„Bardahl Special“ wird vom P-51-Jäger zum Renn-Exoten - Die Geheimnisse der Super-Mustang

„Bardahl Special“ - Vom Jäger zum Renn-Exoten
Die Geheimnisse der Super-Mustang

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Veröffentlicht am 12.01.2025

Die Geschichte dieses Rennflugzeugs ist einzigartig. Es war sowohl beim allerersten Reno Air Race im Jahr 1964 als auch bei der letzten Veranstaltung 2023 am Start – ein Zeitraum von sagenhaften 59 Jahren! Wie geschildert, natürlich nicht kontinuierlich und unter verschiedenen Besitzern, aber das nur als Randnotiz. Viel bemerkenswerter: Damals wie heute war die "Bardahl Special" im Feld der Unlimited-Klasse großer Favorit und dominierte die Qualifyings mit Abstand. Anno 1964 reichte es aufgrund des damaligen komplizierten Punktesystems nur für den zweiten Endrang, letztes Jahr wurde das traditionell am Schlusstag stattfindende Gold-Finalrennen wegen eines tödlichen Unfalls in einer anderen Klasse abgesagt. Seit 2022 gehört die Mustang mit der Kennung N2869D zur "Lost Coast Warbirds"-Sammlung von Justin Zabel aus Eureka, Kalifornien. Zum Air Race 2022 hatte man ihr militärisches Farbschema als "Section Eight" komplett weiß foliert, um so nach vielen Jahren wieder an den historischen Bezug zu erinnern. Pilot Steven Coutches schlug sich mit der weitgehend serienmäßigen Maschine prächtig und gewann das Silber-Rennen. Ermutigt durch den Erfolg, beschloss das Team zur Reno-Abschiedsvorstellung Nägel mit Köpfen zu machen und ein umfassendes technisches Upgrade durchzuführen. Den Umbau erledigte Fighter Rebuilders, die Restaurierungsfirma von Warbird-Papst Steve Hinton und Sohn Steven junior, – achtfacher Reno-Champion und erfolgreichster Rennpilot der Gegenwart. Die Hintons betreiben ebenso das "Planes of Fame"-Museum, eines der weltweit ältesten und bekanntesten Museen vor allem für Warbirds. Dort haben gleich zwei extrem präparierte Mustangs, die beiden langjährigen Dauerrivalen "Strega" und "Voodoo", ihren Altersruhesitz. Insofern sehr nützlich, da explizit von der "Voodoo" wichtige Teile wie etwa Propeller, Motor und Weiteres entnommen werden konnten.

Vergleich der Bardahl Special, in den Jahren 1965 und 2023, mit Unterschieden wie einer geänderten Kühlerverkleidung und Luftschraube.
Carson Zabel

