Argentinischer Kampfjet mit deutschen Genen: FMA I.Ae. 33 Pulqui II

FMA I.Ae. 33 Pulqui II – Technik und Geschichte
Argentinischer Kampfjet mit deutschen Genen

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 18.10.2025
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Nach den Erfahrungen mit der von einem Team unter Émile Dewoitine entwickelten und im August 1947 geflogenen I.Ae. 27 Pulqui machte sich die argentinische Fábrica Militar de Aviones (FMA) an einen weiteren Jäger mit Strahlantrieb. Es wurden zwei Gruppen gebildet: eine unter der Führung von Norberto Morchio, dem Leiter der Abteilung für Sonderprojekte, und die andere unter der Leitung von Kurt Tank, dem ehemaligen technischen Direktor von Focke-Wulf, der in Argentinien ein neues Betätigungsfeld suchte. Er schlug einen Entwurf auf Basis des von Hans Multhopp konstruierten Düsenjägers Focke-Wulf Ta 183 vor. Da die Entwürfe sehr ähnlich waren, wurde 1948 angeordnet, dass sich beide Gruppen zu einem Projekt zusammenschließen sollten. Von diesem Zeitpunkt an wurde das Projekt als I.Ae. 33 Pulqui II bezeichnet, und Tank blieb Projektleiter. Morchio verließ die Firma kurz darauf.

Im Oktober 1948 wurde mit Hilfe von Reimar Horten zunächst ein Segelflugzeug aus Holz und Stoff gebaut, um die aerodynamischen Tests im Windkanal zu überprüfen. Otto Behrens, Tanks Testpilot, machte den ersten Flug. Dabei wurde festgestellt, dass das Design einige Änderungen erfordert, und ein neues Segelflugzeug mit weiteren Modifikationen wurde gebaut. Es flog am 21. Januar 1949 erstmals, wieder mit Behrens am Steuer.

Anfang 1949 begann auch der Bau einer Flugzeugzelle für Bruchversuche und eines Prototyps für Flugtests. Als Antrieb diente ein Rolls-Royce Nene II mit 22,2 kN Schub. Außerdem erhielt die Pulqui II als eines der ersten Flugzeuge weltweit einen Schleudersitz (Martin-Baker Mk.1). Nach einem Jahr war das als E-1 bezeichnete Flugzeug fertiggestellt und begann mit Bodentests. Im Sommer 1950 war die Pulqui II für die Erstflugvorbereitungen bereit. Obwohl Tank den ersten Flug selbst durchführen wollte, entschied das Instituto Aerotécnico, dass Capitán Edmundo Weiss der Pilot sein sollte. Er absolvierte am 16. Juni 1950 den 28 Minuten dauernden Jungfernflug, bei dem keine größeren Probleme festgestellt wurden. Am 19. Juni wurde ein zweiter Flug durchgeführt, diesmal mit Otto Behrens am Steuer, aber bei der Landung begann das Flugzeug zu hüpfen und das Fahrwerk wurde beschädigt. Die Reparatur dauerte vier Monate, bis Kurt Tank dann am 23. Oktober die Flugtests wieder aufnahm.

Prototypen E-2 und E-3: Testprogramm und Unfälle

Am 8. Februar 1951 wurde die Pulqui II in Buenos Aires Präsident Juan Perón und mehr als 20.000 Menschen vorgestellt, die zum Aeroparque, dem Inlandsflughafen der Stadt, gekommen waren. Ende Mai beauftragten die argentinischen Luftstreitkräfte die erfahrenen Kampfpiloten Carlos A. Soto und Vedania Mannuwal mit Flugtests der Pulqui II. Am 31. Mai unternahm Soto einen Flug am Morgen und bemerkte bei einer Geschwindigkeit von fast 1000 km/h starke Vibrationen. Soto landete und Captain Mannuwal wurde darauf hingewiesen, vorsichtig zu sein und das Flugzeug nicht zu sehr zu beanspruchen. Er startete zum 34. Flug mit der Pulqui II und begann, ohne den Rat zu beherzigen, mit Kunstflugmanövern – bei denen sich ein Flügel vom Rumpf löste. Mannuwal betätigte zwar noch den Schleudersitz, konnte sich mangels Schulung aber nicht von ihm lösen und kam beim Aufprall auf den Boden ums Leben.

Der Bau des zweiten Prototyps (E-2) hatte zum Zeitpunkt des Unfalls begonnen, und am 25. September 1951 flog Kurt Tank ihn zum ersten Mal. Dieses Flugzeug hatte ein modifiziertes und größeres Seitenruder sowie weitere Änderungen. Nach diesem ersten Flug wurde die Maschine für Bodentests verwendet und auf dem Landweg nach Buenos Aires geschickt, um dort im Rahmen der Regierungspropaganda ausgestellt zu werden. Sie flog nach Modifikationen und Bodentests erst wieder am 18. Mai 1953.

