Anstelle von mindestens sieben Versorgungsflügen zur ISS soll es nun eine Freiflugdemonstration werden, ohne Andocken an die Raumstation: Die NASA streicht das Raumflugzeug Dream Chaser von ihrer Liste der Frachtraumschiffe. Die US-Raumfahrtbehörde und das Unternehmen Sierra Space, das den Dream Chaser entwickelt, haben den CRS-2-Vertrag (Commercial Resupply Services-2) modifiziert, wie die NASA am 25. September mitteilte. Die NASA wird nur noch minimale Unterstützung bei der weiteren Entwicklung des Raumschiffs und der Flugdemonstration leisten.
"Die Entwicklung neuer Raumtransportsysteme ist schwierig und kann länger dauern als ursprünglich geplant", so Dana Weigel, Leiterin des ISS-Programms der NASA in einer Stellungnahme. "Da die NASA und ihre Partner die Außerbetriebnahme der Raumstation im Jahr 2030 ins Auge fassen, ermöglicht diese einvernehmliche Entscheidung die Fortsetzung der Tests und Überprüfungen am Dream Chaser sowie die Demonstration der Fähigkeiten des Raumflugzeugs für zukünftige Versorgungsmissionen in der erdnahen Umlaufbahn."
Eigentlich sollte der Dream Chaser noch dieses Jahr seinen ersten Testflug zur ISS absolvieren. Jetzt spricht Sierra Space von einem geplanten Start zu einer Freiflugmission Ende 2026. Der erste Dream Chaser namens Tenacity (dt. Beharrlichkeit) wurde im Mai 2024 für letzte Tests und zur Integration nach Florida gebracht. Er sollte auf der zweiten Vulcan Centaur der United Launch Alliance (ULA) starten. Einen Monat später gab Sierra Space den Startslot frei, sprach damals aber immer noch von einem Start bis Ende des Jahres 2024. Das Unternehmen gab und gibt nur wenige Updates zum Dream Chaser und möglichen technischen Problemen.
Jahrzehntealtes Konzept
Sierra Space, damals noch Sierra Nevada Corporation, hatte 2016 einen CRS-2-Vertrag der NASA zur Lieferung von Fracht zu ISS erhalten. Der Erstflug war damals für 2020 geplant. Daneben kamen Orbital ATK (heute Northrop Grumman) und SpaceX mit ihren Frachtern Cygnus und Cargo Dragon zum Zug; sie hatten bereits in der ersten Runde 2008 gewonnen. Die Sierra Nevada Corporation hatte den Dream Chaser auch für kommerzielle Astronautenflüge angeboten, aber 2014 gegen Boeings CST-100 Starliner und die SpaceX Crew Dragon verloren.
Die Entwicklung des Dream Chaser begann bereits vor fast 70 Jahren. Die US Air Force vergab 1957, wenige Wochen nach dem Flug des ersten russischen Satelliten Sputnik, einen Auftrag zum Bau eines Raumflugzeugs – die Geburtsstunde der Boeing X-20 Dyna-Soar und weiterer Auftriebskörper. Ein Prototyp der HL-10 (HL steht für "horizontal landing") flog 1966. Ihr Nachfolger, die HL-20, wurde nur als originalgroßes, aber nicht flugfähiges Modell gebaut.
Der US-Raumfahrtunternehmer Jim Benson lizenzierte die Baupläne der HL-20 2006 von der NASA und wollte mit seiner Firma SpaceDev daraus ein Raumschiff für kommerzielle Frachtflüge zur ISS entwickeln. Das Unternehmen wurde 2008, nach Bensons Tod, an die Sierra Nevada Corporation verkauft, die den Dream Chaser weiterentwickelte. 2021 spaltete die Sierra Nevada Corporation ihr Raumfahrtgeschäft in ein eigenes Unternehmen, Sierra Space, ab. Im Juni 2025 gründete Sierra Space den Geschäftsbereich Sierra Space Defense, das sich Programmen für die US-Regierung und das amerikanische Militär widmet.