„Beim Übergang in den Horizontalflug in 42000 ft hatte ich noch dreißig Prozent Treibstoff. Ich zündete deshalb die dritte Kammer und war sofort auf Mach 0.96. Mir fiel auf, dass mit zunehmender Geschwindigkeit der Flug immer ruhiger wurde. Plötzlich schlug die Mach-Anzeige kräftig aus. Die Nadel stieg bis Mach 0.965 – und dann rutschte sie ganz einfach über das Skalenende hinaus. Eine Instrumentennadel zeigte mir an, was ich erreicht hatte. Es hätte einen Ruck geben müssen, etwas, was mich darauf aufmerksam gemacht hätte, dass ich ein Loch in die Schallmauer gebohrt hatte. Der Vorstoß in die Grauzone des Unbekannten hatte sich als Sonntagsspaziergang erwiesen. Erst später begriff ich, dass die gesamte Mission ganz einfach mit einer Enttäuschung enden musste: Die Mauer, die wir überwinden wollten, existierte nicht in der Luft, sondern in unseren Köpfen.“
Am 14. Oktober 1947 durchbrach Chuck Yeager als erster Mensch mit dem Experimentalflugzeug Bell X-1 die Schallmauer, hörte, so schreibt Yeager in seiner Autobiographie „Schneller als der Schall“, die Welt zum ersten Mal „jenes ferne Donnergrollen“ – den Überschallknall.
Beginn einer neuer Zeit

Fast auf den Tag genau 22 Jahre später, am 1. Oktober 1969, zu einer Zeit, als die militärische Mach-1-plus-Operation längst zur täglichen Routine geworden war, folgte das erste zivile Verkehrsflugzeug der X-1 in das Reich jenseits der unsichtbaren Mauer – die in britisch-französischer Gemeinschaftsproduktion gefertigte Concorde.
Weitere sechs Jahre und 6560 Testflugstunden darauf wurden die beiden Produktionsmodelle 5 und 6 am 21. Januar 1976 auf den Strecken Paris - Dakar - Rio de Janeiro und London - Bahrain von den Fluggesellschaften Air France und British Airways (BA) simultan in Dienst gestellt.
Über die Jahre haben die sieben BA-Concorde auf 45000 Flügen rund 205 Millionen Kilometer zurückgelegt – entsprechend etwa 200 Reisen zum Mond und zurück. Die sechs Concorde der Air France flogen in ihrer Dienstzeit mehr als 110 Millionen Kilometer oder knapp 2700 Erdumrundungen weit. Zusammen verbrachten die beiden Concorde-Flotten rund eine halbe Million Stunden im Überschallflug. Die tägliche Einsatzdauer der Maschinen belief sich dabei auf rund drei Stunden. Gemessen an den durchschnittlich 13 Dienststunden einer Boeing 747-400 wurde die Concorde damit recht schonend behandelt und blieb entsprechend „jung“.
Korrosionsschutz durch Überschall
Unterstützend wirkte sich dabei die Geschwindigkeit aus. Im doppelten Überschallbereich jenseits der 2000-km/h-Marke wird der Rumpf des Flugzeugs durch den Reibungswiderstand so stark aufgeheizt (127°C) – die Zelle streckte sich dabei um bis zu 25 cm –, dass eventuell auftretende Feuchtigkeit verdunstet. Daher blieben Korrosionsschäden an der Concorde gering. So habe die Wartung wiederholt gezeigt, berichtete British Airways 1999, dass das Innenleben der nunmehr 30 Jahre alten Überschalljets praktisch dem eines drei bis vier Jahre alten Unterschall-Airliners gleichkomme. Ein Vorteil der den Enthusiasten des britischen Club Concorde heute zu Gute kommt. Ehemalige Piloten, Techniker und Fans haben sich zu dem Verein zusammengeschlossen. Das Ziel ist, die Concorde in zwei Projekten wieder zum Leben zu erwecken. Das ganze läuft ziemlich gut, denn Investoren haben bereits rund 160 Millionnen Pfund (etwa 220 Millionen Euro) für den Jet versprochen.
Auf einer nicht lärmschutzlimitierten, nach heutigen Anforderungen damit allerdings auch nicht mehr typischen Mission, wäre die Concorde, angetrieben von ihren vier Rolls-Royce/Snecma-Olympus-593-Turbojets in der Lage, bereits kurz nach dem Start in einer Flughöhe von 5000 ft (1500 m) mit Hilfe ihrer Nachbrenner eine Steigfluggeschwindigkeit von 400 kts (740 km/h) zu erreichen.Mit dieser Climb Speed würde die Maschine dann auf 32000 ft (9800 m) steigen, um von dort aus auf Mach 1.8 zu beschleunigen und auf 45000 ft (13800 m) zu gelangen. In einer Reiseflughöhe von 51000 ft lägen dann Mach 2.02 an. Bei dieser Reisegeschwindigkeit beförderte die Concorde ihre bis zu 128 Fluggäste über Reichweiten von bis zu 6230 km.





