Rolls-Royce testet gemeinsam mit Airbus und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Trent XWB mit nachhaltigem Treibstoff, CFM International plant ebenfalls zusammen mit Airbus Ende des Jahres Flugtests mit dem LEAP-1A, GE Aviation ließ 2018 die beiden GE90 des Boeing ecoDemonstrators mit 100 Prozent SAF fliegen und auch bei Pratt & Whitney führt man nach eigenen Angaben seit mehr als einem Jahrzehnt Versuche mit synthetischen Treibstoffen durch. Kurzum: SAF ist in aller Munde bzw. in den Tanks vieler Testflugzeuge und -triebwerke.
Denn SAF könnten zumindest einen Teil des Klimaproblems der Luftfahrt lösen. Nachhaltige Flugkraftstoffe, ohne Erdöl aus regenerativen Quellen gewonnen, verbrennen sauberer als fossiles Kerosin. Sie verursachen bis zu 90 Prozent weniger CO2-Emissionen und rund zwei Drittel weniger Ruß. So entstehen auch weniger Kondensstreifen am Himmel – ihre Klimawirkung gilt als noch stärker als die von Kohlenstoffdioxid.
SAF aus Abfallprodukten
Hinzu kommt, dass SAF aus Abfallprodukten hergestellt werden können, beispielsweise aus Resten aus der Nahrungsmittelindustrie, Altfetten oder Hausmüll. In Megastädten mit großen Flughäfen könnten so mehrere Probleme auf einmal gelöst werden.

Keine technischen Änderungen
Ein weiterer Vorteil: An den Tanklagern der Flughäfen sind keine technischen Änderungen nötig, ebenso wenig an den aktuellen Triebwerken. Weil sie herkömmliches Jet A oder Jet A-1 ersetzen und in normalen Gasturbinen verbrannt werden können, bezeichnet man SAF auch als "Drop-in"-Kraftstoffe. Heutige Turbofans sind für Beimischungen von bis zu 50 Prozent zugelassen.
Bessere Kraftstoffe, aber zu hohen Kosten
Für den Betrieb mit reinem SAF wären, zumindest an älteren Triebwerken, jedoch Änderungen nötig. "Es gibt Materialien, die nicht mit SAF kompatibel sind", sagt Dr. Michael Winter, Senior Fellow Advanced Technology bei Pratt & Whitney. "Dichtungen aus Nitrilen quellen unter Anwesenheit von Aromaten auf." Aromaten sind zyklische Kohlenwasserstoffe, die in nachhaltigen Treibstoffen nicht oder nur in geringeren Mengen vorkommen. Theoretisch könnten sie künstlich beigesetzt werden, sie sind aber auch für Rußbildung verantwortlich. "Wenn wir schon das fossile Kerosin ersetzen, dann mit einem besseren Kraftstoff", sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Aigner, Direktor des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik in Stuttgart und Präsident Wissenschaft und Forschung der Luftfahrt-Initiative für Kerosin aus erneuerbaren Energien, aireg.
Flüge ohne CO2, Stickoxide und Rußpartikel
Prof. Aigner sieht in der gleichzeitigen Optimierung von Kraftstoffen und Brennkammer die Chance für Flüge ohne CO2, Stickoxide und Rußpartikel. "Die Physik schreibt es nicht vor, dass bei der Verbrennung Schadstoffe freigesetzt werden", sagt er. Um die Temperaturen zu verringern und dadurch vor allem die NOx-Emissionen zu reduzieren, müssten Luft und Kraftstoff anders gemischt werden. "Dafür benötigen wir innovative Brennkammerkonzepte, bei denen der Brennerkopf ausgewechselt werden muss."

Nitril-Dichtungen werden in modernen Triebwerken übrigens nicht mehr eingesetzt. Bei Pratt & Whitney untersucht man aber rund 50 weitere Variablen, die wichtig bei der Nutzung von reinem SAF sein könnten. Dazu gehören Energiedichte, Schmierfähigkeit, Flammpunkt oder Dampfdruck. Dabei geht es beispielsweise darum, ob ein Triebwerksneustart im Flug mit reinem SAF anders verläuft als mit konventionellem Kerosin. "Wir sehen uns alle Parameter entlang der kompletten Flugmission an. Ja, es gibt noch Arbeit zu erledigen. Aber es wird nicht so schwierig werden”, sagt Dr. Winter. Zumindest was die Triebwerkstechnik angeht.
Mangelnde Verfügbarkeit
Doch es gibt noch einige Hürden. Da wäre zum einen die mangelnde Verfügbarkeit. Aktuell stammt deutlich weniger als 0,01 Prozent des Kerosins aus alternativen Quellen. In Europa will die EU-Kommission den Hochlauf ankurbeln und kündigte im Rahmen ihrer ReFuelEU-Initiative neben der schrittweisen Einführung einer Kerosinsteuer feste Quoten für nachhaltige Treibstoffe an: Bis 2025 sollen herkömmlichem Kerosin zwei Prozent SAF beigemischt werden, bis 2030 fünf Prozent und bis 2050 sogar 63 Prozent. "ReFuelEU bringt uns voran", sagt Prof. Aigner. "Ob es reicht, weiß ich nicht."
SAF-Projekte
Am Beispiel Iberia rechnet Christian Pho Duc vom Schweizer Investmentunternehmen Smartenergy vor, was eine Quote von zwei Prozent SAF bedeutet: Der Gesamtkerosinverbrauch der spanischen Airline lag 2019 bei 11,56 Mrd. Litern. Bis 2025 müssten davon 230 Mio. Liter jährlich SAF sein. Typische SAF-Projekte oder Initiativen stellen nach Angaben von Pho Duc jeweils nur rund drei Mio. Liter pro Jahr her. Nötig wäre also der Output von knapp 80 solcher Projekte – nur um Iberia mit SAF zu versorgen. Zudem sind nachhaltige Treibstoffe nicht an jedem Airport verfügbar. Für Europa listet Eurocontrol 13 Flughäfen auf, bei denen regulär SAF getankt werden kann. In Deutschland sind das seit Juni München und Köln/Bonn.

