Luftfahrthistoriker Matt Scales staunte nicht schlecht, als er sie leibhaftig vor sich sah. Er hatte einen Schatz gefunden, vergleichbar vielleicht mit einer seltenen Münzen-Fehlprägung, eine unter 10 000 Exemplaren. Er hatte jene Douglas C-47A (militärische Variante der DC-3) entdeckt, die in der Nacht zum 6. Juni 1944 die Transporter der amerikanischen Luftlandetruppen während des D-Day anführte. Nicht etwa in einem Geschichtsbuch oder einem Museum, sondern auf dem Schrottplatz der Firma Basler Turbo Conversions in Oshkosh.
Eine Erfolgsgeschichte
Was folgte, ist eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, wie gut die Luftfahrt-Community funktioniert. Der Central Texas Wing der Commemorative Air Force (CAF) sicherte sich die Dakota mit der USAAF-Seriennummer 42-92847 und sammelte per Crowdfunding Kapital für den Kauf und die nötige Restaurierung.
Ein Mammutprojekt
Nach über 60 Jahren in der Luft und weiteren zehn am Boden war von der Douglas nicht mehr viel übrig geblieben. Die Zelle musste grundlegend restauriert werden, neue Spanten eingebaut, Teile der Außenhaut ersetzt, zwei neue Motoren gekauft und die gesamte Elektrik erneuert werden. Weiterhin baute man auch zwei neue Flügel, denn die Korrosion hatte den alten zu stark zugesetzt. Ein Mammutprojekt, doch man bediente sich der Spezialisten von Basler, die für gewöhnlich alten DC-3 und C-47 mit neuesten Turboprop-Triebwerken wieder auf die Beine helfen, und ließ die D-Day-Führungsmaschine in über 20 000 Arbeitsstunden in weniger als drei Jahren wieder auferstehen.

Erneuter Erstflug
Am 31. Januar 2018 startete Doug Rozendaal zusammen mit Copilot Tom Travis zum erneuten Erstflug – 74 Jahre nachdem die C-47 in Tulsa, Oklahoma, vom Band gelaufen und in der zweiten Aprilwoche 1944 der 438th Troop Carrier Group zugeteilt worden war.
"That‘s All –Brother"
Die 438th TCG war bereits in Großbritannien stationiert und bereitete sich auf die geplante Invasion Europas vor. In England angekommen, erfolgte der Einsatz der Dakota bei der 87th Troop Carrier Squadron in Greenham Common. Lt. Col. John M. Donalson, Kommandeur der Gruppe, taufte die neue Maschine auf den Namen "That‘s All –Brother", eine passende Nose Art erhielt sie natürlich auch. Donalson war es auch, der in der Nacht zum 6. Juni die 800 Transportmaschinen der ersten Angriffswelle in die Normandie führen sollte. Er wählte dafür eben jene Skytrain. Mit insgesamt über 13 000 Fallschirmjägern an Bord flogen C-47 in einer riesigen Formation in Richtung Frankreich. Das Führungsflugzeug war dafür mit einem SCR-717-Radar ausgerüstet, um die Truppen exakt in den Einsatzgebieten absetzen zu können.

Radar mit Tücken
Doch die Technik steckte noch in den Kinderschuhen, das Wetter war nicht perfekt, und so verteilten sich die Soldaten über ein großes Areal, manche kilometerweit entfernt von ihrer Landezone. Auf dem Rückflug wurde den Besatzungen der Transporter das ganze Ausmaß der Invasion bewusst, als sie unter sich die Flotte, bestehend aus 5000 Schiffen und 150 000 Soldaten, auf die französische Küste zusteuern sahen. Die "Befreiung Europas" hatte endlich begonnen.
"Market Garden" und "Varsity"
Nach der Rückkehr wurden Flakschäden repariert, und bei einem zweiten Flug zog sie einen Lastensegler der 82nd Airborne Division ins Kampfgebiet. Im weiteren Verlauf des Krieges nahm sie noch an den Operationen "Market Garden" und "Varsity" teil, bevor sie am 4. August 1945 zurück in die USA geflogen wurde und Europa für lange Zeit verließ.
Aus dem Inventar der Air Force gestrichen
Am 26. Oktober desselben Jahres wurde sie aus dem Inventar der Air Force gestrichen und an die Reconstruction Finance Corp. übergeben. Es folgten weitere zivile Nutzer, bis sich es 1960 die Spur verliert:Angeblich soll die CIA sie bis 1968 für verdeckte Einsätze genutzt haben. Das kann jedoch nicht belegt werden. Die C-47 flog noch unermüdlich bis 2004 und erhielt, als Eigentum des Aero Heritage Museum, eine kleinere Überarbeitung.

"Spooky"
Fortan repräsentierte sie eine AC-47. Die AC-47 mit dem Beinamen "Spooky" war während des Vietnamkonflikts die erste Version der schwer bewaffneten Gunships. 2008 erfolgten der Verkauf an Basler und schließlich das Ende auf dem Abstellgleis, wo sie einer Verwendung als Teilespender entgegensah. Dank der Initiative der CAF und vieler Spender hat sie jedoch überlebt und ist im Frühjahr 2018 in ihrer neuen Heimat Texas angekommen. Dort erhielt sie ihre historisch korrekte Lackierung und die passenden Markierungen, inklusive D-Day-Streifen. Zum 75. Jahrestag der D-Day-Invasion im Juni 2019 machte sich die frisch herausgeputzte Veteranin zusammen mit 14 anderen Dakotas auf eine historische Reise über den Atlantik, um in Europa an den Jubiläumsfeierlichkeiten teilzunehmen. So flog sie schließlich auch über Berlin und war beim Pariser Aerosalon zu Gast.
Fliegender Botschafter
Neben der optischen Auffrischung bekam die "That's All, Brother" auch ihre originalen Ausstattungsmerkmale zurück. Viele Gegenstände, wie Funkgeräte, Bedienelemente und sogar die "Static Line" konnten beschafft und restauriert werden. Diese am Flugzeug befestigte Aufziehleine ist ein wichtiges Merkmal; an ihr klinkten sich 1944 die Fallschirmjäger der 101st Airborne Division ein und sprangen in Dunkelheit über Feindesland ab. Die Möglichkeit, Fallschirmspringer abzusetzen, soll auch zukünftig wieder geboten werden, denn die C-47 soll als fliegender Botschafter auf Veranstaltungen in den ganzen USA auftreten.