Mehr Modifikationen

Zwei Jahre nach ihrem Debüt zeigte sich die "Bardahl Special" mit stark gekürzter Spannweite und Wingtips gemäß dem Entwurf des deutschen Aerodynamikers Sighard F. Hoerner als Trendsetter. Davon ist man in den Achtziger Jahren ganz allgemein wieder abgekommen. Seinerzeit war der Ovalkurs weitläufiger, später wurde er via enger gesteckten Pylonen entschärft, um aus Sicherheitsgründen sozusagen Tempo herauszunehmen. Heute, wo ungefähr drei Viertel in mehr oder weniger Schräglage geflogen wird, ist eine zu hohe Flächenbelastung eher wieder nachteilig für schnelle Rundenzeiten. An den Top-Mustangs sind die Flügel moderat gekappt, je Seite cirka 70 Zentimeter Material abgeschnitten (Spannweite 9,84 Meter statt original 11,29 Meter). Reduzierung von schädlichem Widerstand (parasite drag) ist das zentrale Thema bei allen Rennflugzeugen. Altbewährte Maßnahmen an der Mustang sind das Entfernen der Randbögen am Höhenleitwerk und eine Modifikation des oberen Anschlags der Klappen – sie sitzen nun optimal formschlüssig zur Profiloberseite. "Strega" und "Voodoo" waren übrigens die einzigen P-51, bei denen Motoreinbauwinkel (prop thrust line) und Flügeleinstellwinkel auf die Null-Grad-Referenzlinie gesetzt wurden; eine weitere probate Maßnahme zur Verringerung des Luftwiderstands, die jedoch aufwendige Änderungen an strukturellen Bau-teilen erfordert. Bei der "Bardahl Special" hat man nicht zuletzt aus Zeitgründen darauf verzichtet, zumindest am Motoreinbauwinkel wurde minimal nachjustiert. Seiten- und Höhenleitwerk sind wie üblich ohne Anwinkelung, also auch in Null-Grad-Referenzlinie montiert. Auffällig sind die weit nach hinten gezogenen CFK-Flügelwurzelverkleidungen von Carbon-Experte Andy Chiavetta. Er stellte bereits die entsprechenden Parts der "Voodoo" her, aber jene hatte zum Geschwindigkeitsweltrekord 2017 eine spezielle Profilaufdickung erhalten; da musste Andy nochmals Hand anlegen. Weitere der "Voodoo" entlehnte Teile aus CFK sind der Luftansaugschacht zum Vergaser und die zweiteilige Cowling; sie ist leichter und schneller demontierbar als das dreiteilige originale Blechkonstrukt. Justin Zabel legte großen Wert auf eine möglichst authentische Optik, weshalb die schon seit Langem bei Mustangs beliebte aerodynamisch nach hinten verlängerte Kanzelverkleidung nicht zur Debatte stand. Betreffs der charakteristischen Blasenhaube gab es verschiedene, je nach Zulieferer leicht abweichende Ausführungen. Aktuell ist natürlich die strömungsgünstig flachste aller Hauben verbaut – was aber eh nur bei ganz genauem Hinsehen auffällt.

Die "Bardahl Special" im Flug über Wasser, Air to Air Aufnahme von vorne.
Carson Zabel

Mit Volldampf zurück

Das erst nach Kriegsende eingeführte letzte Mustang-Modell P-51H dient schon seit Dekaden als Vorlage zur Kühlsystemoptimierung. Es verfügt über einen innovativen, von Kühlwasser umspülten Wärmetauscher anstatt des traditionellen Ölkühlers. Er befindet sich im Motorraum direkt vor dem Schmierstoffbehälter, sodass die große bauchige Hutze unter dem Rumpf nur noch den spezialangefertigten Wasserkühler aufnehmen muss. Werksseitig leicht nach vorn gekippt und mit Spannbändern gehalten, ist dieser bei der "Bardahl Special" senkrecht positioniert und fest im Rumpf verschraubt. Das half, die von Chiavetta aus CFK modellierte neue Hutze so kompakt und windschnittig wie möglich anzupassen; eine bis zum Spornradschacht verlängerte Luftaustrittsklappe sorgt für bestmögliche Durchströmung. Der Kühlerblock selbst ist in zwei Segmente aufgeteilt, etwa zwei Drittel seines Volumens dienen dem Motor-Kühlkreislauf, ein Drittel dient dem separaten Kreislauf des Wärmetauschers. Wegen der hohen Leistung wäre ein größerer Propeller zu vermuten – verblüffenderweise ist das Gegenteil der Fall, sein Durchmesser wurde auf 3,10 Meter verkleinert (original 3,40 Meter). Bei den gestiegenen Motordrehzahlen sollte tunlichst vermieden werden, dass die Blattspitzen in den Überschall geraten. Daher findet hier auch die "langsamere" (1 zu 0,42) der beiden gebräuchlichsten Merlin-Propelleruntersetzungen Verwendung. Zudem erhielten die Blätter eine geänderte Kontur, von der Form her ähnlich einem Essbesteckmesser. In Summe gelang es somit, die kritische Machzahl der Luftschraube auf 0.92 heraufzusetzen. Direkt hinter dem Spinner befindet sich eine ringförmige Abdeckung rund um die Propellernabe; Luftverwirbelungen sollen nicht in den Motorraum gelangen. Den krönenden Abschluss bildet eine perfekt glatte Oberfläche mit weißem Lackkleid nebst 1964er-Logo von Sponsor Bardahl.

