Baykar Kızılelma
Die Türkei baut ihre eigene Stealth-Kampfdrohne

Unbemannte Kampfflugzeuge werden auf dem Schlachtfeld der Zukunft von großer Bedeutung sein. Dieser Ansicht ist der türkische Drohnenhersteller Baykar – und entwickelt seine erste Stealth-Kampfdrohne. Die Baykar Kızılelma soll 2023 abheben. Mit ukrainischem Triebwerk.

Die Türkei baut ihre eigene Stealth-Kampfdrohne
Foto: Baykar

Der erste Prototyp steckt mitten in der Endmontage. Was im Sommer 2021 erstmals öffentlich angekündigt wurde, scheint binnen kurzer Zeit Realität zu werden: Die Türkei baut eine eigene Stealth-Kampfdrohne. Bislang firmierte das Projekt unter dem eher technisch klingenden Akronym MIUS (Muharip İnsansız Uçak Sistemi, unbemanntes Luftfahrzeug-Kampfystem). Seit Kurzem besitzt das neue Flaggschiff des heimischen Drohnen-Spezialisten Baykar einen sehr viel klangvolleren Namen: Baykar nennt seine Stealth-Drohne ab sofort Kızılelma ("Roter Apfel"). Der "rote Apfel" hat in der Türkei eine hohe mythologische Bedeutung, symbolisiert er doch die Verlockung weit entfernter Ziele, Ideale und Wünsche, die umso attraktiver werden, je weiter sie entfernt sind. Vor allem gilt der "rote Apfel" jedoch auch als Symbol imperialer Herrschaft. Insofern ist der von Baykar gewählte Name ein klarer Fingerzeig auf das Selbstbewusstsein der türkischen Rüstungsindustrie.

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Jüngste Bilder aus der Baykar-Endmontagehalle zeigen den Prototypen der Kızılelma mit montierten Tragflächen.

Kann die Ukraine den Antrieb liefern?

Doch auch abseits aller Mythen und Legenden nimmt die Baykar Kızılelma zielstrebig Form an. Neue Fotos aus der Baykar-Produktionshalle zeigen den Prototypen erstmals mit frisch montierten Tragflächen. Den Jungfernflug der Stealth-Drohne peilt Baykar für 2023 an. Während der erste Prototyp noch im Unterschallbereich unterwegs sein soll, sind für spätere Versionen stärkere Triebwerke eingeplant, die der Kızılelma zu Geschwindigkeiten deutlich jenseits der Schallmauer verhelfen sollen.

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Problematisch könnte für Baykar jedoch in beiden Fällen die Herkunft des Antriebs werden. Bislang ist geplant, die erste Ausführung Kızılelma-A mit dem AI-25-Turbofan des ukrainischen Herstellers Iwtschenko-Progress auszustatten, die Kızılelma-B mit dem Nachbrennertriebwerk AI-322F desselben Unternehmens. Baykar pflegt bereits seit geraumer Zeit gute Beziehungen zu ukrainischen Zulieferern, die ukrainische Armee nutzt außerdem seit Sommer 2021 die deutlich kleinere Kampf- und Aufklärungsdrohne Bayraktar TB2. Ob Iwtschenko-Progress, mit Sitz im ostukrainischen Saporischschja, angesichts des Krieges gegen Russland seinen Lieferverpflichtungen nachkommen kann, steht jedoch in den Sternen. Für eine spätere Entwicklungsstufe der Kızılelma ist das türkische Triebwerk TF-6000 von Tusaş Engine Industries im Gespräch.

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Die Türkei plant offenbar den Einsatz der Kızılelma auch vom neuen Trägerschiff TCG Anadolu aus, wie diese Grafik veranschaulicht.

AESA-Radar, Autonomie, fünf Stunden Flugzeit

Die Eckdaten, die Baykar ansonsten für sein neues Prunktsück nennt, muten durchaus beachtlich an. Das Abfluggewicht von sechs Tonnen und eine maximale Waffenzulandung von 1.500 Kilogramm weisen die Kızılelma als Kampfdrohne mittlerer Größe aus, vergleichbar in etwa mit der MQ-9 Reaper des US-Herstellers General Atomics – nur eben mit Tarnkappen-Eigenschaften. Ihr Aktionsradius soll 500 Nautische Meilen (926 Kilometer) betragen, operieren soll die Stealth-Drohne in Flughöhen zwischen 35.000 und maximal 39.000 Fuß (10.700 bis 12.000 Meter). Unter der vermutlich aus Verbundwerkstoff gefertigten Hülle arbeitet laut Baykar ein hochentwickeltes AESA-Radar des türkischen Herstellers Aselsan. Als "loyal wingman" soll die Drohne bei Bedarf mit bemannten Kampfjets im Verbund agieren. Eine SATCOM-Antenne ermöglicht eine autonome Steuerung über Satellit, bei einer maximalen Flugdauer von fünf Stunden. Start und Landung der Kızılelma sollen vollständig automatisch erfolgen. Geplant ist offenbar auch ein Einsatz vom Deck des kürzlich fertiggestellten Amphibischen Angriffsschiffs TCG Anadolu, weshalb die Kızılelma ausgewiesene Kurzstart- und -landefähigkeiten besitzen soll.

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Die Baykar Kızılelma soll in der Ursprungsvariante Mach 0.8 erreichen, spätere Versionen sollen dagegen überschallschnell fliegen.

"Das Ende der bemannten Kampfjets"

Für Baykar-Technikchef Selcuk Bayraktar nimmt die Entwicklung der ersten türkischen Stealth-Kampfdrohne unter den Rüstungsprogrammen seines Landes eine zentrale Position ein. Mit den Kampfflugzeugen der fünften Generation erlebe die Welt das Ende der bemannten Kampfflugzeuge, so der Manager. "Unbemannte Systeme werden in Zukunft immer mehr zu den stärksten Elementen auf dem Schlachtfeld. Wir versuchen auch, die Präsenz unseres Landes bei zukünftigen Wettbewerben sicherzustellen."

Die Türkei entwickelt derzeit mit dem Turkish Aerospace TF-X einen eigenen bemannten Stealth-Kampfjet. Zuvor waren die Türken von den USA wegen des Kaufs russischer S-400-Raketen aus dem F-35-Programm geworfen worden. Das Flugzeug, dessen Bau die türkische Regierung zum "wichtigsten Projekt" des Landes erklärt hat, soll 2025 startklar sein. Ob das klappt, ist jedoch fraglich, der Zeitplan scheint äußerst ehrgeizig – auch wenn die Türkei auf Erfahrungen aus der F-35-Mitarbeit aufbauen kann. Für Selcuk Bayraktar wäre es deshalb nach eigenem Bekunden sinnvoller, verstärkt auf kostengünstigere, mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete unbemannte Jäger zu setzen. Zumindest als wertvolle Ergänzung zu TF-X und Co.

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Erscheinungsdatum 05.09.2023