Die Hintergründe der laufenden FAA-Ermittlungen wurden erstmals von der Zeitschrift "The New Yorker" gemeldet, deren Autor Nicholas Schmidle sich als Buchautor und ausgewiesener Fachmann eingehend mit dem Thema Virgin Galactic beschäftigt hat.
Zu flacher Steigflug
Demnach gab es beim letzten Start von Virgin Galactic am 11. Juli einen Zwischenfall: Nach dem Abwerfen des Raumgleiters SpaceShipTwo vom Trägerflugzeug habe dieser nach dem Zünden seines Raketenantriebs nicht den erforderlichen Steigwinkel erreicht. Bei einer Geschwindigkeit von über Mach 2 sei die Besatzung durch eine erst gelbe und dann rote Warnanzeige auf das drohende Verlassen des sogenannten "Entry Glide Cones" hingewiesen worden. Dieser Glide Cone ist ein gedachter, trichterförmiger Luftraum, in dem der Weltraumgleiter bleiben muss, um bei der Rückkehr im reinen Gleitflug seine geplante Landebahn sicher erreichen zu können.
Bekanntlich landet SpaceShipTwo, wie einst das Space Shuttle, im reinen Gleitflug, also ohne Durchstartmöglichkeit. Laut New Yorker wäre das normale Verfahren beim unbeabsichtigten Verlassen des "Entry Glide Cones" ein sofortiger Flugabbruch gewesen. Dann hätte SpaceShipTwo mit der verbleibenden Höhe und Energie gefahrlos auf den Startplatz in New Mexico zurückkehren und dort normal landen können. Der Flug am 11. Juli wurde jedoch fortgesetzt, so dass der mitfliegende Unternehmensgründer Richard Branson schließlich doch die für die Anerkennung eines Weltraumfluges nötige Höhe von 80 Kilometern erreichte und damit seinen Konkurrenten Jeff Bezos von Blue Origin beim Weltraumflug mit Passagieren um wenige Tage schlug.
Kontrollierter "Class-A"-Luftraum wurde verletzt
Trotz der Abweichung hatte SpaceShipTwo die nötige Gipfelhöhe und schließlich den Virgin-Landeplatz "Spaceport America" erreicht. Jedoch wurde dabei das geplante und genehmigte Höhenprofil 101 Sekunden lang unterschritten und sogenannter "Class A"-Luftraum, er ist ständig kontrolliert und wird von der FAA für zahlreiche zivile Flüge genutzt, verletzt. Seinen geplanten Kurs über dem Wüstengebiet der einsamen White Sands Missile Range in New Mexico soll der Raketengleiter dagegen nicht verlassen haben.
Wenige Tage nach dem Flug von Unity 22 hatte Virgin Galactic bereits den eigenen Flugdirektor und früheren Testpiloten Mark "Forger” Stucky entlassen. Dieser wirft den Piloten David Mackay und Mike Masucci vor, sie hätten eine rechtzeitige Korrektur des Fluges unterlassen. Die beiden Piloten werden von Virgin Galactic bereits für die nächste Mission Unity 23 eingeplant, mit denen drei Offiziere der italienischen Luftwaffe mit wissenschaftlichen Experimenten ins All starten wollen. Bisher war dieser Start für Ende September oder Anfang Oktober geplant, er hängt aber noch von der vorherigen FAA-Freigabe ab.