Ganz schön kalt hier oben. Und das trotz Freibadwetter! Vor ein paar Minuten sind mir unten am Boden noch literweise Schweißtropfen von der Stirn gelaufen. Da war jeder Windhauch, jedes Schattenplätzchen recht. Aber das ist vorbei. Jetzt, auf 9.000 Fuß, bei 150 Knoten, ausgebauter Tür und jeder Menge Fahrtwind auf der Rückbank einer Beech Bonanza, fühlt sich alles irgendwie gar nicht mehr so sommerlich an. Zumindest, wenn man kurze Hosen anhat. Hätte man natürlich wissen können – schließlich kennt man ja die Faustregel, nach der die Temperatur draußen pro 1.000 Fuß Höhe um zwei Grad sinkt. Haben wir vorhin erst besprochen. Aber wer nicht hören will, muss schlottern. Deshalb hilft jetzt kein Gejammer, hört hier oben sowieso kein Mensch – konzentrieren wir uns lieber auf das Wesentliche!

"Stag" unter Feuer
Das Wesentliche ist unserem Fall dunkelrot, zeitlos schön und fliegt gerade in weniger als zehn Metern Entfernung direkt neben uns her. Eine Beech Staggerwing, der "Learjet der Vorkriegszeit", hat eben zu uns aufgeschlossen. Schon haben meine Augen sie fest ins Visier genommen: Doppeldecker, geschlossene Kabine, Einziehfahrwerk, Sternmotor. Dumpf dringt dessen sattes Brabbeln von draußen an mein Ohr, bahnt sich zielstrebig den Weg durch alle Windgeräusche. Und dann das Flugzeug: Was für ein Augenschmaus! Ein paar Momente lang will ich einfach nur genießen, starre tatenlos auf die glänzende Maschine, die vor meinen Füßen durch die Wolkenfetzen gleitet. Im nächsten Augenblick reiße ich die Kamera hoch, stelle scharf, drücke auf den Auslöser, nehme die "Stag" unter Dauerfeuer: "Klick, klick, klick, klick, klick..."

Gar nicht so einfach
Dieses Szenario wiederholt sich in den nächsten 25 Minuten immer wieder. Mal fliegen wir rechts herum, mal links – immer Vollkreise, immer in Formation, vor ständig wechselnder Kulisse. Die Kälte ist mir längst total schnuppe. Die kommt mir erst beim Sinkflug wieder in den Sinn, als das Shooting beendet ist und die Staggerwing über alle Berge, und als ich mit zunehmender Tuchfühlung zur Erde wieder warme Luft um meine Gänsehaut-Knie spüre.
Noch bevor wir wieder am Boden sind, wage ich am Kamera-Display einen ersten scheuen Blick auf die Ergebnisse. Erstes Fazit: Der Ausschuss-Faktor ist echt hoch. Gar nicht so einfach, bei 'nem Sechzigstel Belichtungszeit in wackliger Luft knackscharfe Fotos einzuheimsen. Eine echte Aufgabe. Aber eine, die sich lohnt, schließlich gibt es nur dann die begehrten "Propellerkreise" im Bild. Und ein paar ganz gute Schüsse, stelle ich mit Freude fest, habe ich auch hinbekommen.

Ein voller Erfolg
Als ich nach einer guten Stunde Flugzeit auf der Aviators Farm am Flugplatz Hildesheim wieder aus der Beech Bonanza klettre, mein Gurtgeschirr ablege und ein kühles Bier abgreife, bin ich mehr als nur zufrieden. Hinter mir liegt der Höhepunkt eines rundum perfekten Wochenendes. Ein Wochenende, an dem nicht nur ich, sondern auch all die anderen Teilnehmer des ersten "Behind the lens"-Workshops unseres Magazins "Klassiker der Luftfahrt" eine Menge gelernt und miterlebt haben.
Die Sache, das sehe ich an den Blicken aller Anwesenden, war ein voller Erfolg. Angefangen vom Theorieblock, der uns "Air-to-Air-Novizen" überhaupt die Kniffe, Tricks und Fallstricke dieser Fotodisziplin erst nahebrachte, uns über rechtliche, technische und allerhand andere Eckpfeiler aufklärte, bis hin zur finalen Offenbarung auf 9.000 Fuß bei bestem Sommerwetter – es hat einfach alles gepasst.
Das klingt jetzt irgendwie ziemlich werblich, finden Sie? Und gar nicht objektiv, nüchtern, sachlich-distanziert, wie es sich eigentlich gehört? Mag sein. Aber was soll ich machen. So war es halt nun einmal, an diesem Wochenende im Juni, auf der Aviators Farm in Hildesheim. Und deshalb bin ich auch im nächsten Jahr wieder dabei. Ganz bestimmt. Aber mit langer Hose.