Neue Messerschmitt Bf 109E "Emil": exklusive Luftaufnahmen!

Top restauriert und superselten
Mit Video: Messerschmitt Bf 109E über Deutschland!

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Als mein Telefon am Abend des 19. Juni 2023 klingelt und ich die angezeigte Nummer sehe, bin ich gespannt: Es ist Dirk Bende, der Motoren- und Flugzeugrestaurator vom Flugplatz Bonn/Hangelar. "Sie ist ohne Probleme zum Erstflug gestartet und wieder gelandet, wir wollen die Bilder und Geschichte exklusiv mit dir machen", eröffnet Dirk das Gespräch. "Sie" ist in diesem Fall die Messerschmitt Bf 109 E-4 "Rote 12" eines deutschen Enthusiasten. Ich fühle mich geehrt, und wir besprechen die nächsten Schritte, doch es sollte sich noch knapp 60 Tage hinziehen, bis ich mit der Fotomaschine und meinem Piloten Lennart nach Bonn aufbreche. Dazwischen lagen noch einige Telefonate mit Dirk und seiner Frau Vera, die mich immer sehr professionell über die Fortschritte auf dem Laufenden hielten, bis alles stimmt, die Maschine einwandfrei läuft und unserem Termin nichts mehr entgegensteht.

Gefahr und Faszination

So eine 109 umgibt eine besondere Aura. Von vielen noch heute als gefährlich beim Start und der Landung beschrieben, bildete sie in ihren verschiedenen Versionen ab ihrer Indienststellung 1937 das Rückgrat der Luftwaffe. Warbird-Piloten in Europa, Großbritannien oder den USA antworten oft auf die Frage, welches Muster sie gerne mal fliegen würden, "die 109".

Philipp Prinzing

Der Gutsbesitzer und die Emil

Der Pilot, der mich in Bonn begrüßt, hat eher etwas von einem englischen Gutsbesitzer: schlank, braune Wildleder-Chukka-Boots, unter dem olivfarbenen Overall eine Cordhose und ein Rollkragenpullover. Es ist Charlie Brown. Er ist eine Legende in der Warbirdszene mit Tausenden Stunden auf den begehrten Kolbenjägern und ein typischer britischer Gentlemen. Sein charakteristischer Oberlippenbart ist seit Jahren ein besonderes Markenzeichen des Briten. Flight Lieutenant Charlie Brown trat 1981 in die Royal Air Force ein und flog in seiner 30-jährigen Karriere als RAF-Pilot Tornado GR1, Jet Provost, Chipmunk, Bulldog, Tucano, Firefly und Tutor. Zur Warbird-Fliegerei kam er vor über 30 Jahren, als er erstmals eine Spitfire steuerte. Auf die Frage, wie man dazu kommt, Warbirds zu fliegen, antwortet er mit feinstem britischen Akzent und einer sehr ruhigen und milden Stimme: "Eins führt zum anderen. Ich begann mit dem Fliegen von Spitfires bei Historic Flying (HFL) in Audley End. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde ich Unit Test Pilot (UTP) bei der RAF Cranwell (Testflüge mit Tucanos) und ich hatte bereits einige Erfahrung als UTP bei der RAF Brüggen mit Tornado GR1s. Als die HFL mehr Spitfires restaurierte, wurde ich gebeten, einen Teil der Testflüge zu übernehmen."

Philipp Prinzing

Kenner von Details – dank tausender Flugstunden

Brown flog verschiedene Spitfire, insgesamt hatte er über 1700 Stunden auf dem ikonischen britischen Jäger und auf der Hurricane, bevor er erstmals mit einer Messerschmitt in Berührung kam. Es war die damals einzige originale 109, die flog: die bekannte G-2 Trop "Black Six", die heute im Royal Air Force Museum steht. In den nächsten Jahren folgten weitere, darunter E-4, G-2, G-4, G-6, G-12-Doppelsitzer und verschiedene spanische HA-1112. Man kann ihn also getrost fragen, welche Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten bestehen: "Ich bin noch kein F-Modell geflogen, das als Äquivalent zur Mk V der Spitfire gilt. Aber die Emil ist im Vergleich zur Gustav ein leichteres Flugzeug mit einer viel höheren Rollrate. Sie ist herrlich leicht und einfach. Die Emil mit der Gustav zu vergleichen, ist wie ein frühes Modell der Spitfire mit einer Variante mit Griffon-Motor zu vergleichen."

