Die geschwungene Straße führt immer höher in die wolkenverhangenen Berge. Immer wieder fällt der Blick auf die Navigations-App. Hier inmitten der idyllischen grünen Landschaft auf der Ostseite Taiwans soll ein altes Kampfflugzeug stehen? Tatsächlich taucht sie kurz darauf auf der linken Seite vor einem erhabenen Gebäude auf, die TF-104G. Bei der Tempel-ähnlichen Anlage handelt es sich um einen Militärfriedhof nordwestlich der Stadt Taitung. Das erklärt wohl das Vorhandensein des Starfighters, der übrigens aus ehemals deutschen Beständen stammt.
Die Republic of China Air Force (ROCAF) war nach der US Air Force der älteste Betreiber des Starfighters und einer der größten und langfristigsten Nutzer. Rund 280 Exemplare in zahlreichen Versionen der "bemannten Rakete" haben ihren Weg auf die Insel gefunden. Schon in den Jahren 1960 und 1961 erhielt Taiwan von der USAF 22 einsitzige F-104A und fünf doppelsitzige F-104B, die jedoch schon im selben Jahrzehnt wieder außer Dienst und zurück in die USA gingen. Zwischen 1963 und 1965 folgten nämlich modernere Ausführungen frisch aus der Lockheed-Fertigung: 36 F-104G, 8 RF-104G und 9 TF-104G. Die kanadische Produktion bei Canadair steuerte 27 F-104G bei. Zur Beseitigung von Engpässen dienten Anfang der 70er Jahre erneut gebrauchte F-104A und F-104B aus den USA.

Diese TF-104G steht bei einem Militärfriedhof.
Gebrauchte Jets aus Europa
Im Jahr 1975 kamen sechs F-104D von der US Air National Guard hinzu. Allerdings reduzierten die USA die Unterstützung immer weiter und verhinderten gleichzeitig den Export moderner Typen. Zumindest erlaubte die Regierung die Lieferung gebrauchter ausländischer Starfighter als Ersatz für die auf dem Zahnfleisch gehenden F-100 Super Sabre. Aus Deutschland erhielt Taiwan zahlreiche Jets; die 39 F-104G und 27 TF-104G kamen von der Ausbildungseinheit in Luke, Arizona. Dänemark und Japan übergaben zusätzlich Flugzeuge (jeweils 18 F-104G/TF-104G und 37 F-104J/DJ). Aus Belgien beschaffte man sich darüber hinaus 22 Starfighter als Ersatzteilspender.
Die meisten Exemplare der frühen A/B-Versionen gingen bei Abstürzen verloren, kamen wieder zurück in die USA oder wurden verschrottet. Dieses Schicksal blieb der Maschine mit der Kennung 4398 erspart. Sie ist einer der wenigen taiwanesischen Starfighter, die zu einem RF-104G-Aufklärer umgerüstet wurde. Sie steht heute in der Stadt Hsinchu, einer ehemaligen F-104-Hochburg.

Das Wappen am Heck lässt es erahnen: Dieser Starfighter flog als Aufklärer.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere flog der US-Jäger bei je drei Staffeln in Ching Chuan Kang (CCK) bei Taichung und Hsinchu sowie bei einer Aufklärungseinheit in Taoyuan. Ab 1993 begann die Ausmusterung: Zunächst rüsteten die Einheiten in CCK auf das im eigenen Land entwickelte Muster F-CK-1 Ching-Kuo um. 1997 folgte Hsinchu mit dem Einzug der ersten Mirage 2000. Die letzte Starfighter-Einheit war die 12. Staffel, die für ihre letzten Tage nach Hsinchu verlegte.
Erst 1998 außer Dienst
Am 22. Mai 1998 fand dann auf dem CCK-Fliegerhorst die offizielle Außerdienststellung statt. Die Feier erfolgte hier, da die 8. Taktische Jagdstaffel an diesem Ort am 17. Mai 1960 die ersten Starfighter übernommen hatte. Bei den letzten zwei aktiven Maschinen handelte es sich um die TF-104G mit den Kennungen 4186 und 4196.
Selbst heute noch finden sich in der Umgebung von Taichung (CCK) einige Überbleibsel der 104-Ära. Darunter befindet sich unter anderem in einem Erholungspark eine F-104G ehemals aus Dänemark. Im Stadtzentrum steht ein Doppelsitzer, auf dem früher in Luke, Arizona, deutsche Piloten ihre ersten Flüge auf dem Muster absolviert hatten. Allerdings hat hier das feuchtwarme Klima seine Spuren hinterlassen.

Diese F-104G hatte im Jahr 1967 eine chinesische MiG-19-Kopie abgeschossen.
Abschuss von chinesischer MiG-Kopie
Die beiden wohl am besten erhalten gebliebenen Starfighter lassen sich im Luftwaffenmuseum von Gangshan besichtigen. Bei der F-104D handelt es sich um das letzte existierende Exemplar dieser Variante mit taiwanesischer Vorgeschichte (die restlichen zwei waren abgestürzt, drei wurden verschrottet). Nach fast 4952 Flugstunden war die "4166" im November 1988 außer Dienst gegangen.
Der Einsitzer neben ihr hat eine besondere Geschichte vorzuweisen: Mit ihm hatte Hauptmann Pei-po Shih am 13. Januar 1967 im Luftkampf eine chinesische MiG-19-Kopie abgeschossen, der wohl erste Luftsieg eines Starfighters. An diesem Tag fiel eine weitere MiG-19/J-6 einer anderen F-104G zum Opfer. Die 4347 stürzte jedoch wenige Jahre später selbst ab. Die heute im Museum beheimatete 4344 flog dagegen noch bis zum 12. Februar 1991 und erreichte die Zahl von 4635 Flugstunden.





