Nachdem dies sonst die Aufgabe der F-16AM gewesen war, haben nun die Lockheed Martin F-35A der Königlich Norwegischen Luftstreitkräfte die Aufgabe, russische Tu-142MK und Tu-142MRM ("Bear" F und J) auf ihren Langstreckenflügen über dem Nordatlantik zu begleiten. Zwei Tu-142MK der Nordflotte tauchten sogar über der Biskaya vor der französischen Westküste auf – eine Mission von über 15 Stunden Dauer, mit einer Flugdistanz ab der Basis Kipelowo von mehr als 10 000 Kilometern. Es wird spekuliert, dass diese Einsätze dazu dienten, das bei Nischni Nowgorod installierte neue Überhorizontradar "Container" zu kalibrieren. Unterdessen machen die Tu-95 "Bears" auch Abstecher vor die Küste von Alaska. "Die russischen Flugzeuge drangen nördlich von Alaska in die ADIZ (Air Defense Identification Zone) ein und blieben etwa vier Stunden vor Ort", so das North American Aerospace Defense Command (NORAD). Sie werden dabei im internationalen Luftraum von kanadischen CF-18 und F-22A Raptor der USAF begleitet, die von einem KC-135 Stratotanker unterstützt wurden.

Vor Alaska werden die Tu-95MS von Raptors der US Air Force abgefangen.
Noch lange nicht reif für den Ruhestand
Neu sind gemeinsame Flüge mit chinesischen H-6-Bombern über dem Pazifik im Luftraum um Japan und Südkorea, wobei die Tu-95 zum Teil sogar in China landeten. Die Aktivitäten zeigen, dass die riesigen Turboprops von Tupolew längst noch nicht reif für den Ruhestand sind. Dabei ist zu bedenken, dass die Tu-95 zwar im November 1952 erstmals flog (nur wenige Monate nach der Boeing B-52), die heute bei den russischen Luft- und Seestreitkräften im Einsatz befindlichen Maschinen aber erst in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren gebaut wurden. Mit sorgfältiger Wartung und geplanten Verbesserungen können sie "bis zu 45 bis 50 Jahre" im Dienst bleiben, so das russische Verteidigungsministerium. Die heute genutzte Bombervariante der "Bear" ist dabei die Tu-95MS ("Bear-H"), von der in Taganrog und Samara insgesamt 88 gebaut wurden. Ihre typische Waffenlast sind sechs nukleare Unterschall-Marschflugkörper Ch-55SM (NATO: AS-15B "Kent") mit einer Reichweite von bis zu 3000 Kilometern oder deren nichtnukleare Variante Ch-555 (AS-22 "Klug").

Die vier NK-12MP-Wellenturbinen von Kusnezow liefern jeweils über 11 000 kW.
Umfangreiche Modernisierungsprogramme
Seit 2014 werden die Flugzeuge umgebaut, um den neuen großen Marschflugkörper Raduga Ch-101 (AS-23A "Kodiak") und den nuklearen Ch-102 (AS-23B) zu tragen. Da der Waffenschacht vor Jahren für die sechs Meter lange Ch-55 ausgelegt wurde, können die neuen 7,5 Meter langen Ch-101/102-Flugkörper nur extern an zwei Doppelträgern unter den Flügeln mitgeführt werden. Die Raketen erreichen 4000 Kilometer für die konventionelle und 5000 Kilometer für die nukleare Version, aber der Luftwiderstand ihrer Aufhängung verringert die Reichweite des Bombers um fast 3000 Kilometer. Gleichzeitig mit der Einführung der neuen Raketen wird die Ausrüstung der Bomber modernisiert. In der ersten Ausbaustufe (M1) erhalten sie eine neue Navigationsausrüstung. Bis Anfang 2020 wurden etwa 16 Tu-95MS aufgerüstet; die Arbeiten werden derzeit wohl mit einer Rate von vier bis fünf Flugzeugen pro Jahr fortgesetzt. Tupolew arbeitet auch an der neuen Version Tu-95MSM, die ein neues Novella-Radar, ein neues Flugkontrollsystem, eine bessere Navigationsausrüstung und ein Bildschirmcockpit erhalten soll. Modifizierte NK-12MPM-Triebwerke haben mehr Lebensdauer und Zuverlässigkeit. Dazu kommen neue AW-60T-Propeller mit höherem Wirkungsgrad und weniger Vibrationen. Tupolew erklärt, dass "die Aufrüstung des Triebwerks die Nutzlast, die Starteigenschaften und die Reichweite erhöhen sowie andere Parameter verbessern wird". Einzelne Elemente der Modernisierung wurden bereits mehrere Jahre erprobt. Der Erstflug der ersten kompletten Tu-95MSM fand dann unter der Leitung des Tupolew-Testpiloten Andrej Woropajew am 22. August 2020 in Taganrog statt. Seither gab es jedoch wenig offizielle Neuigkeiten über den Fortschritt.

