Suchoi Su-57 und Chengdu J-20: Super-Kampfjets zeigen, was sie können

Spektakel bei der Airshow China
Superfighter aus China und Russland zeigen ihr Können

Veröffentlicht am 21.11.2024

JoEin Jubelschrei brandet durch die Menge, als ihre Silhouette auf dem Taxiway erscheint. Wie kleine Kinder hüpfen die chinesischen Fotografen, die um mich herumstehen, in die Luft, klatschen in die Hände und jauchzen. "Su-57 is coming, Su-57 is coming, Su-57 is the best!", schreit mir ein junger Fan ins Gesicht, legt seine spiegellose Canon-Kamera an und feuert eine mindestens fünf Sekunden lange Fotosalve auf den heranrollenden Russland-Fighter. Das einheimische Publikum hier in Zhuhai, im Süden Chinas, hat seinen Liebling bei der 15. Auflage der Airshow China längst gefunden – und es ist tatsächlich kein Flugzeug aus China, sondern die russische Suchoi Su-57, geflogen von Testpilot Sergej Bogdan.

Highlights am Himmel bei der Airshow China 2024 in Zhuhai.
Patrick Zwerger

Steil in die Luft nach 300 Metern

Zum ersten Mal überhaupt zeigen die Russen ihren Superfighter bei der Airshow China dieses Jahr im Ausland – und Pilot Bogdan weiß, was er tun muss, um die Massen in Ekstase zu versetzen. Schon beim Startlauf sorgt er für reihenweise offene Kinnladen. Statt wie die anderen ans weit entfernte Pistenende zu rollen, platziert er die Su-57 direkt vor den Augen der verblüfft raunenden Zuschauer. Steigt voll auf die Bremse, lässt kurz darauf die beiden AL-41F1-Triebwerke aufjaulen, gibt Vollgas, zündet die Nachbrenner – und schiebt den infernalisch brüllenden Kampfjet nach kaum mehr als 300 Metern steil in den diesigen Himmel.

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"Einfach unglaublich!"

Was dann in den nächsten knapp zehn Minuten in der Luft an Flugmanövern folgt, lässt die Gesetze der Physik wie unbedeutende Empfehlungen erscheinen. Mit Kehrtwenden auf der Stelle, Flachtrudeln und Steilkurven spielt Bogdan sein ungläubig auf den tanzenden Kampfjet starrendes Publikum schwindelig. Immer wieder legt sich das Grollen der aus den Schubvektordüsen sprotzenden Nachbrenner über die Kulisse, die feuchtwarme Waschküchenluft über Zhuhai lässt die allen g-Kräften trotzende Su-57 ihre eigenen Wolken produzieren.

Als Bogdan, immerhin 62 Jahre alt, schließlich entgegengesetzt zur Startrichtung zum Landen ansetzt und den Bremsschirm auslöst, quittieren die Zuschauer die Darbietung mit tosendem Applaus. "Incredible", raunt mir ein polnischer Kollege zu. Ich nicke zustimmend, er unterstreicht: "Ehrlich wahr, ich mag die Russen nicht, aber dieses Flugzeug ist einfach unglaublich!"

Highlights am Himmel bei der Airshow China 2024 in Zhuhai.
Patrick Zwerger

Schweißtreibende Angelegenheit

"Unglaublich", dieses Attribut fällt in diesen Tagen öfter unter uns, dem versprengten Häufchen westlicher Besucher, die sich aus Europa nach Südchina aufgemacht haben, um der Airshow China beizuwohnen. Sei es, weil gefühlt alle zehn Minuten irgendein lustiger Chinese ein Foto mit uns machen will, weil uns auf dem Weg vom Hotel zur Show einen Kilometer vor dem Ziel plötzlich der Bus verreckt und wir den Rest zu Fuß laufen müssen, weil die Melange aus 27 Grad Celsius und über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit jede Schweißpore der Haut zum Wasserfall mutieren lässt – oder weil wir gerade am einzigen Ort auf der ganzen Welt sind, an dem nicht nur die Su-57, sondern gleich zwei weitere Kampfjet-Muster der fünften Generation am Himmel ihr Stelldichein geben.

Highlights am Himmel bei der Airshow China 2024 in Zhuhai.
Patrick Zwerger

Ein heulender Drache

Zwei dieser Muster stammen aus China – und auch die wissen (nicht nur) westliche Besucher zu begeistern, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Chengdu J-20 etwa, der ältere der beiden China-Kracher, sorgt schon allein mit ihrem markanten Klang für Gänsehaut – und das, noch bevor man sie sieht. Ein durchdringendes "Wuuuuuuoooooooooo" heult durch die Luft und kündigt den als "Mighty Dragon" bezeichneten Fighter an, der, von einem nahegelegenen Fliegerhorst gestartet, nur Sekunden später leibhaftig auf der Bildfläche erscheint.

