Anfangs sah es nicht gut aus für den ersten so genannten „V-Bomber“ der Royal Air Force (RAF). Vickers hatte genauso wie English Electric für die Spezifikation B.35/46 von Januar 1947 für einen neuen Jetbomber mit Nuklearbewaffnung einen recht konventionellen Entwurf vorgelegt. Obwohl er damals neue, gepfeilte Tragflächen aufwies, blieb er zunächst erfolglos. Die Konkurrenz wartete mit exotischeren und viel versprechenderen Designs mit Delta- und Sichelflügel oder gar einer Nurflügelkonfiguration auf. Letztere Anordnung bei Shorts und Armstrong-Whitworth fiel aus dem Wettbewerb, weil sie dann doch zu futuristisch anmutete. Das Rennen machten schließlich die Avro 698 (spätere Vulcan) und die Handley Page HP.80. Aber aufgrund der Ungewissheiten wollte die militärische Führung nicht „alle Eier in ein Nest“ legen, wie es damals hieß. Schließlich konnten die Forscher nicht auf Erfahrungen in Hochgeschwindigkeitswindkanälen oder in der Jet-Höhenforschung zurückgreifen.
Hier kam wieder Vickers-Chefkonstrukteur George Edwards ins Spiel, der sein Projekt Typ 660 als schneller zu realisieren und als risikoloser vermarktete. Die RAF erstellte daraufhin im April 1948 eigens die Spezifikation B.9/48. Edwards griff auf den Entwurf für den ursprünglichen Anforderungskatalog OR.229 (Operational Requirement) für einen Ersatz der Avro Lincoln zurück. Dieser sollte bei einer Reichweite von 5600 km eine 4,5 t schwere Nuklearwaffe aus einer Höhe von 13,7 km bei einer Geschwindigkeit von 925 km/h abwerfen können. Der Konstrukteur änderte lediglich die Tragfläche im Bereich des Flügelwurzelübergangs.
Erstflug von der Graspiste

Es blieb bei einem freitragenden Ganzmetall-Schulterdecker, dessen innere Flügelsektionen stärker gepfeilt waren. Die vier Turbojets Rolls-Royce Avon R.A.3 integrierte Edwards in den Flügel. Die fünfköpfige Besatzung fand in einem druckbelüfteten Abteil Platz. Allerdings besaßen nur die beiden Piloten Mk-3A-Schleudersitze von Martin-Baker. Der Rest der Crew sollte bei einem Notfall aus der seitlichen Tür abspringen. Als neu erweis sich die umfassende Anwendung elektrischer Systeme auf 112-Volt-Gleichstrom-Basis. Es kam nur ein hydraulisches System für Bremsen und Steuerung des Bugfahrwerks zum Einsatz. Ebenfalls als ungewöhnlich galt das Hauptfahrwerk mit je zwei großen Rädern in Tandemanordnung, die nach außen in die Tragfläche einfuhren.
Im Februar 1949 orderte das Ministry of Supply schließlich zwei Prototypen, die aus Geheimhaltungsgründen nicht in der Fabrik in Weybridge, sondern im etwas abgelegenen Fox Warren entstanden. Von da aus ging es zum Flugplatz Wisley, der zu diesem Zeitpunkt noch über eine Graspiste verfügte. Von dieser hoben Cheftestpilot Joseph „Mutt“ Summers und G. R. „Jock“ Bruce am 18. Mai 1951 mit der WB210 zum fünfminütigen Erstflug ab. Um jedes Risiko zu vermeiden, fuhren sie das Fahrwerk und die Klappen nicht ein. Bereits einige Tage früher, am 20. April, hatte die Regierung vor dem Hintergrund des Koreakriegs fünf Vorserien- und 20 Serienmaschinen bestellt. Im Juni 1951 bekam die Maschine nach einem Wettbewerb unter den Firmenangehörigen den Namen „Valiant“ und wurde noch im selben Jahr auf der Airshow in Farnborough der Öffentlichkeit vorgestellt.