Wegen ihrer Größe müssen die Raduga-Marschflugkörper von der Tu-95MS extern getragen werden.
"Seebären" Tu-142 für verschiedene Aufgaben
Was die "Seebären" betrifft, so wurden zwischen 1968 und 1994 in Samara und Taganrog an die 110 Tu-142 gebaut. Je nach ihren spezifischen Aufgaben erhielten sie ein neues Missionssystem – das Korschun-K (Drachen) bei der Tu-142MK (Bear-F Mod 3) oder das verbesserte Korschun-N bei der Tu-142MZ (Bear-F Mod 4). Das System integriert ein Überwachungsradar in einer tropfenförmigen Radarkuppel unter dem Rumpf und ein Sonarbojen-Subsystem. Der Detektor für magnetische Anomalien ist an der Spitze der Heckflosse angebracht und arbeitet als separates Gerät. Bis zu 9000 kg Waffen befinden sich in zwei Rumpfschächten, wobei drei Torpedomodelle und Wasserbomben (auch nukleare), Minen und Sonobojen verschiedener Typen zur Auswahl stehen. Alle MZ-Versionen und einige MK- Flugzeuge sind mit dem elektronischen Selbstschutzsystem Sayany-M ausgestattet. Die Tu-142MK/MZ haben eine Höchstgeschwindigkeit von 855 km/h, die maximale Reichweite ohne Luft- betankung liegt bei 12 000 Kilometern.

Für die Kommunikation mit getauchten U-Booten wurde die Tu-142MR entwickelt, die eine 7680 Meter lange Antenne ausrollt.
Kommunikation mit Nuklear-U-Booten Tu-142MR
Statt für Seeüberwachung und U-Bootabwehr ist die Tu-142MR ("Bear-J"), die vom Konstruktionsbüro Berijew in Taganrog entwickelt wurde, für die Kommunikationsverbindung zwischen dem nationalen Kommando in Moskau und den Kommandanten strategischer Atomraketen-U-Boote gedacht – ähnlich wie das US-amerikanische TACAMO-System. Die Tu-142MR nutzt das Kommunikationsrelaissystem Orjol (Adler). Es umfasst HF-Funkgeräte und Satellitenkommunikation zur Verbindung mit Kommandozentralen sowie Fregat-VLF-Funkgeräte zur Verbindung mit untergetauchten U-Booten. Eine 7680 Meter lange Schleppdrahtantenne des Fregat-Systems ist im Waffenschacht installiert und wird über eine Gondel unter dem Rumpf ausgefahren; am Ende des Drahtes ist ein Stabilisierungskegel angebracht. Eine Tu-142MR ist einfach zu erkennen: an ihrer nach vorn gerichteten HF-Kommunikationsantenne auf der Heckflosse anstelle eines nach hinten gerichteten Magnetometers, wie es bei den ASW-Versionen zu finden ist. Berichten zufolge wurde die Tu-142MR ab etwa 2015 von Berijew in Taganrog auf den Tu-142MRM-Standard aufgerüstet, mit moderner Kommunikationsausrüstung, die mit der neuesten russischen U-Boote kompatibel ist.

Die Stationierungen der Bären verteilt sich auf Europa und Asien.
Basen der Bomber
Die Tu-142 sind auf zwei Basen verteilt: Das 5. U-Boot-Jagdgeschwader (5 OPLAE) ist mit zwölf Tu-142MK und sechs Tu-142MR/MRM-Flugzeugen auf dem zur Nordflotte gehörenden Stützpunkt Kipelowo stationiert. Ein weiteres Geschwader gehört zur Pazifikflotte und liegt in Mongokhto (zwölf Tu-142MZ und sechs Tu-142MR/MRM). Auch die strategischen Tu-95MS-Bomber der russischen Luftstreitkräfte sind auf Europa und Asien verteilt. Das 121. schwere Bomberregiment (TBAP) in Engels hat etwa 15 bis 18 Tu-95 (und 16 Tu-160), während das 182. TBAP in Ukrainka etwa 30 Tu-95 hat. Fünf bis sechs Bomber befinden sich im 43. Ausbildungszentrum in Rjasan und mehrere weitere Flugzeuge bei Tupolew in Schukowski. Da Engels und Ukrainka in der Nähe der südlichen Grenzen Russlands liegen, werden die vorgeschobenen Flugplätze in Anadyr, Tiksi und Workuta im hohen Norden unterhalten. Wenn nötig, tanken die Bomber dort auf, bevor sie ihre Mission fortsetzen.