Lange Schatten zeichnen sich auf der Wasseroberfläche ab, die Sonne taucht den Oslofjord in ein warmes, goldenes Licht und das Ende eines der letzten heißen Sommertage steht bevor. Auf der Wasseroberfläche flitzen Hunderte Sportboote umher, auf denen Familien den Tag auf dem Wasser verbracht haben, um der Hitze zu entfliehen. 2000 Fuß über den wie kleine Wasserläufer wirkenden Booten umströmt mich warme Luft im Cockpit der North American T-6. Mein Adrenalinspiegel senkt sich wieder ein wenig und nach 30 Minuten Fotoshooting lasse ich die Kamera ruhen und genieße den Moment, atme die frische Luft ein, die tatsächlich nach AvGas und einer kleinen Prise salziger Meeresluft riecht. Der Moment scheint stillzustehen, alles ist verlangsamt und wirkt wie im Traum, es ist perfekt, doch real. Ein tiefes sonores Brummen holt mich aus meiner kurzen Träumerei zurück, ich schaue hoch und neben mir fliegt eine P-51D Mustang, angestrahlt von der Sonne glänzt sie wunderschön, kleine Sonnenreflexionen tanzen an der Flügelvorderkante entlang und laufen zum Rumpf, dort übernimmt der gelb umrandete schwarze Blitz die Linienführung entlang der Zelle.

Ein Flug der lange in Erinnerung bleiben wird: Lars Ness versteht es meisterhaft, den Jäger für die Kamera von Fotograf Philipp Prinzing in Szene zu setzen.
Ein besonderer Tag mit einem besonderen Warbird
Im Cockpit sitzt ein Held meiner Jugend, den ich das erste Mal in den 1990er Jahren auf einer Airshow im Cockpit einer A-26 Invader gesehen habe, und ich kann es gar nicht fassen, dass ich jetzt in einer T-6 direkt neben ihm in der Mustang fliege. Lars Ness hat die schlanke Haube der Mustang aufgeschoben und schaut zu uns herüber, unter der Maske erkenne ich ein Grinsen, und so fliegen wir noch einige Zeit nebeneinander her, bevor wir zum "run and break" (Überflug und Trennung der Formation) über dem Flugplatz Kjeller ansetzen. Als wir als Erste von der Piste abrollen, sehe ich wie Lars die "Miss Rebel" in einem "curved approach" (kurze engen Kurve) aus dem Quer- in den Endanflug bringt und die Mustang butterweich auf dem Boden aufsetzt. Noch in der T-6 sitzend kann ich den Packard-Merlin der Mustang neben uns hören, bevor auch dieser mit einem letzten satten Atmenzug verstummt. Was war das für ein Tag? Morgens in den Flieger nach Oslo gestiegen, von dort aus mit dem Zug weiter nach Kjeller und dann zu Fuß weiter zum Flugplatz. Dort empfangen mich Lars und David Hammond. David kam extra stilecht in seinem Willys Jeep und gehört wie Lars zur Norwegian Spitfire Foundation, die ihren Sitz in einem kleinen Operation-Room in Kjeller hat. Die Mustang, die Lars an diesem Tag fliegt, gehört jedoch nicht zur Foundation, sondern zu Biltema Airshows. Die Biltema Airshows sind das Ergebnis der großen Begeisterung für die Luftfahrt des Biltema-Firmengründers Sten-Åke Lindholm. Das Ziel dieser Gruppe ist es, den Besuchern von Airshows in ganz Skandinavien ein außergewöhnliches Erlebnis zu bieten und gleichzeitig ein Stück Luftfahrtgeschichte lebendig zu halten. Besonders stolz sind die Betreiber auf die beiden historischen Jagdflugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg: die P-51D Mustang und eine Vickers Supermarine Spitfire Mk. XVI aus dem Jahr 1945. Beide Flugzeuge werden ausschließlich von erfahrenen norwegischen Piloten bei Flugshows in Skandinavien vorgeführt. Für die Saison 2025 plant Biltema Airshows auch Reisen zu Veranstaltungen in Europa und England.

