MiG-23-Absturz bei Flugschau: Copilot verhinderte Notlandung - zu Recht?

Unfallbericht zum Flogger-Absturz bei Air Show
MiG-23-Hintermann verhindert Notlandung - zu Recht?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 01.09.2025
Als Favorit speichern

Am 13. August 2023 stürzte eine Mikojan MiG-23UB während der Vorführung auf der Thunder Over Michigan Air Show auf dem Willow Run Airport in Michigan ab. Der Unfall sorgte für eine Kontroverse, denn der Pilot im hinteren Cockpit soll gegen den Willen des Piloten am Steuer (und Eigentümer des Jets) die Schleudersitze bedient haben. Nun hat das National Transportation Safety Board den endgültigen Untersuchungsbericht vorgelegt.

Der Report schildert detailliert die Ereignisse: Das in der Sowjetunion entwickelte Kampfflugzeug startete als vorletzter Programmpunkt der Flugschau von Runway 23 aus. Der Start verlief ohne Auffälligkeiten, und die Maschine kehrte für einen sogenannten "Bananen-Vorbeiflug" (bei der im Messerflug in niedriger Höhe die Flugzeugoberseite gezeigt wird) entlang der Startbahn zurück zum Flugplatzgelände. Der Beobachter im hinteren Cockpit schwenkte die Flügel zurück auf 45 Grad. Der Pilot im vorderen Sitz bemerkte, dass sein Flugzeug in diesem Moment langsamer war, als es sein sollte. Er gab mehr Schub und reduzierte den Anstellwinkel etwas, um dies zu kompensieren. Laut Bericht realisierte er aber noch nicht, dass es ein Problem mit dem R-27-Triebwerk geben könnte.

Schub geht gegen null

Wenig später wählte der Pilot den Nachbrenner für den Vorbeiflug, aber das Triebwerk lieferte nicht den gewünschten Schub. Laut Aussage des Piloten im hinteren Sitz ging der Schub sogar auf fast null zurück. Die Fluggeschwindigkeit verringerte sich so stark, dass er nach vorne in seine Sitzgurte gedrückt worden sei. Daraufhin reduzierte der Flugzeugführer die Leistungseinstellung kurzzeitig und gab wieder vollen Schub mit Nachbrenner – wieder erfolglos. Im Zuge dessen stellten beide Besatzungsmitglieder eine Luftnotlage fest. Während der Pilot weiter Kurs auf den Flugplatz nahm, brachte sein Copilot die Tragflächen in die vordere Position von 16 Grad.

Notlandung im Feld geplant

Der Pilot suchte einen Bereich abseits des Publikums für eine Notlandung. Er machte ein großes Feld hinter einem Highway, aber noch vor der Startbahn aus und steuerte die MiG darauf zu. Dabei hatte er immer die Anstellwinkelanzeige im Blick, um einen Strömungsabriss zu vermeiden. Seiner Aussage nach lief das Triebwerk etwas schneller als im Leerlauf, aber der Schub reichte nicht aus, um Geschwindigkeit und Höhe zu halten. Bei einer Geschwindigkeit von 190 Knoten (352 km/h) fuhr er die Klappen in die Startposition aus. Während des Sinkflugs aus der maximal erreichten Höhe von nur 900 Fuß (275 Meter) versuchte er, das Triebwerksproblem in den Griff zu bekommen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
Icon youtube

Notmaßnahmen helfen nicht

Die Aktivierung der Notsteuerung der Schubdüse brachte keinen Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt sagte sein Hintermann: "Wir müssen aus dem Jet raus". Der Pilot am Steuer antwortete "Nein", und wollte als Nächstes das Notregelungssystem des Tumanski-Antriebs aktivieren, das die automatische Treibstoffzufuhr umgeht. In diesem Moment zündete sein Schleudersitz, und er wurde aus dem Cockpit katapultiert.

Hintermann aktiviert Schleudersitze

Der Copilot im hinteren Cockpit hatte die Ausstiegssequenz aktiviert, da er auf seinen Ausruf "Wir müssen raus" für mehrere Sekunden keine Antwort gehört haben will. Als das Flugzeug unter eine Höhe von 350 Fuß (107 Meter) über Grund geriet, zog er den Auslösegriff. Beide Insassen landeten in einem See und zogen sich gemäß NTSB-Bericht ernste Verletzungen zu. Der Jet schlug rund 2,7 Kilometer vom südlichen Landebahnende in einem Wohngebiet auf. Am Boden gab es glücklicherweise keine Verletzten.

