Sie trägt das Kennzeichen EC-MFE, ist 31 Jahre alt, flog seit 2015 als Umbaufrachter und gehört der spanischen Swiftair. Die wiederum schickte die Boeing 737-400, die jetzt in Vilnius abstürzte, als DHL-Subunternehmerin seit 2016 für den Paketriesen auf die Reise. So auch am frühen Morgen des 25. November, als die 737 sich am DHL-Hub Leipzig auf den Weg in Richtung Vilnius machte. Gelandet ist sie dort nicht – jedenfalls nicht auf dem Flughafen. Stattdessen erhielten lokale Rettungskräfte um 5:31 Uhr Ortszeit die Nachricht, dass in der Nähe des Airports, beim Autobahnkreuz Liepkalnis, ein Flugzeug abgestürzt sei. Schnell war klar: Es handelte sich um die aus Leipzig kommende EC-MFE.
Es hätte viel schlimmer kommen können
Die bisherige Bilanz des Unglücks am Montagmorgen: ein Toter und drei Verletzte, die von den Notfallkräften allesamt aus dem Flugzeug geborgen wurden. Bei dem Todesopfer soll es sich um einen der beiden Piloten handeln, die verletzten Crewmitglieder kamen zur weiteren Untersuchung in umliegende Krankenhäuser. Weitere Personenschäden gab es lokalen Medien zufolge nicht – und das grenzt an ein Wunder, denn die 737 krachte mitten in ein Wohngebiet und schlug in ein zweistöckiges Wohnhaus ein, in dem sich zum Zeitpunkt des Unglücks zwölf Menschen aufhielten. Flugzeug und Haus gingen in Flammen auf. Alle zwölf Bewohner konnten den Ort des Geschehens jedoch unversehrt verlassen.
Kontrolliert ins Gelände?
Unterdessen läuft in Vilnius die Suche nach der Ursache für das Unglück. Die Absturzstelle befindet sich laut bisherigen Angaben etwa anderthalb Kilometer vor der Pistenschwelle der Runway 19. Der Leiter des Nationalen Krisenmanagementzentrums in Litauen, Vilmantas Vitkauskas, erklärte am Montagmorgen, man ermittle in alle Richtungen und schließe zum aktuellen Zeitpunkt keine Möglichkeit aus, auch keinen Terrorakt. Allerdings deuteten bisherige Informationen eher auf einen technischen Defekt oder menschliches Versagen hin – etwa auf einen kontrollierten Flug ins Gelände (CFIT).
Das Flugunfallportal Aviation Herald notiert zu dem Fall, dass sich die 737 – anhand verfügbarer Transponderdaten – wenige Momente vor dem Unfallzeitpunkt etwa 25 Meter (83 Fuß) unterhalb des normalerweise üblichen Gleitpfads befand. Die Landefreigabe des Towers sei zudem "ins Ungewisse" erfolgt, weil sich die Besatzung nach der Übergabe des Fluges durch die Flugsicherung nicht beim Kontrollturm gemeldet habe. Ein Kommentator des Beitrags bei Aviation Herald schreibt ergänzend dazu: "durchgesickerte ADS-B-Daten deuten darauf hin, dass das Flugzeug im Endanflug eine sehr hohe Sinkgeschwindigkeit und Fluggeschwindigkeit hatte." Das lasse einen kontrollierten Flug ins Gelände wohl am wahrscheinlichsten erscheinen. Laut Aviation Herald lag die Sinkrate zuletzt bei 972 Fuß pro Minute (296 Meter), die Geschwindigkeit über Grund bei 149 Knoten (276 km/h).
Die letzten Meter im Video
Das Video einer Überwachungskamera am Flughafen, das die letzten Meter der 737-400 in der Ferne aufzeichnete, deutet auf den ersten Blick ebenfalls darauf hin, dass die Maschine in der Schlussphase ihres fatalen Anflugs ungewöhnlich schnell sank und zu tief war.
Die Flugunfallermittler versuchen nach eigenen Angaben derzeit, im Krankenhaus mit dem überlebenden Piloten zu sprechen. Bis zu einer ersten konkreten Aussage über den Unfallhergang auf Grundlage gesammelter Beweise werde es wohl rund eine Woche dauern.