Den 16. November 2021 darf sich das Team der Firma Midwest Aero Restorations Ltd. aus Danville (Illinois) dick im Kalender anstreichen. Denn an diesem Tag gab ihre deutsche Patientin endlich wieder Töne von sich – die ersten seit 77 Jahren. Seit 2013 befindet sich die Messerschmitt Bf 109 G-6 in der Obhut der "Warbird-Flüsterer" um Mike Vadeboncoeur. Der erste Testlauf des originalen, von Vintage Radials in Kalifornien komplett neu aufgebauten Daimler-Benz DB 605-Motors war die bisherige Krönung der Bemühungen, die einst beim legendären "Grünherz-Jagdgeschwader" 54 eingesetzte "Gustav" wieder in die Luft zu bringen. Da die Tests erfolgreich verliefen, rückt dieses Ziel nun in greifbare Nähe. Wenn man zurückdenkt, wie das "erste Leben" der Bf 109 einst endete, mag man das fast nicht glauben.
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Ein Opfer der Flak
Damals, im Februar 1944, war die Bf 109 mit der Werknummer 410 077 an der Ostfront im Einsatz gestanden. Schwere Treffer durch russische Flak beendeten die Laufbahn der erst ein Jahr zuvor beim Erla Maschinenwerk in Leipzig gebauten "Gustav" – ihr Pilot, vermutlich Oberleutnant Joseph Groene, entschied sich zur Bauchlandung auf dem zugefrorenen Swiblo-See, nahe der russisch-estnischen Grenze. Damit die vorrückenden Russen mit dem deutschen Jäger garantiert nichts mehr anfangen konnten, zersiebten deutsche Soldaten das Wrack der 109 mit MG-Salven – und überließen es dann seinem Schicksal.
Odyssee ohne Ergebnis
Im darauffolgenden Frühjahr, als das Tauwetter kam, sank das Flugzeug auf den Grund des Sees. Dort blieb es für die nächsten viereinhalb Jahrzehnte. Mit den Wendejahren jedoch stieg auch das Interesse an Relikten aus dem Großen Krieg, und so entschied man sich 1990, die "Gustav" aus dem Swiblo-See zu bergen. Die erste Zeit danach verbrachte sie eingelagert auf dem Flugplatz Tuschino bei Moskau, kam später als Restaurierungsprojekt erst nach Kanada, dann nach Australien, 2005 nach München, und schließlich in die USA.

So authentisch wie möglich
Als sich ab 2013 Mike Vadeboncoeur und sein Team der Messerschmitt annahmen, befand sie sich, trotz der vielen Hände, durch die sie gegangen war, noch immer weitgehend in dem Zustand, in dem man sie aus dem Wasser gezogen hatte. Weite Bereiche der Zelle waren nicht mehr zu gebrauchen, andere Teile fehlten ganz. Diese mussten, nach Vorlage originaler Baupläne und mit originalen Werkstoffen, neu angefertigt werden. Die Hartmair Leichtbau GmbH aus Freising lieferte 2018 den Rumpf, die Tragflächen baute Midwest Aero Restorations in Danville selbst nach. Jahrelang war das Team aus Illinois überdies pausenlos auf der Suche nach funktionsfähigen Originalteilen für sein Projekt. Alles sollte so authentisch wie nur möglich sein. Bei der Recherche nach den Markierungen, die das Flugzeug bei seiner Bauchlandung mutmaßlich trug, zog Midwest Aero Restaurations zwei Historiker hinzu. Das Ergebnis nach unzähligen Stunden Arbeit ist schlichweg großartig – genauso wie der Klang des neu zum Leben erweckten DB 605-Zwölfenders. Chapeau!