Es ist 12.30 Uhr am Schymkent International Airport (CIT) in Kasachstan, als Flugkapitän Veliev Rustem die Triebwerksleistung seiner beiden Iwtschenko-AI-24A-Turboprop-Triebwerke auf Startleistung bringt. Der sonore, tiefe Brummton wird höher und lauter, ein Vibrieren geht durch den Rumpf und der Sound von zweimal 2552 PS hallt durch die Passagierkabine. Gänsehaut pur für die Passagiere, die genau dafür angereist sind. Die Passagiere, das sind diesmal nicht normale Reisende auf einem der Inlandsflüge der Southern Sky Airlines in ein abgelegenes Dorf in Kasachstan, sondern westeuropäische Luftfahrtenthusiasten, die diese Antonow An-24RV (UP-AN417), Baujahr 1974, für ein ganz besonderes Flugerlebnis im Anschluss an eine "Kultur- und Luftfahrtreise" durch Usbekistan und Kasachstan gechartert haben. Und die UP-AN417 ist ein besonderes Flugzeug: Sie ist genau die tausendste gebaute Antonow An-24 (insgesamt wurden mehr als 1300 An-24 aller Modifikationen produziert). Und ist kein Unbekannter, ihn traf die Gruppe bereits auf An-24-Linienflügen im Jahr 2024. Unterwegs mit einer Gruppe von Luftfahrtenthusiasten in Usbekistan im Jahr 2024 stellte sich für einige die Frage, wo in Mittelasien man außerhalb Usbekistans wohl noch regulär mit altem sowjetischem Fluggerät mitfliegen könnte. Schnell stießen wir bei der Recherche auf Southern Sky Airlines mit Sitz in Schymkent in Kasachstan, einem Tochterunternehmen der SCAT Airlines. Sky entstand eigentlich aus der Not heraus, quasi als Auffanggesellschaft für sowjetisches Fluggerät.

Die UP-AN417 ist genau die tausendste gebaute Antonow An-24.
Geförderte Inlandsflüge
Als SCAT Airlines 2014 mit der Umsetzung der konsequenten Flottenmodernisierung und dem Einsatz moderner Boeing 737 begann, war dort kein Platz mehr für die An-24, An-26, An-2 und Jak-42. Dies war auch notwendig, um SCAT Airlines von europäischen Flugbeschränkungen auszunehmen. Zu Hochzeiten verfügte SCAT über 13 An-24 der Versionen "B" und "RV" gleichzeitig, hatte insgesamt in ihrer Geschichte 25 Flugzeuge davon im Einsatz. Andererseits bestand weiterhin dringender Bedarf, die entlegenen kleineren Ortschaften zu versorgen und untereinander sowie mit den größeren Städten zu verbinden. Es galt, eine Lösung für Regionen mit geringerer Bevölkerungsdichte und Kaufkraft zu finden. Oft verfügten und verfügen die Regionalflughäfen des Landes auch nur über eine geringe technische Ausstattung und schlecht ausgebaute Infrastruktur, die die Durchführung von Flügen mit modernen Flugzeugtypen einschränken. Perfekte Bedingungen für die robusten An-24. Um den Mobilitätsbedarf der Bevölkerung in den abgelegenen Regionen mit den Verwaltungszentren und Großstädten des Landes zu decken, beteiligte sich Southern Sky Airlines ab 2016 an subventionierten Linienflügen im öffentlichen Interesse mit An-24 in Kasachstan und begann mit dem Transport von Passagieren, Fracht und Post. In Westeuropa wird diese Art des Flugverkehrs PSO – Public Service Obligation – genannt. Und auf eben diese Flüge stießen wir bei unseren Recherchen 2024. Über die Website der Airline ließen sich die Flugverbindungen einfach aufspüren und für etwa 45 Euro je Strecke buchen. Google Translate und ähnliche Programme halfen mit der Sprache. Auch ein Web-Check-in ist möglich, aber das Check-in-Personal am Flughafen freute sich stets über interessierte Ausländer. Und so begab sich die Kleingruppe 2024 auf Linienerkundungsflüge an unbekannte Orte, besser Siedlungen, wie (UZR), (USJ) oder (BXH). Nicht nur die dortigen Siedlungen waren wie eine Zeitreise 50 Jahre und weiter zurück, auch die jeweiligen Flughäfen wirkten wie aus der Zeit gefallen. Von einfachsten Leichtbau-Containerlösungen bis hin zu prunkvollen, reich verzierten und palastähnlichen Gebäuden wurde alles geboten. Aber auch das Fluggerät begeisterte, und unsere Begeisterung wiederum faszinierte die Crews, die zunehmend auftauten. Der auf- und abschwellende Sound der An-24 beim Rollen zum Start oder bei der Bremsung nach der Landung – Gänsehaut –, die unterschiedliche Ausstattung (oder nennen wir es Design) unserer beiden Flugzeuge UP-AN422 (1970) sowie UP-AN407 (1969) wollten wir pausenlos fotografieren.

Der Kapitän gestattet einen Blick ins „Uhrenladen“-Cockpit.
Fotografieren auf dem Vorfeld und an Bord
Apropos fotografieren: Je weiter man sich von den größeren Flughäfen und Orten entfernt, desto eingeschränkter ist das Fotografieren, speziell auf dem Vorfeld, umsetzbar. Auch hierbei ist die Zeit noch stehen geblieben. Ist es an Bord kein Problem und darf auf freundliche Nachfrage unter Umständen sogar der Frachtraum fotografiert werden, so stellt das Fotografieren auf dem Vorfeld an den kleinen Regionalplätzen eine kleine Herausforderung dar. Final gab es jedoch keine Probleme, wenn man freundlich und interessiert ist, nicht zu großes Kameraequipment einsetzt und es nicht übertreibt. Auch ein paar freundliche Worte auf dem in Kasachstan weit verbreiteten Russisch können helfen. Die Ausstattung an Bord, der Teppichboden im Gang, die verspiegelte Decke, die offenen Ablagen, die nostalgischen Belüftungsdüsen und, man muss es so sagen, die rustikale Bordtoilette sind ideale Fotoobjekte für Luftfahrtnostalgiker.

