Vor gut drei Jahren haben China und Russland Pläne für eine gemeinsame Station in der Nähe des Mondsüdpols enthüllt, die sogenannte "International Lunar Research Station" (ILRS). Sie soll bis 2035 aufgebaut werden. Weitere Länder beteiligen sich in unterschiedlichen Formen an dem Projekt: Venezuela, Südafrika, Azerbaidschan, Pakistan, Belarus, Ägypten und Thailand. Auch die Türkei hat sich für eine Mitarbeit an der ILRS beworben.
Die ILRS ist der Gegenentwurf zum Artemis-Programm der USA, in dessen Rahmen eine Raumstation im Mondorbit, genannt Gateway, aufgebaut werden soll. Die ersten Elemente des Gateway sollen frühestens 2025 ins All gebracht werden. Beteiligt sind Kanada, Europa, Japan, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie kommerzielle Partner. Ursprünglich sollte auch Russland Teil des internationalen Projekts sein. 2021 zog sich das Land aber zurück.

Die NASA will zusammen mit der ESA sowie der kanadischen und der japanischen Raumfahrtagentur den Gateway in einem Mondorbit aufbauen.
Auch die ILRS ist mittlerweile hauptsächlich ein chinesisches Projekt. Aber nicht, weil sich Russland zurückgezogen hat. Seit der Invasion in die Ukraine 2022 vermeidet die Volksrepublik, Russland als Partner zu nennen, wenngleich das Land noch offiziell beteiligt ist.
Weltpolitik trifft Raumfahrt
Die Möglichkeiten internationaler Raumfahrtkooperationen sind für Russland seit dem Ukraine-Krieg übersichtlicher geworden. Um ein Projekt wie eine Mondstation zu verwirklichen, bleibt nur der Schulterschluss mit China. Für einen Alleingang fehlen der einst stolzen Raumfahrtnation die Ressourcen. China versucht, in Ermangelung besserer Alternativen, Entwicklungs- und Schwellenländer zur Mitarbeit an der ILRS zu bewegen. Die USA isolieren China in der Raumfahrt seit Jahren.
Zur Vorbereitung der ILRS zieht China seit einigen Jahren ein ambitioniertes Mondexplorationsprogramm durch. Nach einigen international beachteten Erfolgen, beispielsweise der unbemannten Mondrückkehrmission Chang'e 5 im Dezember 2020, soll im Mai Chang'e 6 starten. Das Ziel: Proben vom Mondrückseite zur Erde bringen. Weitere Chang'e-Missionen sind bis 2028 geplant. Noch vor 2030 will China Menschen auf dem Erdtrabanten landen. Dafür werden unter anderem eine neue Rakete, ein neues bemanntes Raumschiff und ein Mondanzug entwickelt.
Große Ziele trotz Rückschlägen
Und Russland? Im vergangenen Jahr war Russlands erste Mondmission seit fast 50 Jahren gescheitert. Die Sonde Luna-25, Teil der ILRS-Vorbereitung, schlug auf der Mondoberfläche auf und wurde zerstört. Juri Borissow, der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, hatte wenige Tage nach dem Absturz ins Spiel gebracht, die Mission eventuell 2025/2026 zu wiederholen. Ob es dazu kommt, ist aufgrund schrumpfender Raumfahrtbudgets und der Sanktionen gegen Russland aber fraglich.
Das hält Borissow aber nicht davon ab, mit großen Ankündigungen Schlagzeilen zu machen. Im März gab der Roskosmos-Chef bekannt, man beabsichtige, bis 2035 einen Atomreaktor auf dem Mond zu installieren. Denn Solarzellen würden für die Energieversorgung einer bemannten Mondstation nicht ausreichen. Eine solche Mission müsste automatisiert und ohne menschliche Präsenz ablaufen. Die nötigen Technologien stünden bald bereit. Ob auf die Worte auch Taten folgen?