Für manches Mitglied unserer Gruppe war die J-20 einer der Hauptgründe für die Reise nach Zhuhai, und die chinesische Luftwaffe enttäuscht unsere Hoffnungen nicht. Am ersten Tag unseres Besuchs schickt sie zwei J-20 zur Show, am zweiten sogar vier, am dritten, dem Regentag, immerhin noch eine. Zwar reichen die Darbietungen lange nicht an das Spektakel heran, das Sergej Bogdan mit der Su-57 in den Himmel meißelt, aber auch die Chinesen wissen ihr Publikum – egal welcher Herkunft – mit zackigen Manövern, nachbrennerbefeuerten Vorbeiflügen und engen Vollkreisen zu gewinnen. Und überhaupt ist die J-20 mit ihrer wuchtigen Erscheinung, Canards, Deltaflügel, Doppelleitwerk und der düsteren Lackierung einfach brutal sexy. Erst recht mit diesem schaurig-schönen, kulttauglichen Klangteppich: "Wuuuuuuoooooooooo!"

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Debüt für die J-35A

Den zumindest hat Chinas zweiter Stealth-Fighter nicht im Repertoire, dafür machte sich die neue Shenyang J-35A bisher ziemlich rar in der Öffentlichkeit – Stealth eben... Bei der Airshow China in Zhuhai schicken die Chinesen ihren neuen Spross erstmals überhaupt auf die große Bühne – und auch das immer nur sehr kurz: Ein Überflug pro Tag muss genügen, um die neugierigen Blicke am Boden zu befriedigen. Immerhin standesgemäß mit Nachbrenner, dafür aber relativ hoch, um trotz des öffentlichen Auftritts nicht zu viele Informationen unters Volk zu bringen. Nach diesem kurzen, lauten Auftritt verschwindet die J-35A wieder dort, von wo sie gekommen ist: an einem unbekannten Ort, vermutlich irgendeinem Flugplatz in der Nähe von Zhuhai. Aber Premiere ist Premiere – immerhin hat sich der Jet gezeigt.

Highlights am Himmel bei der Airshow China 2024 in Zhuhai.
Patrick Zwerger

"Growler des kleinen Mannes"

Was gab es, außer den drei Tarnkappen-Stars, noch zu sehen am Himmel über Zhuhai? Tatsächlich so einiges! Den (relativ) neuen China-Jettrainer Hongdu JL-10 zum Beispiel, der seine Verwandtschaft zur russischen Jakowlew Jak-130 nur schwer verbergen kann. Ähnliches trifft auf die Shenyang-Muster J-15 und J-16 zu, ihrerseits basierend auf der trägergestützten Suchoi Su-33 (J-15), respektive der zweisitzigen Su-30 (J-16). Während die chinesische Luftwaffe eine J-16 zum Flugprogramm beisteuerte, sorgten die Marineflieger mit gleich drei von auswärts anfliegenden J-15 für Aufsehen – zwei brandneuen Einsitzern J-15T, die für den Katapultstart auf dem neuen Flugzeugträger Fujian bestimmt sind, und einem Doppelsitzer.

Bei Letzterem handelte es sich um eine J-15D, einer Spezialversion für die elektronische Kampfführung, inklusive der für diesen Zweck untergehängten Außenlasten. "Die Growler des kleinen Mannes", so ein deutschsprachiger Mitreisender scherzhaft, in Anlehnung an die für denselben Zweck genutzte Boeing EA-18G der US Navy. Zumindest in der Größe überragt die J-15D ihr US-Pendant allerdings deutlich – über die Leistungsfähigkeit gibt es aus dem Reich der Mitte leider keine verlässlichen Angaben.

Highlights am Himmel bei der Airshow China 2024 in Zhuhai.
Patrick Zwerger

Zwei Länder, drei Kunstflugteams

Aus Russland gastierte neben der Su-57 außerdem noch das Kunstflugteam "Russkije Witjasi" mit seinen sechs Su-35S in Zhuhai. Die "Russischen Ritter" begeisterten mit Loopings und Vorbeiflügen in Formation – bevor der Solist der Staffel mit dem superwendigen "Flanker"-Topmodell dem Publikum am Boden einmal mehr reihenweise "Ohs" und "Ahs" entlockte. Als Lokalmatadoren setzten die Piloten der chinesischen Kunstflugstaffel Ba Yi (1. August) ihre sechs einstrahligen Chengdu J-10 mit farbenfrohen Rauchschwaden in Szene – ähnlich wie Chinas zweites Jet-Team "Hongying", das acht Strahltrainer des Typs Hongdu JL-8 fliegt.

Highlights am Himmel bei der Airshow China 2024 in Zhuhai.
Patrick Zwerger

Ein Wermutstropfen...

Alles in allem sahen die Zuschauer am Flughafen Zhuhai täglich eine etwa vierstündige, gut durchorganisierte Show ohne viel Leerlauf zwischen den Darbietungen – bei denen allerdings ein Flugzeug fehlte, das zumindest ich ganz dick und fett auf dem Zettel stehen hatte: Das chinesische "Seemonster" Avic AG600M, das weltgrößte Flugboot der Moderne, fehlte bei der 15. Auflage der Airshow China leider. Die als Löschflugzeug vermarktete AG600M steckt derzeit in der Endphase der Flugerprobung, vier Prototypen schrubben dafür fleißig Flugstunden. Nach Zhuhai schaffte es 2024 keiner von ihnen. Aber halb so wild – dann eben beim nächsten Mal...