Bardahl Special mit geöffneter Motorabdeckung bei laufendem Propeller, Steven Hinton im Cockpit, aufgenommen beim Reno Air Race 2023.
Tim Adams

"Voodoo" hilft

Das Team um den langjährigen versierten Crewchief L.D. Hughes hat zwei vom renommierten Motorenexperten Vintage-V12s präparierte Renntriebwerke aus "Voodoo"-Beständen zur Verfügung. Sie werden zwecks Schonung in der Regel per Lkw zum Rennplatz transportiert und erst vor Ort eingebaut. Für den Hinflug dient ein normaler Standard- motor. Der mit 27 Litern Hubraum nicht übermäßig große Packard Merlin V12 hält kurzzeitig unfassbare Ladedrücke von cirka 5 bar aus. Auf einem Leistungsprüfstand ermittelte Daten sind nicht bekannt, man munkelt von über 3500 PS. Grundvoraussetzung, sich an solch exorbitante Ladedrücke heranzuwagen, ist ein gewissenhafter mechanischer Aufbau. Klassisches Tuning, also das Bearbeiten oder Austauschen aller relevanten Motorenteile, ist unumgänglich. Ebenso wichtig ist die Eindämmung der entstehenden enormen Hitze. Doppelter Ladedruck bedeutet, mal ganz pauschal formuliert, auch verdoppelte Wärmeentwicklung. Hier kommt die bekannte, schon vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Methanol/ Wasser-Einspritzung ins Spiel. Das Einbringen von riesigen Mengen MW 50 in den Ansaugtrakt – präzise gesagt vor den Lader und in exakt abgestimmter Dosierung – kühlt das beim nachfolgenden Komprimieren sich erhitzende Benzin/Luft-Gemisch. Es verbessert zum einen die Füllung und vermindert zweitens die stets drohende Gefahr von unkontrollierter Verbrennung, dem gefürchteten Klingeln. Zur Optimierung der Kühlleistung wird zusätzlich destilliertes Wasser auf beziehungsweise vor den Kühler gesprüht. Starkregenartig geflutet wäre wohl der bessere Ausdruck: Während des 15-minütigen Rennens laufen hierbei annähernd 400 Liter durch unmittelbar vor dem Kühler angeordnete zahlreiche Düsen. Der serienmäßige Gemischkühler (aftercooler) oberhalb des Ladergebläses stellt einen unvorteilhaften Strömungswiderstand dar. Auf ihn kann nach den tiefgreifenden Modifikationen verzichtet werden, ein simp-les Ansaugrohr genügt. Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gelehrt, dass Redundanz gerade bei der Kühlung eine wichtige technische Prophylaxe darstellt. Sprich, die Pumpen für MW 50 und Kühler-"Bewässerung" sind jeweils doppelt vorhanden.

Seitliche Nahaufnahme des vorderen Teils der Bardahl Special mit geöffneter Motorabdeckung.
Tim Adams

Motorleistungen

Motorgehäuse, Zylinderbänke und -köpfe stammen aus den unter Zuverlässigkeitskriterien optimierten Nachkriegsbaureihen von Rolls-Royce, den sogenannten transport heads and banks. Dennoch sollte am Rennmotor das hoch beanspruchte Kurbelgehäuse mittels aus dem Vollen gefräster Aluplatten verstärkt werden. Vor dem Einbau wird die Kurbelwelle sorgfältigst auf optimalen Rundlauf geprüft und es werden stabilere Pleuel vom Allison-V12-Triebwerk montiert. An den geschmiedeten und reibungsmindernd beschichteten Kolben der Marke Arias ist die Verdichtung reduziert (von original 6,0 auf 5,5 zu 1), um dem hoch belasteten Kurbeltrieb das Leben wenigstens etwas erträglicher zu machen. Die Ventile verbleiben original, übermäßigem Verschleiß im Ventiltrieb – altes Merlin- und Griffon-Problem – wird mit geänderten Kipphebeln begegnet; sie sind mit extrem harten Wolframcarbid-Einsätzen armiert. Vintage V12s verwendet meistens Nockenwellen des P-51D/K-Motors, also Packard Merlin V-1650-7, umgearbeitet mit geänderten Steuerzeiten. Das Ladergehäuse stammt vom V-1650-9, dem Triebwerk der P-51H. Darin rotieren die hocheffizienten Laufräder des Typs V-1650-23. Diese Motorvariante markierte den Höhepunkt der Entwicklung noch zu Kriegszeiten, verwendet im Twin Mustang-Prototyp XP-82 von North American und den ersten 20 Exemplaren der P-82B. Diese Laufräder mit ihren gekrümmten Leitschaufeln sind ein Schlüsselelement fürs Tuning und extrem rar; offenbar existiert davon gerade mal noch eine Handvoll, alle in Rennmotoren verbaut.

