Saab Gripen E in der Entwicklung
Für Saab geht das Gripen-E-Programm nach Plan weiter“, versicherte der schwedische Hersteller, nachdem beim Referendum in der Schweiz am 18. Mai die von der Regierung geplante Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs mit 53,4 zu 46,6 Prozent der Stimmen abgelehnt worden war. Firmenchef Hakan Bushke wollte das Nein nicht als Prestigeverlust werten – ganz im Gegenteil sei die Auswahl der Gripen gegen die Rafale und den Eurofighter bedeutungsvoll gewesen.
Rückendeckung für die Gripen E gab es von der schwedischen Verteidigungsministerin Karin Enström. Sie betonte, dass der Bedarf für eine Verstärkung der Flygvapnet angesichts der Ukraine-Krise sogar gestiegen sei. Die Verteidigungskommission des Parlaments in Stockholm hatte wenige Tage vor der Schweizer Volksabstimmung empfohlen, die Beschaffung von 60 auf 70 der Kampfjets aufzustocken. Den Part des internationalen Partners im Gripen-Programm soll nun Brasilien einnehmen, das sich im Dezember 2013 für die Beschaffung von 36 Flugzeugen im Wert von etwa 3,3 Milliarden Euro entschieden hatte. Allerdings laufen hier die detaillierten Verhandlungen noch. Bei einem Besuch von Verteidigungsminister Celso Amorim in Stockholm Anfang April wurden mehrere Abkommen bezüglich der Zusammenarbeit im Militärflugzeugbereich und zum Austausch sensibler Informationen unterzeichnet.
Amorim machte bei dem Treffen mit Enström noch einmal die zentralen Forderungen des südamerikanischen Landes klar. Dies sind auf technischer Seite der unbeschränkte Technologietransfer und der Zugang zur kompletten Software, um selbst neue Waffen integrieren zu können. Wirtschaftlich gesehen geht es um einen möglichst hohen Arbeitsanteil der einheimischen Industrie und die Endmontage in Brasilien. Außerdem will Brasilien das Recht, die Gripen in Südamerika und in anderen Entwicklungsländern, zu denen man gute Beziehungen pflegt, verkaufen zu dürfen.
Geplant ist außerdem, der Forca Aérea Brasileira im ersten Quartal 2016 aus schwedischen Beständen sechs Gripen C/D leihweise zur Verfügung zu stellen, weitere vier Maschinen sollen ein Jahr später folgen. In diesem Zusammenhang werden Piloten und Techniker teils in Schweden ausgebildet, so dass sie schon vor der Einführung der neuen Gripen E Erfahrung sammeln können. Es gibt also viele Wünsche der Brasilianer, doch Saab ist zuversichtlich, bis Ende des Jahres oder spätestens Anfang 2015 den Kontrakt unter Dach und Fach zu haben.
Unabhängig davon laufen in Linköping die Entwicklungsarbeiten an der Gripen E mit Hochdruck weiter. Saab baut dabei auf den Arbeiten auf, die seit 2006 im Rahmen des Gripen-Demo-Programms durchgeführt wurden. Seit Mai 2008 hat der Hersteller einen fliegenden Demonstrator (Doppelsitzer 39-7) im Betrieb, mit dem schrittweise bereits eine ganze Reihe von Modifikationen und neuen Systemen der nächsten Gripen-Generation getestet wurden.
Zu den wesentlichen Verbesserungen zählt das Radar Raven ES-05 von Selex ES. Mit seiner AESA-Antenne, die aus rund 1000 Sende-/Empfangsmodulen besteht, ist eine verzugslose Strahlschwenkung möglich. Um einen großen Bereich abzudecken, lässt sich die 30 Grad schräg gestellte Antenne um die Flugzeuglängsachse drehen und kann damit zum Beispiel seitlich zehn Grad nach hinten sehen. Eine Zielverfolgung ist so auch dann noch machbar, wenn die Gripen nach einem Lenkwaffenschuss schon abdreht.
Radar wird durch Infrarotsensor ergänzt





Neben Luft-Luft-Funktionen bietet das Raven ES-05 auch die Zielsuche am Boden oder gegen Schiffe. Für die Flugerprobung wurde bereits 2012 ein Radar geliefert. Insgesamt vier sollen im Testprogramm verwendet werden.
