Auch in Kanada rückt die Entscheidung im Wettbewerb um die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs näher. Jedenfalls haben Saab, Lockheed Martin (F-35A) und Boeing (F/A-18E/F) Ende Juli ihre Vorschläge für das Future Fighter Capability Project (FFCP) in Ottawa eingereicht. "Die Gripen … ist so konzipiert, dass sie in rauen Umgebungen operieren und die fortschrittlichsten globalen Bedrohungen besiegen kann. Mit Saab … wird die Royal Canadian Air Force die volle Kontrolle über ihr Kampfflugzeugsystem haben", versprach Jonas Hjelm, Chef der Flugzeugsparte des schwedischen Rüstungskonzerns. "Eine Garantie für die gemeinsame Nutzung von Schlüsseltechnologie, Produktionsanteile, Unterstützung und lebenslange Verbesserungen wird dafür sorgen, dass die Souveränität Kanadas für Jahrzehnte gestärkt wird."
Request for Proposal
In Kanada geht es gemäß der Ausschreibung (Request for Proposal, RFP), die am 23. Juli 2019 von Public Services and Procurement Canada (PSPC) herausgegeben wurde, um die Beschaffung von 88 Flugzeugen als Ersatz für die F-18C/D Hornet inklusive eines umfassenden Unterstützungs- und Ausbildungspakets und eines Industrieprogramms, das darauf ausgerichtet ist, langfristige Beschäftigungs- und Geschäftsmöglichkeiten im Hightechbereich in allen Regionen Kanadas zu schaffen. Diese Offsetkriterien machen 20 Prozent der Bewertung aus.
"Gripen for Canada Team"
Saab hat deshalb sein "Gripen for Canada Team" aufgestellt. IMP Aerospace & Defence würde mit der Produktion im Land und der Unterstützung während der gesamten Lebensdauer der kanadischen Gripen-E-Flotte betraut. CAE soll Schulungs- und Einsatzsystemlösungen bereitstellen, während Peraton Canada die Wartung, Reparatur und Überholung von Avionik- und Testgerätekomponenten sowie das Materialmanagement übernehmen könnte. GE Aviation soll die auf dem F414 basierenden Triebwerke in Kanada instand halten. Zum Saab-Zulieferer-Team gehören auch Diehl Defence und RAFAEL.
Lebenszykluskosten
Die Gripen E bietet laut Saab "für die kanadische Luft- und Raumfahrtindustrie und die Steuerzahler in Bezug auf Lebenszykluskosten und Betreuung während der Einsatzzeit… den besten Wert". Ob das stimmt, ist natürlich schwer zu sagen, zumal Kanada als Partnerland des F-35-Programms Mittel für die Entwicklung des Joint Strike Fighter bereitgestellt hat und bereits an der Herstellung des Jets beteiligt ist. Lockheed Martin argumentiert, dass das F-35-Programm während seiner gesamten Lebensdauer schätzungsweise 150 000 Arbeitsplätze in Kanada sichern werde.

Test in Finnland
Während die Gripen E in Kanada also wohl höchstens Außenseiterchancen hat, sind die Schweden beim HX-Wettbewerb im Nachbarland Finnland hoffnungsvoll. Wie die Konkurrenten Eurofighter, Rafale, F/A-18E/F und F-35 musste die Gripen E Anfang Februar die "HXChallenge" bestehen – mehrtägige Tests auf der Basis Pirkkala unter finnischen Winterbedingungen, mit dem Ziel, die zuvor von den Herstellern eingereichten Leistungsdaten zu verifizieren. Parallel legte Saab am 31. Januar ein revidiertes Angebot als Antwort auf die geänderte Angebotsanfrage des finnischen Verteidigungsministeriums vor.
GlobalEye
Das Angebot hat eine Besonderheit: Neben der Gripen E und Gripen-F- Doppelsitzern enthält es auch zwei Frühwarn- und Kontrollflugzeuge vom Typ GlobalEye (auf Basis der Bombardier Global 6000), wie sie Saab derzeit für die Vereinigten Arabischen Emirate baut. Diese "umfassende Lösung" für Luftangriff und Luftverteidigung in den von den Ilmavoimat vorgegebenen fünf Haupteinsatzszenarien leistet laut Saab "einen wesentlichen Beitrag zur gemeinsamen Einsatzfähigkeit der finnischen Streitkräfte". Als Teil seines Vorschlags bietet Saab ein umfangreiches Waffen- und Sensorpaket sowie die für den Betrieb des Systems erforderliche Ausrüstung und die damit verbundenen Dienstleistungen an.