Zurück in der Zeit
Unter Anwendung der durch die Lärmschutzbestimmungen heute vorgegebenen Abflugverfahren glich die Departure der Concorde mehr oder weniger der herkömmlicher Airliner. Die starke Nachbrenner-Beschleunigungsphase wurde erst jenseits des Festlands über dem offenen Wasser eingeleitet. Lediglich während der ersten eineinhalb Minuten des Starts benötigte die Concorde ihre Afterburner, da der Delta-Flügler ohne den zusätzlichen „Boost“ nicht abheben konnte.
Bis 1999 hatten 2,1 Millionen British-Airways- und etwa 1,1 Millionen Air-France-Passagiere den Geschwindigkeitsvorteil der Concorde genutzt. 80 Prozent der Kunden waren Geschäftsleute, die restlichen 20 Prozent teilten sich Pop- und Sportstars sowie Filmschauspieler. Hauptgrund, einen Sitz in der Concorde zu buchen, war zweifelsohne der Zeitfaktor. So dauerte die Atlantiküberquerung von London oder Paris nach New York drei bis dreidreiviertel Stunden. Durch die Zeitverschiebung kommt der Fluggast damit früher in „Big Apple“ an, als er in Europa abgeflogen ist. So startet beispielsweise Air France mit der Concorde täglich um elf Uhr in Paris und landet drei Stunden und 45 Minuten später in New York – um 8.45 Ortszeit.
Die Entscheidung über die Entwicklung des europäischen Überschall-Airliners geht zurück auf das Jahr 1962. Damals einigten sich die British Aircraft Corporation (heute British Aerospace) und die französische Aérospatiale sowie die beiden Triebwerkshersteller Rolls-Royce und Snecma (Société Nationale d’Etude et de Construction de Moteurs d’Aviation) auf den Bau von insgesamt zwei Prototypen, zwei Vorserienmodellen und zwei Strukturversuchsträgern des vierstrahligen Projekts.





Eine der größten technologischen Errungenschaften
Mit der Konstruktion der ersten beiden Prototypen wurde im Februar 1965 begonnen. Im Dezember 1967 erfolgte der Roll-out der ersten von Aérospatiale endmontierten Concorde mit der Werksnummer 001. Am 2. März 1969 absolvierte diese Maschine ihren Erstflug. Der britische Prototyp – Werksnummer 002 – flog am 9. April 1969. Im September 1969 begann Prototyp 001, den transsonischen Geschwindigkeitsbereich knapp unterhalb Mach 1 zu „erforschen“. Im Oktober des Jahres durchbrach dieselbe Maschine auf ihrem insgesamt 45. Einsatz die Schallmauer. Im Dezember wurde Mach 1.5 erreicht, und noch einmal ein halbes Jahr später flog der französische Testträger mit modifizierten 593-3B-Turbojets Mach 2.
Mag das Testprogramm dieses ersten zivilen Überschall-Airliners für manchen Laien im Vergleich zu militärischen Geschwindigkeitsverhältnissen auch possierlich anmuten – die Concorde steht für eine der größten technologischen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts. Und statistisch gesehen haben die Concorde von British Airways und Air France bis zur Jahrtausendwende mehr Stunden jenseits von Mach 1 absolviert, als alle Militärjets der Welt zusammengenommen.
Dabei wurden die Maschinen von nicht wenigen „Experten“ nur als Vorreiter einer Entwicklung betrachtet, die uns bis heute längst die Flugreise bei Mach 6 hätte bescheren sollen.