Als Ergänzung zum Radar liefert Selex ES auch den Infrarotsensor Skyward-G, der etwa 40 Kilogramm wiegt und vor der Frontscheibe eingebaut wird. Skyward-G arbeitet im Wellenlängenbereich von acht bis zwölf Mikrometer und bietet sowohl eine Tele- als auch eine Weitwinkelfunktion. Das System soll in der Lage sein, Ziele auf größere Distanzen zu entdecken. Dies liegt an der Fähigkeit, kleinste Temperaturunterschiede auszumachen, und an der verbesserten Software, die die Falsch-alarm-Rate erheblich reduziert. Erste Flüge im Gripen-Demonstrator wurden im April durchgeführt. Neu bei der Gripen E ist auch das IFF-System (Freund-Feind-Kennung). Beim elektronischen Selbstschutz sind ebenfalls Verbesserungen vorgesehen, wie die Verwendung des geschleppten Täuschkörpers BriteCloud.
Obwohl die Zelle der Gripen E neu konstruiert wird, wird sich die äußere Form bis auf eine Rumpfverlängerung von etwa 50 Zentimetern kaum ändern. Mehrere aus Aluminium-Lithium-Blöcken gefräste Rumpfspanten reichen nun bis weit in die Flügelwurzel hinein. Ziel ist es, den Zuwachs bei der Leermasse in Grenzen zu halten. Wie beim Gripen-Demo-Jet (39-7) fährt das Hauptfahrwerk in eine Flügel-Rumpf-Übergangs-Verkleidung ein, so dass mehr Platz für Kraftstoff ist. Die Kapazität steigt von 2270 auf 3355 Kilogramm.
Zusammen mit einer höheren Waffenzuladung an nun zehn Außenlaststationen ergibt sich eine maximale Abflugmasse von 16 510 Kilogramm. Dies erfordert ein stärkeres Triebwerk in der Form des F414-GE-39E von GE Aviation, das mit Nachbrenner 97,75 Kilonewton liefert. Ohne Nachbrenner soll „Supercruise“ bis Mach 1.25 möglich sein.
Bei allem Aufwand achtet Saab strikt auf die Kosten sowohl der Entwicklung als auch der Produktion. Dafür wurden die Methoden der papierlosen Konstruktion weiter verfeinert. Man arbeitet in Linköping und bei den Zulieferern ausschließlich am Rechner mit 3D-Modellen, sie werden zum Beispiel auch bei Montagesimulationen verwendet. Insgesamt will Saab mit drei Prototypen und einer Bruchzelle auskommen. Die 39-8 befindet sich bereits in der Montage. Sie soll im Sommer 2015 fliegen und ist vorwiegend für aerodynamische Versuche gedacht. Die 39-9 wird sich ab 2016 auf Systemtests konzentrieren, während in die 39-10 letzte Nachbesserungen einfließen, um ab 2017 die finale Konfiguration zu überprüfen.
Drei Prototypen sollen ausreichen





Für das zweite Halbjahr 2018 sind erste Lieferungen an die Flygvapnet vorgesehen. Dabei will Saab komplett neue Zellen verwenden. Dies soll nicht teurer sein als die bisher geplante Aufarbeitung vorhandener Maschinen, bei der auch nur wenige Bauteile übernommen worden wären. Obwohl die entsprechende Vertragsänderung noch nicht genehmigt ist, hätte dieses Vorgehen den Vorteil, dass man die vorhandenen JAS 39C der Flygvapnet flexibler nutzen könnte, zum Beispiel für Überbrückungslösungen für potenzielle Kunden. Ihre Doppelsitzer (JAS 39D) wollen die schwedischen Luftstreitkräfte auf jeden Fall behalten, bis Mitte der 2020er Jahre alle Gripen E im Dienst sind.
Wenn der Vertrag mit Brasilien klappt und Schweden seine Bestellung aufstockt, hat Saab mit dann über 100 Gripen E trotz der Enttäuschung seitens der Schweiz eine gute Basis für weitere Exportbemühungen. Als leichtes und im Betrieb vergleichsweise sehr kosten-günstiges Kampfflugzeug passt die Gripen aus Sicht des Herstellers bestens in ein Umfeld, das durch enge Verteidigungsbudgets geprägt wird. Ziel ist es weiterhin, langfristig 300 bis 450 Gripen auf dem Exportmarkt abzusetzen – recht ehrgeizig, denn von der Gripen C/D wurden gerade einmal 38 ins Ausland verkauft.
FLUG REVUE Ausgabe 08/2014