HX-Programm
Das Angebot umfasst auch ein Programm zur industriellen Zusammenarbeit, das auf den Aufbau umfassender nationaler Fähigkeiten für die Versorgungssicherheit in Finnland abzielt. Der Transfer von Wartungs-, Reparatur- und Überholungskapazitäten an die örtliche Industrie, die Herstellung von Teilen und die Endmontage von Flugzeugen sowie die Einrichtung eines Unterstützungs- und Entwicklungszentrums in Finnland sind eingeschlossen. Für das HX-Programm, bei dem neuerdings keine konkrete Stückzahl in den Anforderungen steht, sind zehn Milliarden Euro "für alles" inklusive Infrastruktur und Anfangsunterstützung eingeplant. Die Betriebskosten sollen "auf demselben Niveau wie die der Hornet" liegen, so Programmdirektor Colonel Juha-Pekka Keränen. Mit einer Beschaffungsentscheidung wird für 2021 gerechnet. Dann wird sich zeigen, ob die Gripen E international Fuß fassen kann.

Zwei Kunden für die neue Ausführung
Momentan gibt es zwei Kunden für die neue Ausführung der JAS 39, Schweden und Brasilien, die 60 beziehungsweise 36 Flugzeuge kaufen. An diesen Aufträgen von 2013 beziehungsweise 2014 richtet sich derzeit das Erprobungsprogramm aus, das mit dem Erstflug des Prototyps 39-8 am 15. Juni 2017 begann. Inklusive des Demonstrators 39-7 (Erstflug 2008) sind inzwischen sieben Maschinen in der Luft, die bis zum Frühjahr über 300 Stunden absolviert hatten. Eine weitere soll im Laufe des Jahres dazukommen.
Systemversuche im Mittelpunkt
Nach der Eröffnung des Flugbereichs und Wintertests im nordschwedischen Vidsel (bis minus 26 Grad) stehen nun vermehrt Systemversuche im Mittelpunkt. Die Gripen E verfügt dabei gegenüber den derzeit im Einsatz befindlichen Versionen C und D über eine komplett neue Ausstattung. So ist das Selex-Radar Raven ES-05 mit einer Antenne mit elektronischer Strahlschwenkung ausgestattet, die sich drehen lässt, um einen größeren Blickwinkel (200 Grad vertikal) zu erreichen.

Infrarotsuchsystem
Vor dem Cockpit eingebaut ist das Infrarotsuchsystem ES-60 Skyward. Viel Wert wird auch auf den elektronischen Selbstschutz gelegt, mit einem Zentralprozessor, einer Niederfrequenzantenne, Sensoren an den Flügelspitzen und Emittern am Seitenleitwerk. Diese Systeme "erfüllen nicht nur die Erwartungen, sondern arbeiten besser als gedacht", sagte Eddy de la Motte, Leiter des Gripen E/F-Programms.
Softwarechecks
An dem Versuchsprogramm sind seit Oktober 2019 auch Ingenieure aus Brasilien beteiligt, die im Rahmen der Vereinbarungen zum Technologietransfer bei Saab in Linköping ausgebildet werden. Sie führten im März erstmals eigenständig einen Flug durch, bei dem es unter anderem um Überprüfungen des verbesserten Head-up-Display und des Radarhöhenmessers sowie um Softwarechecks ging. Nachdem sie die nötige Erfahrung gesammelt haben, werden die Ingenieure nach Brasilien zurückkehren, wo ein zweites Testzentrum für die Gripen eingerichtet wird. Dafür soll noch vor Jahresende die erste brasilianische Gripen E nach Südamerika gebracht werden. Zudem wird in Schweden zusammen mit der Beschaffungsbehörde FMV ein drittes Testzentrum entstehen.
Gripen Design and Development Network
Die Brasilianer sind nicht nur in die Tests eingebunden, sondern durch Embraer auch Partner bei der Entwicklung der 65 Zentimeter längeren Doppelsitzerversion Gripen F, die federführend im Gripen Design and Development Network in Gaviao Peixoto entsteht. Etwa 400 Ingenieure sind dort beschäftigt. Der erste Bauteil für diese Variante, ein Element des Lufteinlaufs, wurde im Frühjahr in Linköping gefräst.
Saab Aeronáutica Montagens
Im Juli begann dann Saab Aeronáutica Montagens (SAM) im brasilianischen São Bernardo do Campo mit der Teilefertigung. Der Heckkonus und der vordere Rumpf der einsitzigen Version des Gripen-Kampfflugzeugs sind die ersten Flugzeugstrukturen, die gefertigt werden. In der Folge sollen bei SAM auch die Bremsklappe, der hintere Rumpf, der Flügelkasten und der vordere Rumpf für die zweisitzige Version entstehen und zu den Endmontagelinien in Linköping und bei Embraer in Gavião Peixoto geliefert werden.