Absturz beim Testflug

Einen Rückschlag erlitt das Programm allerdings am 12. Januar 1952. Bei Tests über der Küste kam es zu einem Triebwerksbrand. Die Besatzung verließ das Flugzeug. Nur der Copilot wurde getötet, da sein Schleudersitz nicht richtig funktionierte und er mit dem Leitwerk kollidierte. Trotzdem kam es zu keinen größeren Verzögerungen, weil der zweite Prototyp (WB215) bereits am 11. April 1952 zum Jungfernflug startete. Neun Tage vor dem vertraglich vorgeschriebenen Termin flog auch die erste Vorserienmaschine am 22. Dezember 1953. Die ersten Auslieferungen der Valiant erfolgten ab Januar 1955 an die 232 Operational Conversion Unit in Gaydon. Am 24. September 1957 lieferte Vickers mit der XD875 die letzte von insgesamt 107 gebauten Maschinen aus. Der Bomber flog bei der 49. und 138. Staffel in Wittering, bei den No. 148, 207 und 214 Squadrons in Marham, bei den Staffeln 7, 90 und 199 in Honington sowie als mit Kameras ausgerüsteter Aufklärer bei der No. 543 Squadron in Wyton.
Der einzige scharfe Einsatz erfolgte während der Suezkrise von Luqa auf Malta aus. Am 31. Oktober 1956 flogen mehrere Valiants und Canberras einen Nachtangriff mit konventionellen Waffen auf ägyptische Flugplätze. Hierzu rüstete die RAF die Valiants mit alten Bombervisieren nach, da die Zielsuchradare noch nicht getestet waren. Die Ergebnisse blieben daher recht bescheiden.
Abwurf der ersten britischen Atombombe
Dafür warf eine Valiant am 11. Oktober 1956 zu Testzwecken die erste britische Atombombe über Maralinga in Australien ab. In der Operation „Grapple“ folgte am 15. Mai 1957 rund 650 km südlich der Weihnachtsinseln im Pazifik die erste Wasserstoffbombe. Der Abwurf aus der Maschine mit der Kennung XD818 erfolgte in 14 km Höhe. Damit blieben der Besatzung 50 Sekunden, um sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen. Im Moment des Ausklinkens musste der Pilot eine schnelle Kehrtwende einleiten und mit maximaler Leistung auf Gegenkurs gehen. Heute steht das Flugzeug als letzte existierende Valiant im RAF-Museum in Hendon.
Aufgrund der allgemein verbesserten Luftabwehr musste sich die RAF mit ihrer Valiant-Flotte Anfang der 60er Jahre auf Tiefflugangriffe verlegen. Daneben flogen mehrere Maschinen als Tanker mit einem System von Flight Refuelling, bei dem der Treibstoff aus einem rund 2000 Liter fassenden Tank im Bombenschacht über eine Schlauchtrommel im Heck zu den Empfängerflugzeugen gelangte. Als erstes britisches Luftbetankungsflugzeug erwies sich der ehemalige Bomber als sehr erfolgreich, bis es am 6. August 1964 zu einem Ermüdungsbruch eines Flügelholms kam. Eine anschließende Untersuchung zeigte Risse bei vielen anderen Exemplaren, so dass im Januar 1965 die Entscheidung fiel, die gesamte Flotte zu verschrotten. Trotzdem bleibt die Valiant aus heutiger Sicht ein Erfolg, auch wenn sie oft im Vergleich zu Vulcan und Victor als einfache Zwischenlösung abgetan wird. Schließlich musste sich Vickers mit Problemen befassen, auf deren Lösungen sich dann Avro und Handley Page stützen konnten. Der Jetbomber entstand innerhalb kürzester Zeit, hatte keine Programmverspätungen und war bei allen Piloten beliebt. George Edwards sagte später: „Es war bei weitem das schwierigste Flugzeug, das ich je entworfen habe. Wir bekamen keine Gnade, weil wir keine verkleinerten Flugmodelle bauen konnten. Der Entwurf musste von Anfang an stimmen.“
FLUG REVUE Ausgabe 01/2005