Philipp Prinzing

Der Schatzsucher

Die Emil, von der Charlie schwärmt, ist eine frühe Version des Jagdflugzeugs, das 2023 seinen Erstflug hatte. Doch wo wurde sie gefunden und wie fand sie ihren Weg zurück nach Deutschland? Der Eigentümer ist bekannt für hochpreisige, historische Fahrzeuge und er war einer der Ersten, die nach dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs in den Osten gingen, um deutsche Luxusautomobile zurückzuholen, die nach dem Krieg dorthin als Beute mitgenommen worden waren. Von der Ukraine bis weit ins Baltikum durchsuchte er selbst oder mithilfe seiner dort rekrutierten Suchtrupps die ehemalige Sowjetunion nach den Schätzen. Die Suche zahlte sich aus: An vielen Orten, in Scheunen, Garagen, aber auch Bauernhöfen fanden sich diverse seltene deutsche Vorkriegsfahrzeuge der Marken Horch, Mercedes, Maybach und BMW. Da es sich herumgesprochen hatte, dass er der Einzige war, der diese Objekte aus der Sowjetunion exportieren konnte, traten immer neue Sammler auf ihn zu, die Militärfahrzeuge und Flugzeuge suchten.

Philipp Prinzing

Eine Messerschmitt im Hinterhof gekauft

So kamen zu den Oldtimern nun Panzer der Wehrmacht und Flugzeuge der Luftwaffe hinzu. Eines der Flugzeuge, die er fand, war die besagte Messerschmitt Bf 109 E-4. Es war frühmorgens an einem kalten Wintertag 1991, als er erstmals auf dem Hinterhof einer technischen Hochschule in Moskau die Überreste der bei Murmansk notgelandeten Maschine in Augenschein nahm. Eigentlich wollte er sie nicht kaufen. Die vergangene Nacht mit der langen Fahrt im alten Lada ohne Heizung von Sankt Petersburg nach Moskau steckte ihm noch zu sehr in den Knochen. Außerdem hatte er von Flugzeugen eigentlich doch wenig Ahnung. Auf dem Rückweg nach Sankt Petersburg, als er wieder im alten Lada saß und über die eisigen Landstraßen fuhr und die verschneite Landschaft im Scheinwerferlicht an ihm vorbeizog, wurde er doch wehmütig und entschied sich, das Flugzeug wieder flugfähig zu restaurieren. Er war sich aber darüber im Klaren, dass ihm die nötigen Kenntnisse fehlen würden, um selbst einmal ein solches Jagdflugzeug zu fliegen.

Philipp Prinzing

Mafia und Microsoft

Tatsächlich aber musste er die Messerschmitt zwei Mal kaufen, denn die sehr aktive russische Mafia, für die auch Auftragsmorde für wenig Geld kein Tabu waren, hatte mitbekommen, dass der Oldtimerhandel sehr lukrativ ist. Sie nahm ihm die Messerschmitt ab und ließ ihn noch einmal zahlen. Doch nicht nur die Mafia war sein Gegenspieler, sondern auch Paul Allen, der inzwischen verstorbene Microsoft-Mitbegründer, war große Konkurrenz. Einer seiner Suchtrupps schnappte ihm die Focke-Wulf Fw 190 A-5 vor der Nase weg. Sie fliegt heute wieder in Seattle.

Werknummer 1983

Was genau sich der damals in Hamburg wohnhafte Enthusiast gekauft hatte, stellte sich bei der Recherche nach Ankunft der Maschine heraus. Es handelte sich um eine 1939 bei der Erla Maschinenwerk GmbH gebaute Messerschmitt Bf 109 E-4 mit der Werknummer 1983. Sie gehörte zur 5. Staffel des Jagdgeschwaders 5, dem bekannten Eismeer-Geschwader, und ging am 24. Januar 1942 bei Murmansk verloren. Der namhafte Luftfahrthistoriker Jochen Prien konnte dies ausfindig machen, jedoch keinen Piloten zuordnen. Später fand er über ein russisches Archiv den Piloten heraus, der die Maschine nach einem Schuss in den Motor notlanden musste. Vorher war sie wohl an der Front auf E-7-Standard umgebaut worden, konnte also Bomben oder Zusatztanks mitführen. Schnell war der Plan gefasst, sie wieder flugfähig zu restaurieren. Doch in den 1990er Jahren gab es für fliegende deutsche Klassiker wenige Fachbetriebe und der Markt war ein anderer als heute. Die Suche nach den benötigten Ersatzteilen erforderte sieben Jahre und einen Streifzug durch ganz Europa, denn die Teile für die bereits 1940 eingestellte E-Version der 109 waren schon zu Kriegszeiten rar gewesen.

