Seit ihrem Jungfernflug 1971 hat sich die Il-76 weltweit in zahlreichen Rollen bewährt. In militärischen Diensten fliegt sie zuverlässig Panzer, Fracht und Truppen an die Front, versorgt Kampfjets in der Luft mit Sprit oder bekämpft mit Löschwasser-Rüstsatz im Frachtraum Waldbrände. Die Vereinten Nationen nutzen den Sowjet-Vierstrahler, um Hungernde in der Dritten Welt mit dringend benötigten Lebensmitteln zu versorgen. Und auch kommerziell steht die Il-76 als Frachter noch voll im Saft.

Bombenangriff mit der Iljuschin
Wie andere Transportflugzeuge der Sowjet-Ära, besitzt die Il-76 allerdings noch eine weitere Fähigkeit: sie lässt sich, bestückt mit entsprechenden Pylonen unterm Flügel, auch als Bomber einsetzen. Und tatsächlich trainiert die russische Luftwaffe ihre Il-76-Crews bis heute regelmäßig im Bombenabwurf.
Das jüngste Missionstraining dieser Art ging Mitte November auf dem Truppenübungsplatz Kuschalino in der Region Twer über die Bühne. Mehr als zehn Besatzungen sollen daran teilgenommen haben. Vom russischen Verteidigungsministerium bereitgestelltes Video- und Bildmaterial zeigt eine Il-76, die mit vier ungelenkten, je 50 Kilogramm schweren P-50T-Bomben unter den Tragflächen von einem Flugplatz in Pskow aus Richtung Zielgebiet fliegt. 500 Meter über dem Ziel lässt die Besatzung ihre explosive Fracht gen Boden regnen. Für die Zielnavigation nutzt sie dabei die ohnehin in der Il-76 verbauten Systeme, die im Normalfall zum präzisen Abwurf von Fracht und Fallschirmjägern dienen. Verantwortlich dafür ist der Navigator, der in der Glasnase des Flugzeugs sitzt.
Die Stunde des Heckschützen
Als Übungsziel des Bombenangriffs nannte das Verteidigungsministerium gegnerische Flugzeuge, "die sich gerade auf der Startbahn befanden." Allerdings überflog die Il-76 nach erfolgtem Abwurf der Freifallbomben das Trainingsgelände noch ein zweites Mal – und zwar etwas tiefer, in einer Höhe von 400 Metern über Grund. Dieses Mal diente ein Nachschubkonvoi des imaginierten Feindes am Boden als Ziel. Dabei schlug nun die Stunde des Bordschützen, der bei einigen fürs Militär gebauten Il-76 in einem Gefechtsstand am Heck residiert. Dieser ist mit einer 23-Millimeter-Zwillingskanone mit 150 Schuss und einem optischen Zielvisier ausgestattet, das manuell bedient wird. "Als das Flugzeug sich direkt über dem Ziel befand, erfasste der Schütze das Ziel visuell und feuerte aus seiner GSch-23-Bordkanone", heißt es hierzu aus dem Ministerium.

Welchen Sinn hat diese Übung?
Dass Streitkräfte ihre Transportflugzeuge auch für Bombenangriffe zweckentfremden, ist alles andere als neu. Bereits im Spanischen Bürgerkrieg flogen die Junkers Ju 52/3m der Legion Condor in großer Zahl entsprechende Einsätze – zum Beispiel auf die Stadt Guernica. Die USA nutzten Transporter wie die Lockheed C-130 Hercules später ebenfalls für Bombardierungen, etwa in Vietnam. In der UdSSR war es gängige Doktrin, dass Transportflugzeuge bei Bedarf auch als Bomber herangezogen werden konnten – und entsprechende Fähigkeiten mitbringen mussten. Der militärische Nutzen solcherlei Einsätze gilt allerdings als recht gering, weshalb weltweit keine große Luftwaffe mehr auf sie setzt – mit Ausnahme von Russland. Was die russische Luftwaffe mit dem Bombertraining für Transporter-Besatzungen genau bezweckt, ist indessen nicht ganz klar. Laut offizieller Lesart sollen die Il-76 auf diese Weise "Landezonen und Flugplätze in umkämpften Gegenden absichern". Jedoch hat Russlands Luftwaffe eigentlich auch genügend Kampfjets im Inventar, die so etwas sehr viel besser können.