So kündigte US-Präsident Lindon B. Johnson Mitte der 60er Jahre an, dass ein Hyperschall-Flugzeug mit Wasserstoffantrieb „schon bald“ mühelos Reisegeschwindigkeiten von 8000 km/h und Reichweiten von bis zu 12000 km realisieren werde. Allerdings, ergänzte die NASA seinerzeit vorsichtshalber, werde solch ein Flugzeug nicht vor Ablauf der nächsten 25 Jahre fliegen – 1990 hätte es also soweit sein müssen.
Tatsächlich aber zeichnete sich bis Ende der 1990er Jahre, trotz aller Lippenbekenntnisse, kein Konzept ab, das betriebswirtschaftlich wie ökologisch als wirklich fortschrittliche Alternative zum europäischen Supersonic-Liner Concorde angesehen werden könnte.
Die größte technologische Herausforderung stellt sich dabei im Triebwerksbereich. Der Antrieb eines potentiellen Nachfolgemusters müsste im Unterschallbereich Lärm- und Abgasemissionswerte „normaler“ Airliner erreichen und, über den kombinierten Unter- und Überschallbereich einer kompletten Mission betrachtet, treibstoffverbrauchsseitig eine fast nach Unterschall-Maßstäben profitable Operation ermöglichen. Grundlage dieser Bedingung ist die Forderung der Fluggesellschaften nach einem Supersonic-Ticketpreis, der maximal 30 Prozent über dem des Subsonic-Flugpreises liegt. Für die Masse der Airlines ist das elitäre Transportvehikel für einige wenige Privilegierte uninteressant. Was zählt, ist die dauerhaft gewinnbringende Attraktivität für ein breiteres Publikum. 350 Sitzplätze – und nicht wie bisher 120 – muss nach Meinung der Airlines das Designziel lauten.
Die Vorgaben, denen sich die Ingenieure in den Entwicklungsetagen der Flugzeughersteller gegenüber sehen, erinnern an das Bild der eierlegenden Wollmilchsau.
Bis diese Vision luftfahrttechnisch im Sinne eines Überschall-Airliners der zweiten Generation umgesetzt ist, wird die Concorde auch weiterhin allein bleiben an jenem Ort, wohin ihr bislang kein „Artgenosse“ folgen konnte und vielleicht, aus Wirtschaftlichkeitsgründen, auch keiner mehr folgen wird – „jenseits des Donnergrollens“.
Technische Daten

Concorde
Hersteller: British Aerospace, Aérospatiale, Rolls-Royce, Snecma
Antrieb: 4 x Rolls-Royce/Snecma Olympus 593 Turbojet mit einer Leistung von je 169,3 kN (38050 lbs) plus 17 Prozent Nachbrenner
Besatzung: 2 Piloten, 1 Flugingenieur, 6 Flugbegleiter
Passagiere:max. 128
Abmessungen:
Länge: 62,10 m
Höhe: 11,40 m
Spannweite: 25,56 m
Flügelfläche: 328,25 m2
Kabinenlänge: 39,32 m
Kabinenbreite: 2,63 m
Kabinenhöhe: 1,96 m
Massen:
Max. Abflugmasse: 185065 kg (408000 lbs)
Max. Landemasse: 111130 kg (245000 kg)
Max. Nutzlast: 12700 kg (28000 lbs)
Max. Treibstoffkapazität: 119786 l
Leistung:
Reisegeschwindigkeit: Mach 2.02(2200 km/h, 600 m/sec.)
Startgeschwindigkeit: 214 kts (397 km/h)
Landegeschwindigkeit: 162 kts (300 km/h)
Dienstgipfelhöhe: 60000 ft (18290 m)
Max. Reichweite: 3550 NM (6580 km)
Erforderliche Startstrecke: 3410 m
Erforderliche Landestrecke: 2220 m