Die „Miss Rebel“ hat keine Einsatzgeschichte und besteht aus Teilen von mehreren nach dem Krieg gebauten Mustangs.
Historie der "Miss Rebel"
Die Mustang trägt heute die Farben der 118th Tactical Reconnaissance Squadron, einer Einheit, die während des Zweiten Weltkriegs im Pazifik operierte und als "The Black Lightnings" bekannt war. Obwohl die genauen Einsätze dieses Flugzeugs im Krieg nicht dokumentiert sind, erinnert ihr aktuelles Erscheinungsbild an diese Staffel, die 1944 und 1945 aktiv war. Welche Historie hat die Mustang jedoch wirklich? Heute trägt sie die Kennung LN-BMU (in der Vergangenheit war es die N31FF, N405HC und SE-BIL). Die Serial-Nummer ist 44-10753, damit gehört sie zu einem Baulos von 30 Mustangs, die als P-51C-10-NT beziehungsweise NA-111 (North-American-Bezeichnung) gefertigt wurden. Die North-American-Produktionsnummern dieses Loses waren 111-28886 bis 111-28915. Diese Serial-Nummer bekam sie aber erst 1974. Die originale Zelle der "Miss Rebel" und auch einige ihrer äußeren Merkmale gehören zu einer bei Cavalier umgebauten Mustang II, die 1968 so gefertigt wurde und dann am 1. Dezember desselben Jahres als FAS 405 an El Salvador geliefert und im Fußball-Krieg geflogen wurde. 1974 kam sie zurück in die USA und bekam zu diesem Zeitpunkt die oben genannte Serial-Nummer vom neuen Eigner Jack Flaherty. 1978 wurde sie an Wilson "Connie" Edwards verkauft und für zehn Jahre eingelagert. Danach kaufte Herb Costello den Jäger und restaurierte ihn. Leider kam Costello nur zwei Jahre später beim Absturz seiner Cessna 185 ums Leben. Das damals als N405HC (405 war die FAS-Nummer in El Salvador und HC waren die Initialen von Costello) registrierte Flugzeug wurde 2005 an Paul Besterveld verkauft, wechselte bereits ein Jahr später erneut den Eigner und kam nach Schweden zum heutigen Besitzer. Sie flog noch einige Jahre unter US-Registrierung, bis sie das Kennzeichen SE-BIL und 2022 schließlich die aktuelle Kennung bekam. In den vergangenen Jahren wurde sie auch optisch wieder mehr in Richtung einer originalen P-51D zurückgerüstet, was gut an dem breiteren und flacheren Seitenleitwerk und Ruder zu erkennen ist. Die neueren Cavalier hatten ein höheres Leitwerk. Auch der von Costello erstmals genutzte Blitz auf dem Rumpf wurde neu in Schwarz und Gelb lackiert.

Lars Ness ist seit langer Zeit ein fester Bestandteil in der europäischen Warbird-Community.
Lars Ness: Vom Segelflieger zum Warbird-Pilot
Geflogen wird die Mustang heute von verschiedenen Piloten, die zum Team von Biltema Airshows gehören. Einer der wohl erfahrensten Mustang-Jockeys ist der bereits erwähnte Lars Ness. Wie ist der sympathische Norweger überhaupt ins Cockpit der "Miss Rebel" gekommen? Alles begann bei ihm mit dem Segelflug in Norwegen, bevor er 1986 in die USA ging, um dort seine Berufspilotenlizenz zu machen. Er blieb nach der Ausbildung dort und flog Fracht und agierte auch als Ausbilder. In der Freizeit arbeitete er noch als Cropduster (Sprühflieger) und Kunstflugausbilder. Die beiden letztgenannten Tätigkeiten kamen ihm später in seiner Karriere noch zugute. Im Jahr 1988 zog Lars zurück nach Norwegen und flog Beech King Air als Flugkapitän, bevor er 1993 eine Stelle als Boeing-737-Flugzeugführer bei der norwegischen Fluggesellschaft Braathens SAFE erhielt. Sein heutiger Arbeitgeber ist Scandinavian Airlines (SAS), wo er Airbus A320 fliegt und seit 1999 als Kapitän tätig ist. Zurück in seiner Heimat führte eine zufällige Begegnung mit Anders Sæther, dem Gründer von Scandinavian Historic Flight, dazu, dass Lars in kürzester Zeit zunächst die A-26B Invader "Sugarland Express" und dann die P-51D Mustang "Old Crow" flog. Mit diesen Maschinen wurde er sehr bald zu einem der bekanntesten Gesichter auf den europäischen Airshows. Seine erste britische Display-Lizenz (DA) stellt ihm kein Geringerer als Ray Hanna aus. Ray und sein Sohn Mark übten in den 1990er Jahren auch einen starken Einfluss auf Lars aus, was man heute zum Teil noch in seinen Displays sieht. Heute fliegt er verschiedene Warbirds in ganz Europa. Zurück in Kjeller: Der Fotoflug über dem Oslofjord mit einem legendären Flugzeug und einem Piloten, der viele Menschen mit seinen Displays in ganz Europa beeindruckt hat und mit vielen Größen der Szene geflogen ist, wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Er gleicht noch heute einem Traum, der über Oslo stattfand.