Ein Video auf X und die Aussage eines iranischen Abgeordneten – fertig ist die Zeitungsente. Oder doch nicht? Dass der Iran, zum Ausgleich seiner durch Israel im Juni erlittenen Verluste, moderne MiG-29 aus russischen Beständen erhalten habe, diese Meldung ließ Ende September weltweit den Blätterwald rauschen. Renommierte und nicht so renommierte Medien berichteten davon, und stützten sich bei ihren Ausführungen allesamt auf die Aussage eines Abgeordneten des iranischen Parlaments. Der Mann heißt Abolfazl Zohrevand und sagte, nach Angaben des in London ansässigen Portals Iran International, "russische MiG-29 sind im Iran angekommen und jetzt in Schiras stationiert".
Nähere Angaben zur Anzahl der (angeblich) gelieferten MiGs machte Zohrevand nicht – betonte jedoch, dass es sich dabei nur um eine "kurzfristige Zwischenlösung" handle, während langfristig die von den Iranern schon länger gewünschten Suchoi Su-35SE die Luftwaffe verstärken sollen. Passenderweise tauchte fast zur selben Zeit auf X ein Video auf, das eine MiG-29 im Dämmerlicht über der Hauptstadt Teheran zeigt. Beobachter deuteten den Umstand, dass der gefilmten MiG-29 die charakteristischen Rauchfahnen ihrer RD-33-Triebwerke zu fehlen scheinen, als Beleg dafür, dass es sich bei dem Flugzeug um eine, mutmaßlich frisch aus Russland gelieferte, moderne MiG-29-Version mit verbesserten RD-33MK-Motoren handeln müsse.
MiG-29 in Teheran – seit über drei Jahrzehnten
Tatsächlich produziert das alte Klimow RD-33 aufgrund seiner spezifischen Brennkammer-Konstruktion in den meisten Betriebsmodi eine Menge dunklen Rauch. Allerdings ist die in dem Zwölf-Sekunden-Video zu sehende MiG-29 nur mit langsamer Geschwindigkeit, entsprechend wenig Schub nahe am Leerlauf und vermutlich wenig Zuladung unterwegs – ein Szenario, in dem auch das RD-33 der frühen MiG-29-Versionen mehr oder weniger "rauchfrei" arbeiten kann.
Mit der Aussage des Abgeordneten Zohrevand, der auch Mitglied im Ausschuss für nationale Sicherheit und Außenpolitik des iranischen Parlaments ist, deckt sich die Beobachtung der scheinbar "rauchlosen" MiG über der Hauptstadt aber auch unabhängig davon nur auf den ersten Blick. MiG-29 hat die iranische Luftwaffe am Flughafen Teheran-Mehrabad schon seit vielen Jahren stationiert. Die dort beheimatete Einheit, das 11. Taktische Kampfjet-Geschwader, war einst die erste überhaupt, die mit MiG-29 ausgerüstet wurde. Der Iran hatte 1989 in der Sowjetunion MiG-29B (Einsitzer) und UB (Doppelsitzer) bestellt, die 1990 ins Land kamen. Später verstärkten vier MiG-29B/UB aus irakischen Beständen die Flotte. Sie waren während des Golfkriegs 1991 übergelaufen.
Warum soll der Iran MiGs in Schiras stationieren?
Nun behauptete der Abgeordnete Zohrevand in seiner vor lokalen Medien getätigten, aber weltweit zitierten Aussage, die (angeblich) neu von Russland gelieferten MiG-29 wären in Schiras untergebracht worden. Schiras wiederum liegt rund 800 Kilometer südlich von Teheran – und MiG-29 waren dort noch nie stationiert. Stattdessen beherbergt der örtliche Fliegerhorst unter anderem Transportflugzeuge des Typs Iljuschin Il-76, ein Hubschraubergeschwader mit Bell 214-Helikoptern sowie ein Jagdbombergeschwader mit Suchoi Su-24. MiG-29 finden sich dagegen, neben jenen in Teheran, noch auf der 2. Taktischen Luftwaffenbasis Fakkuri in Täbris, im Nordwesten des Iran. Warum man für neu hinzugekommene MiGs nicht die für dieses Muster schon bestehende Infrastruktur nutzen sollte, sondern sie stattdessen an einem Ort unterbringt, der für MiG-29-Betrieb überhaupt nicht ausgerüstet ist, erschließt sich nicht.