Philipp Prinzing

Blechscheren waren am Werk

Die Ersatzteile waren dringend notwendig, denn beim Fund der Maschine hatte sich herausgestellt, dass Souvenirjäger Bauteile der Maschine geraubt hatten. So hatte man die Tragflächennasen mit einer Blechschere abgetrennt, um die Bordwaffen ausbauen zu können. Außerdem war der Rumpf hinter dem Cockpit abgetrennt, um dahinterliegende Komponenten zu inspizieren. Von der Blechsubstanz her war der Flieger in einem guten Zustand, Korrosion war kaum ein Thema. Die Unterseite des Rumpfs war durch die Landung verbeult. Der Motor war noch eingebaut. Es war dem Eigner daher ein besonderes Anliegen, die besten Betriebe und Handwerker für den Wiederaufbau eines so ehrgeizigen Projektes in Europa zu finden und zu engagieren.

Bf109E-4, Rote 12 im Flug
Philipp Prinzing

Langwierige Restaurierung

In Großbritannien lernte er Craig Charleston kennen, der mit seiner Firma Charleston Aviation Services bereits zwei Bf 109 flugfähig restauriert hatte. Dieser erhielt den Auftrag für den Wiederaufbau und die Restaurierung des kompletten Rumpfs, der Fahrwerke und der Motorverkleidung. Der seinerzeit bekannte Siegfried "Siggi" Knoll übernahm den Aufbau des Motors und die Firma Hartmaier restaurierte und teilerneuerte die Flächen. 2012, nach über 20 Jahren seit der Bergung und 70 Jahre nach ihrem Verlust, konnten die Arbeiten an der Zelle zunächst abgeschlossen und das Flugzeug, dann in Manching bei der Messerschmitt Stiftung, final montiert werden. Bis zu den ersten Motorenläufen dauerte es noch weitere fünf Jahre. "Doch dort, wo Menschenhände am Werk sind, geschehen Fehler – und eine Reihe von Arbeiten mussten noch ein zweites Mal ausgeführt werden", erzählt der Eigner. Diese Bemerkung bezieht sich auf den von Knoll überholten Motor, der den ersten Testläufen nicht standhielt. Das Projekt kam erstmals für längere Zeit zum Erliegen und erst die Bekanntschaft mit dem Inhaber des in der Branche bekannten Flugmotoren-Betriebs Dirk Bende im Jahr 2019 brachte den benötigten neuen Schwung in die Restaurierung des Motors.

Philipp Prinzing

Bende macht die 109 fit

Die 109 wurde mit einem Spezialtransport zu Bendes Betrieb in Bonn/Hangelar verbracht. Dort zerlegte Bende den Motor erneut und schon die erste Bestandsaufnahme ergab, dass man besser auf einen noch leistungsstärkeren Typ 601 N zurückgreifen sollte. Ein glücklicher Umstand ergab, dass sich im Fundus von Bende ein 601-N-Motor befand, dessen innere Bauteile noch fabrikneu waren. Der neuwertige Kurbeltrieb konnte als Grundlage für den Neuaufbau des endgültigen Motors verwendet werden. Im Zuge des Wiederaufbaus legte Dirk Bende großes Gewicht auf die vom Hersteller vorgeschriebenen Toleranzen und Einstelldaten, um einen möglichst schwingungsfreien Motorlauf zu gewährleisten. Die ersten Testläufe auf einem extra dafür umgebauten Saurer-Lkw von 1968 fanden ab dem 3. Mai 2022 statt und dauerten zwölf Tage, die sich über einen Monat verteilten.

Philipp Prinzing

Original-Validierungsprogramm von 1941

Sie entsprachen zu 100 Prozent dem Daimler-Benz-Prüfprogramm von 1941. Dazu zählten unter anderem die Überprüfung von Start- und Notlandedrehzahl, Steigleistung, höchstzulässiger und wirtschaftlicher Dauerleistung. Diesmal liefen alle Testläufe ohne Zwischenfall und der Motor war bereit für den Einbau in die Zelle. Die Überholung des Triebwerks dauerte insgesamt ein Jahr. Diese Zeit nutzte das kleine Bende-Team, um nach einer gründlichen Inspektion auch der Zelle und den Fahrwerken einen letzten Feinschliff zu verpassen. Dabei wurden manche Bauteile nochmals überholt.

