Nach Jahrzehnten des Stillstands nimmt die Fertigung des größten Kampfflugzeugs der Welt im Flugzeugwerk Kasan zunehmend Fahrt auf. Bei einer Visite im Juli dieses Jahres ließ sich Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu vor Ort über den Stand des Programms informieren, das 2015 auf persönliches Geheiß von Staatschef Putin anlief. Man habe dem Minister mitgeteilt, "dass die russischen Streitkräfte in diesem Jahr zwei neue und zwei modernisierte" Tu-160 erhalten werden, hieß es dazu kurz danach in einer Mitteilung von Schoigus Pressedienst. Außerdem befänden sich "gemäß der staatlichen Verteidigungsanordnung" zwei zusätzliche Tu-160M2 im Bau.
Ziel erreicht? Oder doch nicht?
Kurz vor Jahresende ist nicht wirklich klar, ob das Werk in Kasan sein Versprechen gegenüber Schoigu wirklich halten kann. Über etwaige Erst- und Testflüge der insgesamt vier Mach-2-Bomber gab es in den vergangenen Monaten keine offiziellen Meldungen.
Gleichwohl notierte das Verteidigungsministerium am 19. Dezember in einer schriftlichen Zusammenfassung des ausklingenden Jahres: "Die Lieferung von vier strategischen Raketenträgern des Typs Tu-160M an die nuklearen Streitkräfte der Luftwaffe wird abgeschlossen." Generell seien "alle für das Jahr 2023 definierten Aufgaben erledigt", ergänzte Verteidigungsminister Schoigu in einem separaten Statement. Was genau das in der Praxis für die versprochenen "Blackjack"-Bomber heißt, bleibt nebulös. Schoigu erklärte lediglich, dass im kommenden Jahr zwei Tu-160M zu den Einsatzkräften stoßen sollen.

Die Tupolew Tu-160M ist beim Start bis zu 275 Tonnen schwer. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei Mach 2.05 (in 12.200 Metern Höhe).
Neue Triebwerke, neue Avionik
Insgesamt umfasst das aktuelle Vorhaben, neben der Modernisierung aller 16 im Dienst stehenden Tu-160, die Herstellung von vorerst zehn, womöglich gar bis zu 50 Exemplaren des neuen Produktionsstandards M2. Die erste Tu-160M2 aus diesem Baulos hob im Januar 2022 zum Erstflug ab und wurde nach Abschluss der Werkstests Ende Dezember 2022 an die Flugtestabteilung der russischen Luftwaffe übergeben. Dazu erhielt die Luftwaffe 2022 zwei aufgerüstete Bestandsflugzeuge, die – analog zu den fabrikneuen Schwestern – mit Glascockpit und neuer Avionik, erweitertem Waffenarsenal sowie neuen Triebwerken des Typs Kusnezow NK-32-02 aufwarten. Die jeweils 245 kN starken Nachbrenner-Turbofans sollen dank optimierter Verdichter- und Turbinenschaufeln deutlich sparsamer sein als die gleichstarke Vorgängerversion, was sich laut Hersteller unter anderem in 1.500 Kilometern mehr Reichweite niederschlägt.
Titanmonster Tu-160
Für den russischen Flugzeugbau bedeutet die Wiederauflage der Tu-160 einen kollektiven Kraftakt, an dem unter der Federführung des Staatskonzerns Rostec rund 200 Unternehmen mitwirken. Bevor das Programm anlaufen konnte, musste hinter den Kulissen zunächst einiges passieren – angefangen von der Digitalisierung der Konstruktionsunterlagen bis hin zur Wiederbelebung längst ad acta gelegter Fertigkeiten. Dazu zählt zum Beispiel das Vakuumschweißen großer Titanstrukturen. Jede Tu-160 besteht gewichtsmäßig zu rund einem Drittel aus Titan – ein Rekordwert! Allein der zentrale Kasten für die Aufnahme der Schwenkflügel wiegt sechs Tonnen und benötigt 140 Meter Schweißnähte.