Ein dritter Prototyp (E-3) wurde ebenfalls in Angriff genommen, mit weiteren Verbesserungen, darunter mehr Treibstoff in neuen Flügeln mit acht Tanks. Er flog am 18. Juli 1952 zum ersten Mal. Für den 11. Oktober war ein Besuch von Präsident Perón geplant, und es wurde beschlossen, eine Vorführung mit Behrens am Steuer durchzuführen. Am 9. Oktober 1952 startete er, um das Flugzeug zu testen, meldete aber gleich, dass das Flugzeug seltsame Geräusche mache und sehr schwer zu steuern sei. In 750 m Höhe geriet das Flugzeug ins Trudeln. Der dritte Prototyp schlug auf dem Boden auf und Behrens war auf der Stelle tot. Der Unfall war ein schwerer Schlag für das Programm, das bereits langsamer als erwartet vorankam. Dennoch hatte die Fertigung von Teilen für drei weitere Flugzeuge begonnen.

Weiterentwicklung, Rekordflüge und Tanks Abschied nach Indien

Mit der E-4 wurden 1953 Tests geflogen, dann ging sie Ende des Jahres in die Werkstatt zurück, um den neuen Flügel mit den internen Treibstofftanks wie beim E-3, ein Leitblech auf jeder Tragfläche und vier Finnen am hinteren Rumpf zu erhalten. Außerdem wurden Arbeiten zur Druckbeaufschlagung des Cockpits durchgeführt. Des Weiteren wurden vier 20-mm-Kanonen vom Typ Hispano Suiza HS404-TI80, ein GGS-MkIVE-Visier und eine Omera T20-Kamera installiert.

Nach den Änderungen erreichte FMA-Cheftestpilot Jorge Conan Doyle eine Höhe von 13.715 Metern. Tank selbst gelangen am 2. Oktober 1954 im Horizontalflug 1080 km/h – die höchste Geschwindigkeit, die mit der Pulqui II erreicht wurde. Geplant war nun der Bau von 100 Exemplaren, darunter eine Version mit einem Radar in der Nase, ausgestattet mit Luft-Luft-Raketen.

Unterdessen lief im Januar 1955 Kurt Tanks Vertrag aus, und er reiste zurück nach Deutschland. Während seines Aufenthalts in Bonn traf er den indischen Kriegsminister Mahavir Tag, der ihm anbot, nach Indien zu gehen, um dort die lokale Luftfahrtindustrie aufzubauen. In Argentinien wurde im September 1955 Präsident Perón durch eine Revolution gestürzt. Angeblich wurde eine Pulqui II auch von den Rebellen eingesetzt. An der Parade zur Feier des Sieges der Revolution in der Stadt Córdoba nahm die Pulqui II unter dem Kommando von Kapitän Jorge L. Suárez teil.

Letzte Phase bis 1959 und Projektende 1960

Die Fabrikleitung der FMA beschloss trotz der Wirren, die Arbeit an der Pulqui II fortzusetzen, da die Entwicklung bereits weit fortgeschritten war. Am 9. November 1956 wurde der Prototyp E-2 bei einer Landung von Testpilot Rogelio Balado schwer beschädigt. Es wurde beschlossen, einen der drei im Bau befindlichen Prototypen fertigzustellen, wobei die fünfte Flugzeugzelle (E-5) Teile der E-4 und E-6 sowie aus dem Unfall der E-2 verwendete. Die Arbeiten dauerten jedoch fast drei Jahre, bevor die Pulqui II am 18. September 1959 mit Oberleutnant Roberto Starc am Steuer zum ersten Mal wieder flog. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die argentinische Luftwaffe jedoch bereits für die F-86F Sabre entschieden, und 1960 wurde das Projekt eingestellt. Ein Prototyp wurde 1964 an das Nationale Luftfahrtmuseum übergeben, wo er sich heute befindet – im Museo Nacional de Aeronáutica de Argentina in Morón, einem Vorort von Buenos Aires.

Kurzinfo: Baujahre, Stückzahl und Herstellungsland

  • Baujahr: 1950 bis 1959
  • Stückzahl: 5
  • Herstellungsland: Argentinien

Technische Daten: FMA I.Ae. 33 Pulqui II

  • Hersteller: Fábrica Militar de Aviones, Córdoba, Argentinien
  • Besatzung: 1
  • Antrieb: 1 × Rolls-Royce Nene II
  • Leistung: 22,2 kN
  • Länge: 11,68 m
  • Höhe: 3,5 m
  • Spannweite: 10,59 m
  • Flügelfläche: 25,1 m²
  • Leermasse: 3.735 kg
  • Kraftstoffkapazität: 3.125 l
  • Startmasse: 6.793 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 1.080 km/h
  • Marschgeschwindigkeit: 955 km/h
  • Dienstgipfelhöhe: 15.000 m
  • max. Steigrate: 25,5 m/s
  • Reichweite: 3.090 km
  • Flugdauer: ca. 2 h 50 min
  • Bewaffnung: 4 × Hispano-Suiza HS.404 (20 mm)