Ja, die Su-57 dürfte Kim Jong-un gefallen haben. Ist halt schon auch etwas anderes als die MiG-21 und MiG-23, die er ansonsten so zu Hause zu gesicht bekommt. Aber bleiben wir realistisch: Russlands modernster Kampfjet wird für Nordkoreas Militärs aller Wahrscheinlichkeit nach ein feuchter Traum bleiben. Zumindest gilt das auf absehbare Zeit, und schon allein aus dem einen Grund, dass das Flugzeugwerk in Komsomolsk am Amur, das die Su-57 baut, kaum die Produktionsanforderungen der heimischen Luftwaffe erfüllen kann – obwohl sich diese alles andere als üppig gestalten. Aber wenn man schon mal in der Gegend ist, schaut man sich eben an, was geht – und natürlich zählen dazu auch die Prunkstücke der Gastgeber, auch wenn diese – wie die Su-57 – eher rar gesät und aller Schmeichelei zum Trotz wohl unerschwinglich sind.
Su-57 und Su-35S
Der Spekulation sind durch die Bilder, die der Besuch von Kim Jong-un in Komsomolsk am Amur vergangenen Freitag produzierte, natürlich alle Tore geöffnet. In der nach Juri Gagarin benannten Flugzeugfabrik ließ sich der "verehrte Genosse" aus Pjöngjang ausgiebig herumführen. Nach Angaben der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA unterhielt sich Kim vor Ort außerdem mit einem Suchoi-Testpiloten, der ihm "detaillierte Erklärungen zu den technischen Eigenschaften und der Flugleistung" der Su-57 lieferte.
Auch die Su-35S, die die Russen ihren Gästen am Boden wie im Flug vorführten, stand im Fokus der Delegation aus Nordkorea. Technisch betrachtet wäre dieses Muster sicher eher eine realistische Option für die Luftwaffe der Volksrepublik als die Su-57, doch das Szenario ist wohl ähnlich: Russland hat alle Mühe, den Bedarf der eigenen Streitkräfte zu stillen, Exportaufträge müssen sich dem unterordnen. Allenfalls könnte Nordkorea sich als lachender Dritter in Stellung bringen, sollte der noch immer im Raum stehende Deal zwischen Russland und dem Iran, der die Lieferung von (mindestens) zwei Dutzend Su-35SE vorsieht, tatsächlich platzen. Konkret hat(te) der die 24 Maschinen im Auge, die zunächst von Ägypten bestellt, großteils schon gebaut, aber dann wieder storniert wurden. Jüngsten Gerüchten zufolge sollen die Iraner mit dem russischen Angebot allerdings unzufrieden sein...

Kim Jong-un nahm in Komsomolsk am Amur die dort gebaute Suchoi Su-57 in Augenschein. Russlands Fighter-Juwel wird für Nordkoreas Luftwaffe aber kaum infrage kommen.
Superjet für Air Koryo
Nicht minder interessant dürfte für Kim und seine Entourage der Blick in die Endmontage des Suchoi Superjet gewesen sein, der ebenfalls in Komsomolsk am Amur gebaut wird. Dieser könnte für die staatliche Airline Nordkoreas Air Koryo möglicherweise eine Chance bieten, die hoffnungslos veraltete Flotte an sowjetischen Turboprop- und Jet-Klassikern abzulösen. In seiner "russifizierten" Variante, deren Flugerprobung jüngst begann, wäre die Beschaffung des Superjet durch Air Koryo zumindest nicht mehr, wie bisher, wegen geltender internationaler Sanktionen kategorisch ausgeschlossen. Das Nadelöhr bleibt aber auch hier die begrenzte Kapazität der russischen Luftfahrtindustrie, die vor dem Hintergrund der großen Pläne für die einheimischen Airlines kaum Spielraum für Exportaufträge lässt.

Russlands Industrie- und Handelsminister Manturow (rechts) zeigte Kim Jong-un auch den "russifizierten" Suchoi Superjet.
Jets gegen Munition?
Bliebe außerdem noch die Frage, wie Pjöngjang eine (hypothetische) Bestellung neuer Flugzeuge aus Russland überhaupt bezahlen könnte. In diesem Zusammenhang war in den vergangenen Tagen viel von nordkoreanischer Artilleriemunition die Rede, auf die der Kreml wegen des Krieges in der Ukraine ein Auge geworfen habe. Das mag durchaus zutreffen. Dass man allein im Tausch gegen simple Artilleriegranaten aviatische Hochtechnologie feilbietet, scheint objektiv betrachtet allerdings eher unrealistisch.

Könnte Nordkorea perspektivisch Komponenten für russische Flugzeuge bauen? Völlig abwegig wäre das nicht.
Nordkorea als Zulieferer?
Ein interessantes Nebengeräusch des Besuches von Kim Jong-un im Gagarin-Flugzeugwerk ist dagegen einer Pressemitteilung des Staatskonzerns Rostec zu entnehmen. Rostec zitiert den russischen Industrie- und Handelsminister Denis Manturow mit den Worten, man sehe "Potenzial für eine Zusammenarbeit" mit Nordkorea "im Bereich des Flugzeugbaus", um auf diesem und anderen Sektoren gemeinsam "technologische Souveränität" zu erlangen. Das könnte man als Andeutung interpretieren, dass Russland nordkoreanische Industriebetriebe perspektivisch als Luftfahrt-Zulieferer auf dem Zettel hat – zum Beispiel im Rahmen von Sonderwirtschaftszonen, wie sie Nordkorea bereits zeitweise gemeinsam mit Südkorea in der Industrieregion Kaesŏng für Autoteile und Haushaltsgeräte unterhielt. Es könnte aber auch genauso passieren, dass gemeinsame Ansätze in diese Richtung wieder im Sande verlaufen.