Wir sind uns einig in unserer Verpflichtung, die Luft- und Raumfahrtstreitkräfte zu modernisieren und den Wandel zu vollziehen, den wir brauchen, um mit unserer Herausforderung – China, China, China – wettbewerbsfähig zu sein", umriss Frank Kendall, Chef des Department of the Air Force im Pentagon, bei einer Rede auf dem AFA Warfare Symposium im März die Problematik, der sich die amerikanischen Militärs stellen müssen. Bei der Abwägung der Möglichkeiten "haben wir keine andere Wahl, als den Luft- und Raumfahrtstreitkräften Vorrang einzuräumen, die wir brauchen, um auch in Zukunft die Oberhand zu behalten", sagte er in Aurora, Colorado. Das heißt auch, dass nicht mehr benötigte Flugzeuge kurzfristig ausgemustert werden sollen.
Operative Prioritäten
Im Fokus stehen die "operativen Imperative", das heißt "die kritischen operativen Fähigkeiten und Funktionen, in die das Department of the Air Force investieren muss, um die Fähigkeit der Vereinigten Staaten zur Konfliktabschreckung und zur Machtprojektion bei sich abzeichnenden Herausforderungen aufrechtzuerhalten. Der Erfolg unseres Militärs hängt von der Fähigkeit ab, Luft und Weltraum zu kontrollieren." Die Stichworte im einzelnen sind die Sicherung der eigenen Systeme im Weltraum, die Implementierung eines leistungsfähigen Abwehrsystems gegen Interkontinentalraketen und Hyperschallflugkörper, die Bekämpfung sämtlicher Bewegtziele, die Sicherstellung der Luftüber- legenheit über dem Gefechtsfeld, eine Sicherung (oder schnelle Reparatur) eigener Basen, globale Angriffe mit Stealth-Bombern und die jederzeitige Bereitschaft zur Truppenverlegung in Einsatzgebiete.

Entwicklungsprogramme
Vor diesem Hintergrund hat das US Verteidigungsministerium eine ganze Reihe von Entwicklungsprogrammen am Laufen oder in der Planung, die auch die Fähigkeiten der US Air Force wesentlich verbessern sollen. So wird zum Beispiel die Atomstreitmacht gründlich modernisiert, was nicht nur die B-21 Raider sondern auch die Interkontinentalrakete LGM-35A Sentinel (GBSD = Ground Based Strategic Deterrent) betrifft; an beiden arbeitet Northrop Grumman. Für die B-21, deren Erstflug trotz Verzögerungen noch dieses Jahr erfolgen soll, werden im kommenden Jahr 2,7 Milliarden Dollar Entwicklungskosten benötigt und dann 5,7 Milliarden Dollar pro Jahr für die Beschaffung, zum Beispiel im Haushaltsjahr 2028. Die USAF will einhundert der Stealth-Bomber kaufen.
Für die Sicherstellung der "Tactical Air Dominance" wird an einem neuen Fighter (NGAD = Next Generation Air Dominance/Luftüberlegenheitsjäger der nächsten Generation) gearbeitet. Dafür sind im Haushalt 2024 knapp zwei Milliarden Dollar vorgesehen, die auf 4,1 Milliarden im Haushaltsjahr 2028 steigen sollen. Problem: Obwohl "die Kontrolle über den Luftraum ein absolutes Muss ist, wenn die USA und unsere Verbündeten bei künftigen Operationen erfolgreich sein wollen", sind "diese Plattformen zu teuer, um eine Luftwaffe der Größe, die wir operativ benötigen, vollständig auszurüsten; wir müssen (...) weniger teure, unbemannte autonome Flugzeuge in den Mix aufnehmen".

Neue Einsatzkonzepte
Diese Drohnen oder "Loyal Wingmen" werden vom Pentagon nun als CCA (Collaborative Combat Aircraft) bezeichnet, die dank künstlicher Intelligenz überlebensfähig, aber höchstens halb so teuer wie bemannte Kampfflugzeuge sein sollen. Kendall strebt eine Flotte von zunächst 1000 CCAs an. Als Elemente eines Teams mit und ohne Besatzung könnten zwei CCAs mit einem NGAD oder einer F-35 kombiniert werden, etwa zwei für jede der 200 gewünschten NGAD-Plattformen und zwei für jede der 300 F-35. Der Bedarf könnte aber langfristig doppelt so hoch sein, was für die Industrie interessant ist. Zunächst gilt es aber, mit einem Experimental Operations Unit (EOU) Einsatzkonzepte zu erarbeiten. Da der Pazifik und China die Planungen des Pentagon dominieren, sind auch bei der Unterstützung der Kampfflugzeuge neue Wege notwendig. Als dringend wird zum Beispiel der Ersatz der E-3G AWACS erachtet, die heute nicht nur mit einem unverhältnismäßigen Wartungsaufwand im Einsatz gehalten werden können und deren Radar sowieso nicht mehr die aktuellen Anforderungen erfüllt. Deshalb wird die E-7A von Boeing beschafft. Was die Tankerunterstützung betrifft, sieht das Pentagon neuerdings die Notwendigkeit eines , denn aus zivilen Airlinern umgebaute Muster haben unter Bedrohung keine große Überlebenschance. Möglich wäre daher die Entwicklung eines Nurflüglers mit Stealth-Eigenschaften.