Força Aérea Brasileira
Derzeit ist geplant, dass mindestens vier Doppelsitzer und elf Einsitzer in Brasilien zusammengebaut werden. Weitere acht werden von den brasilianischen Technikern im Rahmen ihrer Ausbildung in Schweden montiert, während die restlichen 13 Gripen E direkt von Saab kommen. Deren Lieferung soll im kommenden Jahr beginnen, während die Doppelsitzer ab 2023 folgen. Einsatzbasis des bei der Força Aérea Brasileira als F-39 geführten Fighters ist Anápolis westlich der Hauptstadt Brasilia.
AESA-Radar
Die schwedische Flygvapnet will ihre erste Gripen-E-Einheit ab 2023 ausrüsten. Welches Geschwader die neue Version der JAS 39 erhält, wurde noch nicht gesagt. Klar ist allerdings, dass die Luftstreitkräfte etwa 60 ihrer Gripen C/D noch bis 2035/2040 im Einsatz behalten werden, um angesichts einer gefühlt höheren Bedrohungslage im skandinavischen Raum eine vergrößerte Kampfflugzeugflotte von maximal 120 Maschinen zu haben. Zu diesem Zweck wird auch an eine Modernisierung der derzeit genutzten Gripen gedacht, wofür Saab zum Beispiel ein eigenes AESA-Radar vorstellte.
Elektronische Kampfführung
Eine weitere Neuentwicklung ist der Electronic Attack Jammer Pod (EAJP). Er ist Teil der Arexis-Familie und ergänzt die internen EloKa-Systeme der Gripen E/F. Als Testträger des EAJP dient eine doppelsitzige JAS 39D Gripen. Laut Hersteller wurde beim ersten Flug im letzten November nicht nur der Behälter selbst, sondern auch seine Schnittstellen zur Hard- und Software des Flugzeugs sowie die Steuerung und Überwachung vom Cockpit aus getestet. Der Zweck des neuen EAJP-Behälters von Saab ist es, Flugzeuge durch ausgeklügelte Störfunktionen vor Radaren zu schützen und so die Angriffsmöglichkeiten des Gegners auf das eigene Flugzeug zu blockieren. Insgesamt sieht Saab für die Gripen E noch viele Entwicklungsmöglichkeiten. Diese sollen sich dank der konsequent modularen Auslegung der Avionik auch deutlich schneller realisieren lassen als bei heutigen Kampfflugzeugen.

Neues Kampfflugzeugradar von Saab
Saab bietet ein neues X-Band-AESA-Radar (Active Electronically Scanned Array) für Kampfflugzeuge an. Es kombiniert die feststehende Antenne mit um die 1000 Sende-/Empfangsmodulen mit der Datenverarbeitungselektronik des aktuellen PS-05/A Mk 4-Radars. "Wir sehen große Möglichkeiten für das Radar, und sein modulares, anpassungsfähiges sowie skalierbares Design bedeutet, dass es auch für eine Reihe anderer Anwendungen eingesetzt werden kann", sagte Anders Carp, Senior Vice President und Leiter des Saab-Geschäftsbereichs Surveillance.
Höhere Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Effizienz
Das neue AESA-Radar verwendet die Galliumnitrid-Technologie, die einen geringeren Stromverbrauch und eine verbesserte Hitzeempfindlichkeit bietet. Dies ermöglicht eine größere Bandbreite und eine höhere Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Effizienz. Laut Saab wird so eine bessere Leistung gegen kleine Ziele, eine gesteigerte ECCM-Fähigkeit (Electronic Counter-Countermeasures) sowie eine verbesserte Fähigkeit zur Unterstützung fortschrittlicherer Waffen erreicht. Erste Testflüge wurden im Frühjahr mit einer doppelsitzigen Gripen D durchgeführt. Bei Kundeninteresse könnte das Radar innerhalb von eineinhalb Jahren verfügbar sein, zum Beispiel als Nachrüstoption für die Gripen C/D, so Saab.
Testflugzeuge
# Gripen Demo (39-7)
Technologiedemonstrator auf Basis von JAS 39D fliegt seit Mai 2008
# Gripen E (39-8)
Erstflug 15. Juni 2017
# Gripen E (39-9)
Erstflug 1. November 2018
# Gripen E (39-10)
Erstflug 10. Juni 2019
# Gripen E (39-6001/FAB 4001)
Erstflug 26. August 2019. Erstes Serienflugzeug für Brasilien
# Gripen E (39-6002)
Erstflug November 2019. Erstes Flugzeug für die Flygvapnet
# Gripen E (39-6004)
Erstflug 30. Juni 2020. Für Flygvapnet.
# Gripen E (39-6003)
Derzeit noch für Bodentests (u.a. Kanonenschießen) verwendet