Schwieriger Zulassungsprozess

Viel Zeit nahmen nicht nur die Arbeiten am Flugzeug und Motor in Anspruch, sondern auch die Dokumentation für das Luftfahrtbundesamt. Der LTB Bende musste seine bestehende Zulassung für die Bf 109 F um das Muster E erweitern und die Zulassung als Einzelstück beim Luftfahrt-Bundesamt wurde auf den Weg gebracht. Denn die inzwischen als "Rote 12" bekannte Maschine sollte in die deutsche Luftfahrtrolle eingetragen werden. Materialvergleichslisten mussten erstellt werden, jeder verwendete Niet musste überprüft werden, alles wurde mit den originalen Werkszeichnungen verglichen, das Brandschott wurde noch einmal verstärkt und die Frontscheibe durch eine verstärkte getauscht. Natürlich mussten auch alle Arbeiten sorgfältig dokumentiert werden – und es hatte sich in den fast 30 Jahren der Restaurierung unendlich viel Material angesammelt. Der erlösende Brief aus Braunschweig mit der Erlaubnis zum Fliegen (Permit to Fly) kam am 28. April 2023.

Philipp Prinzing

Emil wird flügge

Die Frage, wer die ersten Flüge ausführen sollte, gestaltete sich eigentlich gar nicht so schwierig, doch der Brexit machte es nicht so einfach. Für Charlie Brown, der schon mehrere E-Versionen geflogen war, mussten etliche Unterlagen eingereicht und Telefonate geführt werden, denn eigentlich sind die UK-Lizenzen in der EU nicht mehr gültig. Am Ende bekam er eine Lizenz ausgestellt, die ihm erlaubte, an 28 Tagen im Jahr 2023 die Flugerprobung durchzuführen. Die Rollversuche am Boden verliefen gut und der Erstflug rückte in greifbare Nähe. Mit Zustimmung der Behörden durfte die Grasbahn am Flugplatz Bonn/Hangelar für die Flüge genutzt werden, denn darauf fühlt sich die Bf 109 wohl. 81 Jahre nach ihrem Verlust und 32 Jahre seit dem Erwerb waren vergangen, als Charlie Brown nach den letzten Checks auf die Piste 29 rollt und den Hebel nach vorn schob. Der 601 entfaltet zuverlässig seine Kraft, die Maschine beschleunigt und nach nur 500 Metern hat die Werknummer 1983 erstmals wieder Luft unter den Flügeln und steigt in den Himmel. Und damit wären wir wieder am Anfang dieser Geschichte und dem Anruf von Dirk Bende.

Philipp Prinzing

Einmaliger Fotoflug entlang des Rheins

Unser Fotoflug am 30. August 2023 mit der einzigen Bf 109 Emil, die derzeit fliegt, verläuft so professionell wie die letzten Jahre der Restaurierung durch Dirk Bende und Mitarbeiter Max Bick. Alles ist zu 100 Prozent vorbereitet, das Wetter spielt für ein ausreichendes Fenster mit und es kann bereits kurz nach unserer Ankunft in Bonn losgehen. Ich blicke nach hinten aus dem Fotoflugzeug und sehe, wie Charlie in der E nach uns startet. Ich verliere ihn kurz aus den Augen, da wir die Platzrunde verlassen. Wenige Augenblicke später ist er da, direkt neben uns, wie festgenagelt eskortiert er uns den Rhein herunter Richtung Mönchsheide. Die Bedingungen sind perfekt, wir haben sogar noch eine tief liegende Wolkendecke, die für die Bilder besonders gut wirkt. Alles funktioniert perfekt. Nach nur 30 Minuten landen wir wieder und sind zufrieden. Nach nur fünf Stunden sitze ich wieder am Schreibtisch und probiere, das gerade Erlebte zu verarbeiten.

Philipp Prinzing

Den letzten Satz dieser Geschichte überlasse ich Charlie Brown mit seiner Antwort auf die Frage, wie er sich mit der "Roten 12" fühlt: "Es ist eine große Ehre und ein Privileg. Ich hoffe, die Leute haben genauso viel Freude daran, sie zu sehen und zu hören, wie ich daran, sie zu fliegen. Mein Dank gilt dem Besitzer für seine 32 Jahre engagierte und hervorragend detaillierte Restaurierung und dem ganzen Team Bende. Well done, Boys."