Das Verhältnis zwischen den USA und dem NATO-Partner Türkei war schon mal besser. Spätestens, seit "Uncle Sam" die Türken 2019 aus dem F-35-Programm verbannte, weil sie sich erdreistet hatten, russische S400-Flugabwehrraketen zu beschaffen, kann man den Beziehungsstand in Rüstungsfragen unter "es ist kompliziert" zusammenfassen. Die jüngsten Spannungen der Türkei mit dem ungeliebten Nachbarn Griechenland verfestigen diesen Status Quo. Dennoch hat die Türkei erklärtermaßen weiter starkes Interesse an Kampfjets aus den USA und hätte als Ersatz für die nicht (mehr) verfügbaren F-35A wenigstens gern 40 neue F-16 Viper sowie 80 Nachrüst-Kits zur Modernisierung der bereits bestehenden F-16-Flotte. Doch die Gespräche darüber stocken immer wieder – was Ankara nötigt, sich abseits der erklärten Wunschlösung nach Alternativen umzusehen.

Die Su-35S als F-16-Ersatz?
Im Fokus der Berichterstattung steht dabei immer wieder die Suchoi Su-35S. Der russische Einsitzer weckt schon länger das – zumindest oberflächliche – Interesse der türkischen Regierung. Auf dem Aviasalon MAKS 2019 in Schukowski ließ sich Präsident Erdogan das Muster sogar exklusiv von seinem russischen Amtskollegen Putin zeigen – zusammen mit dem Stealth Fighter Su-57. Während letzterer aber in jüngster Zeit kaum noch Erwähnung in den Äußerungen türkischer Offizieller findet, bleibt die Su-35 nach wie vor eine Option – zumindest öffentlich. Erst vor Kurzem bekräftigte Ismail Demir, Chef der türkischen Verteidigungsindustrie, gegenüber dem Nachrichtensender CNN Türk, alle Alternativen kämen auf den Tisch, "einschließlich der Su-35". Zudem sei man entschlossen, die bereits beschafften F-16 notfalls auf eigene Faust, mit selbst entwickelten Systemen aufzurüsten.

"Stinkefinger" Richtung Washington
Ob die Türkei und Russland in Sachen Su-35 allerdings tatsächlich auf einen grünen Zweig kämen, steht in den Sternen. Zwar wäre ein solcher Deal der ultimative "Stinkefinger" aus Ankara in Richtung Washington, jedoch dürfte die Su-35 den Türken in der Praxis eher Probleme als Nutzen bereiten. Schließlich ist die Türkei formell nach wie vor ein Mitglied der NATO und steht damit, erst recht aktuell, auf der "falschen" Seite. Die Integration russischer Kampfflugzeuge in die türkische Luftwaffe würde sowohl für Russland als auch die Türkei einige Unwägbarkeiten bergen, technischer wie politischer Natur. Zudem gilt die Su-35 zwar als eines der wendigsten Kampfflugzeuge der Welt, besitzt aber – anders als die F-16 Block 70 – zum Beispiel kein AESA-Radar. Das in der "Super Flanker" verbaute PESA-Radar Irbis-E soll westlichen Pendants deutlich unterlegen sein. Als "Schreckgespenst" und Druckmittel gegenüber den USA gibt die Su-35 in der Öffentlichkeit eine gute Figur ab. Dass dahinter eine solide Basis für ein tatsächliches Rüstungsgeschäft steckt, scheint jedoch eher unwahrscheinlich.

Eurofighter im Visier
Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin brachte indes vor Kurzem eine weitere Option aufs Tapet – und die klingt deutlich realistischer. Gegenüber dem Nachrichtensender NTV erklärte Kalin laut türkischen Medien am 23. September: "Wenn es keine Einigung über den Verkauf der F-16 gibt, steht der Eurofighter Typhoon auf unserer Agenda." Die Türkei werde niemals ohne Alternativen sein, unterstrich der Sprecher des Präsidenten weiter. Man sei bereits in Verhandlungen mit Europa über den Kauf von Eurofighter-Kampfjets.
"Die Türkei hofft, das neueste Tranche 3A- oder Tranche 4-Modell des Typhoon zu erhalten", ergänzt die Zeitung "Eurasian Times". Allerdings wäre der Eurofighter im Einkauf deutlich teurer als die F-16V, auch wenn die Europäer einen Verkaufserfolg ihres zuletzt im Export nicht sonderlich erfolgreichen Standard-Kampfjets gut gebrauchen könnten und daher wohl zu einigen Zugeständnissen bereit wären. Dass der Türkei die F-16 trotzdem lieber wäre, daraus macht Ankara kein Geheimnis. Erst in der vergangenen Woche ließ Präsident Erdogan verlauten, dass die Gespräche mit den USA diesbezüglich "positiv" verlaufen würden – bislang nur eben nach wie vor ohne Ergebnis.