Kastenflügel und Druckpropeller, Doppelleitwerk am Heck, dessen Ausleger dazu noch asymmetrisch ist. Schon auf den ersten, und auch auf den zweiten Blick wird klar, der Airbus Racer ist kein gewöhnlicher Hubschrauber. Trotzdem sollen "normale" Helikopterpiloten nach wenigen Minuten Einweisung problemlos damit fliegen können. Das zumindest schildert Airbus-Ingenieur Nicolas Fiore, als er beim Walkaround auf der Paris Air Show in Le Bourget die Besonderheiten des Racer erläutert. Fiore ist verantwortlich für Avionik und Elektrik des Airbus-Testhubschraubers, der dem Konzern technologisch den Weg für künftige Drehflügler-Generationen ebnen soll. "Es braucht nur eine halbe Stunde, um ein Racer-Pilot zu werden", unterstreicht Fiore. Entsprechende Vorbildung vorausgesetzt, versteht sich.
Der größte Unterschied im Cockpit ist ein kleiner, mit der Abkürzung "TCC WHL" beschrifteter Daumenhebel oben auf dem Collective Picth Stick, über den die Blattverstellung der beiden Sechsblatt-Druckpropeller links und rechts angesteuert wird. Die von MT Propeller aus Straubing produzierten Props sorgen beim Racer für den Vortrieb. Schiebt man das Hebelchen nach vorn, beschleunigt der Hubschrauber, nimmt man es zurück, bremst er.

Mit dem kleinen Hebelchen rechts unten im Bild können die Racer-Piloten den Hubschrauber beschleunigen oder abbremsen.
Boxwing und Öko-Modus
Die Schubpropeller sind jeweils über Fernwellen mit dem Hauptgetriebe verbunden. Die Wellen liegen in den oberen Tragflächen des Boxwing-Auslegers und arbeiten mit 3.000 Umdrehungen pro Minute. Die seitlichen Propeller gleichen überdies das Drehmoment des Hauptrotors aus. Der fünfblättrige Spheriflex-Hauptrotor auf dem Dach stammt aus dem Airbus-Mehrzweckhubschrauber H175. Die V-förmigen Kastenflügel erzeugen im Horizontalflug bis zu 50 Prozent des Auftriebs. Infolgedessen kann der Hauptrotor um rund 20 Prozent langsamer drehen, die Rotorblattspitzen bewegen sich konstant im Unterschallbereich, was zu deutlich mehr Stabilität und weniger Vibration führt. Ruderelemente an den Hinterkanten der Boxwings erhöhen die Wendigkeit.
Als Antrieb dienen dem Racer zwei Aneto 1X-Triebwerke von Safran mit jeweils 2.500 Wellen-PS. Airbus plant, in einem "Eco-Mode" genannten Verfahren im Reiseflug routinemäßig eins der Triebwerke abzuschalten, um zusätzlich Kerosin zu sparen. Auch mit nur einem Triebwerk soll der Racer dann noch problemlos 180 Knoten (333 km/h) erreichen. Ein Neustart des Triebwerks soll im Flug binnen fünf bis sieben Sekunden erfolgen. Getestet hat das Projektteam den Eco Mode noch nicht, entsprechende Versuche könnten jedoch gegen Ende des Jahres starten, sofern die dafür benötigten Komponenten bis dahin fertig und eingebaut sind.
Stromlinie und Leichtbau
Gemäß Forderung im Lastenheft soll der Airbus Racer gegenüber konventionellen Hubschraubern der Acht-Tonnen-Klasse im Einsatz 25 Prozent weniger Kerosin verbrauchen. Das Design des Versuchshubschraubers zielt dementsprechend auf möglichst geringen Luftwiderstand ab. Der asymmetrische Heckausleger, dessen Seitenprofil auf der Backbordseite flach und steuerbordseitig dreieckig geformt ist, nutzt den vom Hauptrotor erzeugten Abwind optimal aus und sorgt im Schwebeflug für zusätzlichen Auftrieb. Zur Optimierung von Gewicht und Aerodynamik griff Airbus Helicopters beim Bau der Zelle auf moderne Verbund- und Hybridmaterialien zurück und arbeitete dabei auch mit Zulieferern aus dem Rennsportbereich zusammen.
Von seinem Jungfernflug am 25. April 2024 bis Ende April 2025 war der Racer insgesamt nur etwa 25 Stunden in der Luft. Im weiteren Verlauf des Jahres soll die Flugstundenzahl allerdings deutlich nach oben gehen. Derzeit finden im Schnitt zwei Racer-Flüge pro Woche statt, wie Airbus Helicopters mitteilt. Insgesamt sind im Rahmen der Versuchskampagne rund 200 Flüge mit dem Racer geplant.

Beim Aérosalon in Paris Le Bourget flog der Airbus Racer erstmals vor Publikum - und beeindruckte mit seiner Wendigkeit.
Kein reines Speed-Monster
Nachdem der avisierte Geschwindigkeitsbereich bereits nach kurzer Zeit erflogen und sogar übertroffen war – angesetzt waren ursprünglich "nur" 220 Knoten statt der inzwischen erreichten 240 Knoten (444 km/h) im Geradeausflug -, wird sich das weitere Testprogramm verstärkt ökologischen Aspekten widmen. "Wir streben keinen neuen Geschwindigkeitsweltrekord für Hubschrauber an", unterstreicht Racer-Ingenieur Fiore auf Nachfrage. Dieser wird mit 472 km/h aktuell noch vom Vorgänger-Versuchshubschrauber Airbus X3 gehalten. Der Racer soll jedoch nicht nur schnell sein, sondern auch umweltfreundlich und vor allem praxistauglich. "Ziel war es, hohe Nutzlastkapazität, Agilität im Senkrechtflug, große Reichweite, hohe Reisegeschwindigkeit sowie geringen Treibstoffverbrauch, geringe Emissionen und Lärm zu demonstrieren", beschreibt das von der EU finanzierte Forschungsprogramm Clean Aviation, das ebenfalls in das Racer-Projekt involviert ist.
Wegweiser in die Zukunft?
Pläne für einen Serienbau des Racer hegt Airbus Helicopters indes keine, wenngleich der Hersteller ausdrücklich Nutzungsmöglichkeiten in zahlreichen Sparten sieht, vom innerstädtischen Zubringerverkehr über Such- und Rettungsaufgaben bis hin zum Einsatz als pfeilschneller Ambulanzhubschrauber. Die Erkenntnisse aus den Flugtests könnten entsprechend in künftige Hubschraubermuster einfließen – und eines Tages auch militärisch genutzt werden: Airbus bewirbt sich mit dem Racer-Konzept um den Zuschlag für einen NATO-Hubschrauber der nächsten Generation.