Auch ältere MiG-29 qualmen nicht in allen Lebenslagen wie die Schlote. Hier eine MiG-29AS der slowakischen Luftwaffe im Jahr 2017.
Der Wunsch als Vater des Gedankens?
Hinzukommt, dass es – weder aus dem Iran noch aus Russland – wirklich offiziell bestätigte Meldungen über die im Raum stehende MiG-29-Lieferung gibt. Ein von der FLUG REVUE zu der Thematik befragter Insider kanzelte den angeblichen Deal dagegen umgehend als "Fake News" ab. Er blies damit ins selbe Horn wie der Verteidigungs- und Sicherheitsanalyst Farzin Nadimi vom Washingtoner Institut für Nahostpolitik, der auf Nachfrage des US-Magazins Forbes sagte: "Ich glaube nicht, dass an den Behauptungen des iranischen Parlamentsmitglieds etwas Wahres dran ist." Bestenfalls könne es sich "um einen Wunsch oder eine Bitte" an Russland handeln.

Der Iran hat in Teheran seit jeher MiG-29 stationiert. Die Jets kamen ab 1990 aus der UdSSR. Außerdem sind iranische MiG-29 in Täbris zu Hause.
"Eine fragwürdige Figur"
Der Historiker Arash Azizi, der ebenfalls von Forbes um seine Einschätzung gebeten wurde, stimmt dieser Einschätzung zu – und wirft zugleich ein zweifelhaftes Licht auf den Urheber der Aussage, Abolfazl Zohrevand. Dieser sei "eine fragwürdige Figur, die dafür bekannt ist, abwegige Behauptungen aufzustellen", so Azizi über den Parlamentarier, der einst auch als iranischer Botschafter in Italien und Afghanistan arbeitete. Tatsächlich ließ sich Zohrevand bereits Anfang 2025 mit der eher haltlosen Behauptung zitieren, wonach der Iran "in naher Zukunft" 50 Su-35SE fliegen werde und aus Russland zudem auch den Stealth-Kampfjet Su-57(E) erhalte.
Behauptungen wie die zur angeblichen MiG-29-Lieferung seien "Teil einer Panik in Teheran" angesichts neuer Sanktionen der UNO gegen den Iran. "Die Hardliner hoffen, als Ersatz mit Beziehungen zu Russland und China [...] prahlen zu können", führt Azizi weiter aus. Hinter den – offenbar frei erfundenen – Ausführungen des Abgeordneten steckt nach Meinung des Iran-Publizisten Azizi "keine gewisse Logik". Zohrevand "denkt sich das einfach aus und hofft, damit durchzukommen."

Eigentlich möchte der Iran gerne Su-35S(E) haben. Ob und wenn ja, wann er diese erhält, bleibt jedoch weiter offen.
Wahrscheinlich keine MiG-29 für den Iran
Der langen Rede kurzer Sinn: Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der Iran aus Russland keine "neuen" MiG-29 erhalten – was nicht ausschließt, dass die Russen stattdessen Ersatzteile für die iranische MiG-29-Bestandsflotte ins Land schickten, um dem Iran zu helfen, die durch Israel stark gerupfte MiG-29-Flotte wieder etwas aufzufrischen. Außerdem scheint Russland Ende September per Antonow An-124 eine weitere Lieferung Trainingsflugzeuge vom Typ Jakowlew Jak-130 in den Iran überführt zu haben, doch auch das ist unbestätigt.
Was die – aktuell auf Eis liegende – Lieferung von Su-35SE an die Iraner angeht, die der Abgeordnete Zohrevand als langfristige Lösung für sein Land anpries, gibt es, wie es aussieht, noch immer keinen Durchbruch. Zwar sind Ende 2024 wohl tatsächlich die ersten beiden "Super Flanker" aus Russland in Teheran eingetroffen. Dabei soll es sich aber, wie später bekannt wurde, um nicht-flugfähige Exemplare handeln, die zur Ausbildung künftiger iranischer Wartungsingenieure und -techniker im Inland gedacht waren. Einsatzbereite Su-35SE hat der Iran nach wie vor nicht erhalten.