Viele Kabinendetails verströmen noch Ost-Flair.
Oldie-Fans chartern selbst
Von all diesen Eindrücken völlig reizüberflutet entstand schnell der Gedanke, dieses Erlebnis einem größeren Enthusiastenkreis zugänglich zu machen, ihnen den Traum eines An-24 Fluges zu erfüllen. Der Kontakt zu Southern Sky Airlines war schnell hergestellt und in der jungen PR-Chefin Cholodova eine motivierte Ansprechpartnerin gefunden. Doch dann stockten die Gespräche, bestimmt doch das Thema Flugzeugcharter, einer An-24 und auch noch von Westeuropäern sonst nicht gerade den Alltag der Fluggesellschaft. Doch die Fotos von unseren Erlebnissen 2024, das Zwischenschalten eines regionalen Veranstalters und stetige, freundliche Hartnäckigkeit führten dann schrittweise zu ersten Lösungsansätzen. Unsere Vorstellungen – nicht zu lange, nicht zu weit, nicht zu teuer, zwei Zwischenlandungen – deckten sich zunächst nicht mit den Vorstellungen des Betreibers: ein Rundflug, mindestens eine Stunde, keine Zwischenlandung, höherer Preis. Final aber, und somit sind wir wieder an Bord unserer UP-AN417, fanden wir eine Lösung nach unseren Wünschen. Die vertragliche Umsetzung sowie die Zahlungsmodalitäten stellten jedoch zunächst eine weitere unerwartete Hürde dar: Vertrag nur in Russisch, Partner muss ein regionaler Veranstalter sein (logisch, schon aus versicherungsrechtlichen Gründen) und die Zahlung muss als offizielle Kreditkartentransaktion zwischen Veranstalter und Airline abgewickelt werden (mit dadurch nahezu 20 Prozent Aufschlag durch die beteiligten Banken). Nachdem das jedoch alles erfolgreich erledigt war, durften wir uns sogar das Flugzeug selbst aussuchen und votierten für die Variante An-24RV. Unsere ist nicht nur die tausendste gebaute An-24, sondern besitzt auch im Unterschied zu ihren An-24B-Schwestern eine APU (Hilfsgasturbine), ein kleines zusätzliches Strahltriebwerk in der rechten Triebwerksgondel. Diese dient zum Starten der Haupttriebwerke und versorgt das Flugzeug speziell am Boden mit elektrischer Energie und Hydraulikdruck. Noch wichtiger aber: Es versorgt die Klimaanlage, und in der An-24 wird es sehr schnell warm, sehr warm.

Die Kasachen bleiben auch gegenüber ihren verrückten West-Fans höflich. Kasachische Schokolade dient zur Verpflegung.
19 Enthusiasten und eine erfahrene Besatzung
Wir sind also unterwegs auf unserem Charterflug, genießen die Aussicht in maximal 5000 Metern Höhe und vor allem das Flair der guten alten (Luftfahrt-)Zeit. Wir, das sind 19 Luftfahrtenthusiasten nebst örtlicher Reiseleitung sowie die Besatzung des Fluges unter Flugkapitän Adilsitovitch. Der 54-Jährige aus Usbekistan begann bereits mit 24 Jahren seine Karriere in der Luftfahrt, zunächst auf der Antonow An-2 bevor er später auf Jak-40 und An-24 umschulte. Inzwischen hat er 10 000 Flugstunden auf kasachischen Inlandsstrecken angesammelt. Mit ihm im Cockpit der 32-jährige First Officer Yerzhan Saparbayev aus Schymkent mit 3600 Flugstunden im Flugbuch sowie, ebenfalls aus Schymkent, Maksim Stepanov mit 6500 Flugstunden. Sie alle arbeiteten bei der Mutterairline SCAT Airlines und wechselten dann mit den An-24 zu Southern Sky Airlines. Vervollständigt wird die Crew durch die junge Flugbegleiterin Bakzhanay Sagyndykova aus Karaganda, die seit einem Jahr im Unternehmen ist. Sie war neben der Sicherheit an Bord auch für unseren Komfort zuständig und verteilte neben dem obligatorischen Startbonbon auch Getränke und original kasachische Schokolade.

Trotz ihres Alters machen die Flugzeuge einen gepflegten Eindruck.
Hörgenuss am Triebwerk
Für unseren "Rundflug" haben wir uns Airports in der näheren Umgebung ausgesucht und fliegen zunächst nach (DMB) und anschließend weiter nach Turkistan (HSA); jeweils mit dem einmaligen Erlebnis des unvergleichlichen Sounds beim Anlassen der Triebwerke, dem An- und Abschwellen bei Drehzahländerungen sowie dem Take-off-Erlebnis. An all den besuchten Flughäfen wurden wir herzlich willkommen geheißen und durften ungehindert fotografieren. Was uns bei beiden Airports sehr überraschte und womit wir nicht gerechnet hatten, war der hohe Grad der Modernisierung. Neue Terminals mit moderner Vorfeldtechnik sind hier entstanden, internationaler Flugverkehr hält Einzug. Dieses hohe Modernisierungstempo dürfte auch Southern Sky Airlines und ihre Oldies unter Erneuerungsdruck setzen.