasserstoff einzuführen", sagt Duquesne.

H3 Dynamics aus Toulouse arbeitet ebenfalls an einem luftfahrttauglichen Brennstoffzellensystem.
HyPower im Test bei Airbus
Das sieht offenbar auch Airbus so. Auf der Paris Air Show im Juni 2023 kündigte der europäische Flugzeughersteller an, testweise die APU einer A330-200 durch ein Brennstoffzellensystem zu ersetzen und damit auch in die Flugerprobung zu gehen. Auf Letzteres will Airbus nun jedoch verzichten und stattdessen in Madrid intensive Bodentests mit zwei hinteren A330-Sektionen durchführen. Sabine Klauke, Chief Technology Officer bei Airbus, sagte auf der Farnborough Airshow im Juli gegenüber Medienvertretern, dass die meisten Erkenntnisse am Boden gewonnen würden und dass regulatorische Herausforderungen den Zeitplan des Projekts HyPower beeinflussten. Bei HyPower setzt Airbus auf ein Brennstoffzellensystem des jungen Toulouser Unternehmens H3 Dynamics. Es soll eine elektrische Leistung von bis zu 500 kW liefern. Auch wenn es kein System von Liebherr ist, sieht Duquesne das Airbus-Projekt positiv: "Es bestätigt das Interesse an der Untersuchung von Brennstoffzellen als Wegbereiter für die Energieerzeugung auf den nächstenPlattformen."