Neuerungen an allen Ecken
Glück für Boeing: Dadurch fällt höchstwahrscheinlich ein Wettbewerb um einen KC-Y-Tanker weg, das heißt, man kann weiter KC-46 liefern über die bisherigen Planungen für 179 hinaus und hat keine Konkurrenz von Lockheed Martin zu befürchten, wo man die A330 von Airbus anbieten wollte. Insgesamt benötigt die USAF laut Planungsdokumenten 466 Tanker. Neu benötigt wird auch ein Ersatz für eine fliegende Kommandozentrale, um die veralteten E-4B abzulösen. Gekauft werden müssen in den kommenden Jahren natürlich auch weitere F-35 und F-15EX, um der Überalterung der Flotte vorzubeugen. Im Haushaltsjahr 2024 sind zum Beispiel 48 F-35A und 24 F-15EX eingestellt. Bei letzterem Muster ist sich die USAF offenbar nicht sicher, wie viel sie denn nun kaufen will, denn vom ursprüng- lichen Plan von 144 ging man zwischenzeitlich auf 80 herunter, um dann wieder auf knapp über 100 zu erhöhen. Gelder sind zudem für eine Modernisierung der F-22A und der F-16 (neues Radar) sowie der B-52 (Avionik und Triebwerke) notwendig. Insgesamt ist das Pentagon trotz eines Rekord-Verteidigungshaushalts von 842 Milliarden Dollar (763 Mrd. Euro) daher gefühlt knapp bei Kasse. Die Air Force, die davon immerhin 215,1 Milliarden Dollar (195 Mrd. Euro) abbekommt, versucht deshalb seit Jahren, ältere Muster loszuwerden, was erhebliche Betriebskosten sparen würde.

Oldies machen den Abflug
Für 2024 hat sie die Außerdienststellung von nicht weniger als 310 Flugzeugen beantragt (150 waren für 2023 auf der Abschussliste), doch der Kongress hat die Angewohnheit, nicht alles zu genehmigen. So will die USAF zum Beispiel 42 ihrer A-10 Thunderbolt II loswerden, deren Überlebensfähigkeit über einem modernen Gefechtsfeld infrage steht. Bis 2028 soll dann die komplette Flotte der derzeit noch 260 Erdkampfjets ausgemustert sein. Auf der Abschussliste stehen auch weitere 57 der bis zu 40 Jahre alten F-15C/D Eagle. Sie sollen nach der kompletten Ausmusterung bis 2026 immerhin zum Teil durch F-35A und F-15EX ersetzt werden. Auch die F-15E ist nicht immun. Hier soll die Flottenreduzierung 2025 beginnen. Ausgemustert werden selbst einige F-22A, und zwar 32 Stück des Block 20, die nicht einsatztauglich sind und lediglich für Trainingszwecke verwendet werden. Weitere Reduzierungen betreffen, wie erwähnt, die E-3G, von denen man bisher 13 ausgemustert hat. Betroffen sind zudem die KC-10-Tanker, von denen man die letzten 24 loswerden will. Auch die letzten drei E-8 Joint STARS für die Bodenüberwachung werden als überflüssig betrachtet, genauso wie die restlichen 48 MQ-9 Reaper des Standards Block 1 oder drei EC-130J Commando Solo und drei A-29.
Im Hubschrauberbereich verzichtet die USAF auf 37 HH-60G Pave Hawk, die dann schrittweise durch HH-60W Jolly Green II ersetzt werden. Bei der Ausbildung sind 52 T-1 Jayhawk (Beechjet Business Jets) entbehrlich. Last, but not least hat man entschieden, eine B-1B nach einem Triebwerksbrand nicht zu reparieren, so dass noch 44 der Schwenkflügelbomber übrig bleiben.