Erfahrene Besatzung

Der Pilot am Steuer und Eigentümer der MiG-23 war zum Zeitpunkt des Unfalls 62 Jahre alt und hatte 21.296 Flugstunden absolviert, davon 42 auf der Flogger. Vor seiner Karriere als Airline-Pilot (auf Airbus A320, Boeing 757, 767 und 777) war er Kampfjet-Pilot bei der US Navy (Grumman A-6 Intruder) mit 250 Trägerlandungen und 2500 Flugstunden auf militärischen Mustern.

Der 41-jährige Copilot hatte zwölf Flugstunden auf der MiG-23 und 15.000 Stunden insgesamt. Auch er war als Verkehrsflugzeugführer aktiv (Ratings für Airbus A320, Boeing 777 und verschiedene Business Jets). Als aktiver Pilot bei der US Air Force National Guard im Rang eines Lieutenant Colonels schließt seine Erfahrung auch mehr als 2500 Stunden auf militärischen Jets ein.

Triebwerksproblem ungeklärt

Die im Jahr 1981 gebaute MiG-23UB (Werknummer 1038107) hatte eine Gesamtflugzeit von 1702 Stunden auf der Uhr. Die letzte Inspektion war fünf Flugstunden vor dem Absturz erfolgt. Sie trug die zivile Zulassung N23UB und stammte von der tschechischen Luftwaffe. Das NTSB stellte fest, dass der Antrieb zum Zeitpunkt des Einschlags auf dem Boden noch aus eigener Kraft lief. Mehr konnten die Experten nicht herausfinden: "Dem NTSB ist keine unabhängige Triebwerkswerkstatt oder Hersteller in den Vereinigten Staaten bekannt, die über die entsprechenden Werkzeuge und Fachkenntnisse verfügen, um eine Demontageprüfung des Tumanski R27F2M-300-Triebwerks durchzuführen. Daher wurde nach dem Unfall keine Triebwerksuntersuchung durchgeführt." Als Absturzursache nennt der Bericht folglich einen "teilweisen Schubverlust während des Manövrierens, dessen Ursache nicht ermittelt werden konnte".

Robert Kysela

War der Ausstieg richtig?

Ob das Flugzeug zu retten gewesen wäre, wenn der Hintermann nicht die Schleudersitze betätigt hätte, bleibt ebenfalls offen. Zwischen den Zeilen ist jedoch zu lesen, dass die Entscheidung ihre Berechtigung hatte. Wie der Eigentümer der Flogger dem NTSB mitteilte, gab es bereits im Jahr 2018 einen Triebwerksvorfall mit plötzlichem Schubverlust. Ursache sei der Treibstoffregler gewesen, der daraufhin ausgetauscht wurde. Die neue Einheit hatte bis zum Absturz 13 Flugstunden absolviert. Im aktuellen Fall vermutet der Warbird-Besitzer jedoch ein Problem mit dem Stellsystem der Schubdüse, das vielleicht auch das Problem von 2018 erzeugt haben könnte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
Icon youtube

Testpilot zweifelt

Die Unfalluntersucher befragten auch einen Testpiloten, der über Erfahrung mit der MiG-23 verfügt, und auch beim Zwischenfall im Jahr 2018 an Bord der späteren Unglücksmaschine war. Er schilderte, dass der Schubverlust damals ähnlich zu dem Problem scheint, das in Michigan zum Absturz führte. Der frühere Vorfall ereignete sich jedoch in großer Höhe, sodass der Pilot und Eigentümer der Flogger das Triebwerk in der Luft neu starten konnte und so einen Unfall vermied. Der Ansicht des Testpiloten nach erfolgte der Ausstieg mit den Schleudersitzen bei der Air Show "im letzten möglichen Moment". Außerdem bezweifelte er, dass eine Außenladung in einem Feld in der Nähe des Flugplatzes ein "überlebbares Szenario" gewesen sei. Wie ein ehemaliger Jet-Pilot der französischen Marineflieger beim jüngsten Absturz der polnischen F-16 in Radom sieht er den Grund für viele tödliche Unfälle darin, dass die Piloten mit dem Ausstieg zögern, weil sie bis zum Schluss versuchen, das Flugzeug zu retten – anstatt ihr Leben.