Die Bardahl Special im Kurvenflug, fotografiert von unten, vor hellblauem Himmel.
Carson Zabel

Bewährung in Reno

Reno liegt in knapp 1600 Metern Höhe, im Rennen wird ausschließlich der Bodengang verwendet (Übersetzung 6,39-fache Kurbelwellendrehzahl). Dies gilt übrigens für jeden aufgeladenen Flugmotor mit zwei Gängen: Würde der Höhengang in den niedrigeren Bereichen unterhalb des Umschaltpunkts eingesetzt, wäre die interne Verlustleistung im Laderantrieb zu hoch. Erst bei abnehmender Luftdichte in größeren Höhen gleicht sich das aus, der Lader darf und soll schneller drehen. Die Zündmagnete von Delco North East punkten gegenüber Rotax mit besserer Eignung für hohe Leistungsausbeuten. Etwas milder als am V-1650-9 sind die Zündzeitpunkte justiert: Die einlassseitig platzierte Zündkerze funkt bei 42 Grad Frühzündung, jene am Auslass bei 45 Grad. Auch dies eine Maßnahme für weicheren Lauf und weniger Belastung der Motorinnereien. Der ebenfalls vom -9 stammende Bendix-Stromberg-PD18-Druckvergaser war schon an der P-51H für die MW-50-Einspritzung vorbereitet und ist serienmäßig, jedoch für die stark veränderten Powersettings abgestimmt. Im rechten Flügel sind die Behälter für MW 50 (151 Liter) und das Wasser-Sprühsystem (401 Liter) untergebracht. Im linken Flügel befinden sich insgesamt 522 Liter des sündhaft teuren 160-Oktan-Spezialkraftstoffs. Leer wiegt die "Bardahl Special" exakt 3286 Kilogramm und ist damit immerhin 172 Kilogramm leichter als eine serienmäßige P-51D; das Maximum Take-off Weight (MTOW) ist mit 4397 Kilogramm angegeben. Die Trainings- beziehungsweise Qualifikationsläufe dienen vor allem auch dazu, die minimal notwendige Menge an Flüssigkeiten für das Hauptrennen auszuknobeln. Werfen wir noch noch ein Blick auf den Spritverbrauch: Dieser beträgt in Abhängigkeit der Vergasereinstellung bei Vollgas etwa 40 Liter – pro Minute! Um hier ein entsprechend leistungsfähiges Fördersystem zu haben, wurde die Pumpe der F-86 Sabre mit einer Kapazität von 2600 Litern pro Stunde installiert. Hintons bester Rundenschnitt im Qualifying 2023 betrug 469,935 mph (756 km/h). Dabei lagen 3400/min Motordrehzahl und 4 bar Ladedruck an, also noch locker unter dem maximal Möglichen. Die Höchstgeschwindigkeit der "Bardahl Special" dürfte sicher jenseits der 850 km/h liegen. Mittlerweile ist Roswell/New Mexico als künftiger Austragungsort für das Air Race bestätigt, die Rennwoche soll vom 10. bis 14. September 2025 stattfinden. Die "Bardahl Special" wird aller Voraussicht nach am Start sein, und wir sind jetzt schon ganz besonders gespannt auf die Rennläufe mit den begeisternden Unlimited-Boliden.