E-Kerosin
Bedingt durch die geringen Mengen ist auch der Preis happig. Die heute am meisten verbreiteten nachhaltigen Kraftstoffe auf Basis von Estern und Fettsäuren (HEFA) kosten pro Tonne zwischen 1100 und 1650 US-Dollar – mehr als doppelt so viel wie konventionelles Kerosin. Bei sogenannten E-Fuels sind die Kosten um bis zu fünf Mal höher. Dennoch spielen strombasierte Kraftstoffe in der Diskussion eine große Rolle. Denn die Biomasse für die Herstellung von HEFA-Kerosin ist limitiert. Eigens für die Treibstoffproduktion Pflanzen anzubauen, bringt weitere Herausforderungen mit sich. "Wir wollen als Luftfahrtindustrie nicht um Lebensmittelressourcen konkurrieren", so Dr. Winter. Eine umweltfreundliche Alternative könnten Kraftstoffe sein, die mithilfe erneuerbarer Energien aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Wenn Letzteres aus der Atmosphäre entnommen würde, wäre E-Kerosin CO2- neutral.
Verfügbarer Ökostrom
Doch es gibt einen Haken: Der bislang verfügbare Ökostrom reicht nicht für die Herstellung von E-Kerosin aus, zumindest nicht in Deutschland. Das Bundesumweltministerium schätzte 2020, dass für die Produktion von rund 10 Mio. Tonnen E-Kerosin (so viel Flugkraftstoff wurden jeweils 2018 und 2019 in Deutschland in Verkehr gebracht) mindestens 270 TWh Strom notwendig seien. 2019 seien aber nur rund 240 TWh Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen worden. "In Deutschland könnten wir vielleicht 20 bis 30 Prozent der Kraftstoffe für die gesamte Mobilität nachhaltig herstellen. Den Rest müssten wir importieren", sagt Prof. Aigner. Und zwar aus Regionen der Erde, wo es viel Energie in Form von Sonnenlicht oder Wind gibt.
Nachhaltiges Kerosin allein reicht nicht aus
Die Nutzung von SAF allein ermöglicht aber keine Trendwende bei den CO2-Emissionen der Luftfahrt ab 2035. Zu diesem Schluss kommt das DLR in der Ende Mai veröffentlichten Studie DEPA 2050 (Development Pathways for Aviation up to 2050). Dabei gingen die Autoren von einer flottenweiten Beimischungsrate von 80 Prozent bis 2050 aus. "Die emissionsbezogenen Analysen der Studie zeigen, dass die Klimaziele für den Luftverkehr bis 2050 nach gegenwärtigem Forschungsstand nicht zu erreichen sind", so Dr. Markus Fischer, Bereichsvorstand Luftfahrtforschung im DLR. Dafür sei zusätzlich eine beschleunigte Entwicklung alternativer Antriebstechnologien nötig.

Nachhaltige Kraftstoffe als schnellster Weg
Prof. Aigner bestätigt dies, ist aber dennoch überzeugt, dass nachhaltige Kraftstoffe der schnellste Weg sind, um die Luftfahrt klimaneutral zu machen. "Technisch und finanziell bekommen wir das hin. Unsere Gesellschaft muss es aber auch wollen."
Herstellung nachhaltiger Treibstoffe
Aktuell sind fünf Produktionsverfahren für SAF zugelassen. Die strombasierte Herstellung, genannt Power-to-Liquid (PtL), steckt in den Kinderschuhen und bedarf noch intensiver Forschung. Zuständig für die Zulassung ist die Standardisierungsorganisation ASTM International.
Hydroprocessed Esters and Fatty Acids (HEFA)
Rohstoffe: alle Formen von nativem Öl oder Fett, z. B. Altfette und Abfälle aus der Nahrungsmittel- industrie (z. B. Tierfette), Pflanzenöle, Fettsäuren aus dem Raffinationsprozess von Ölen und Fetten, Algen
Zulassung: 2011
Fischer-Tropsch (FT)
Rohstoffe: Biomasse unterschiedlicher Herkunft, z. B. Holz, aber auch Hausmüll und Gülle
Zulassung: 2009, eine Erweiterung des Prozesses (für SAF mit erhöhtem Gehalt an Aromaten) wurde separat zugelassen.
Direct Sugar to Hydrocarbons (DSHC)
Rohstoffe: einfache und höhere Zucker, z. B. Zuckerrohr
Zulassung: 2014
Alcohol to Jet (AtJ)
Rohstoffe: zuckerhaltige oder verzuckerbare Biomasse, z. B. Holz, Zuckerrohr, Agave
Zulassung: 2016 für AtJ auf Basis von Butanol
Power to Liquid (PtL)/E-Fuel/E-Kerosin
Rohstoffe: Wasser, CO2 (aus Biogasanlagen, Zementwerken oder der Atmosphäre), Strom aus erneuerbaren Quellen
Wasser wird zunächst mithilfe elektrischer Energie in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Durch Zufuhr von CO2 und anschließender Fischer-Tropsch- oder Methanol-Synthese wird synthetisches Rohöl hergestellt, das zu E-Kerosin weiterverarbeitet werden kann.
Herstellungsprozess ist noch nicht zugelassen.