Was sein Portfolio betrifft, so scheint Airbus aktuell in fast allen Bereichen besser aufgestellt als Boeing. Doch es gibt einen Sektor, da hat die Konkurrenz aus Seattle weiter die Nase vorn: Außer der A330 hat Airbus derzeit keinen Frachter im Großraumformat im Angebot – und muss damit wohl oder übel der 777F von Boeing das Feld überlassen. Zumal die A330 deutlich kleiner ist als die Triple Seven, und das Auftragsbuch für die Cargo-Variante seit der Abbestellung dreier A330-200F durch MNG Airlines nur noch ein weißes Blatt darstellt.

Kommt der Frachter? Oder kommt er nicht?
Ändern würde sich diese Konstellation, wenn Airbus seinen größten Widebody-Twin ins Frachterspiel brächte: die A350. Spekulationen darüber gibt es schon seit über einem Jahr – und seit genau so langer Zeit hört man aus Toulouse dazu den folgenden Satz: "Wir schauen immer auf Produktentwicklungen, kommentieren aber keine spezifischen Programme." Hinter den Kulissen allerdings scheint Airbus ziemlich aktiv für einen A350-Frachter zu werben. Das zumindest berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich dabei auf Insider-Quellen.

Kundensuche hinter den Kulissen
Demnach klopfen die Europäer das Interesse möglicher Kunden nach einem solchen Flugzeug ab. Der aktuellste Entwurf auf dem Reißbrett zeige eine leicht verlängerte Variante der A350-900, so Reuters. Allerdings sei die Entwicklung einer Fracht-A350 mit einigen technischen Herausforderungen verbunden. Schließlich beträte Airbus damit Neuland: es würde sich um den ersten Vollfrachter auf CFK-Basis handeln. Experten zufolge ist das Bearbeiten des Verbundwerkstoffrumpfes jedoch komplexer als bei Aluminium. Helfen könnte der Umstand, dass der Rumpf der A350 aus Verbundplatten besteht, die auf ein Grundgerüst aus Aluminium befestigt werden. Anders als die Boeing 787, deren Rumpf aus hintereinander montierten CFK-Hohlzylindern gefertigt wird.

Chancen eher gestiegen als gesunken
Die von Reuters zitierten Insider gehen davon aus, dass die Entwicklung eines A350-Frachters etwa zwei bis drei Milliarden US-Dollar kosten würde. Für einen Programmstart wären demnach etwa 50 Vorab-Bestellungen notwendig. Ob das erreicht wird, ist nicht sicher, schließlich stehen durch die Corona-Krise weltweit unzählige Passagier-Widebodies ungenutzt herum, deren Umwandlung in Frachter deutlich günstiger käme, als die Entwicklung eines neuen Modells. Richard Evans, Senior-Berater bei Ascend by Cirium aus Großbritannien, stuft die Chancen des Projekts "A350F" dennoch als gegeben ein: "Angesichts der Senkung der A350-Produktionsrate ... und des Frachtmarkts als einzigem Lichtblick auf dem Großraummarkt muss man sagen, dass die Wahrscheinlichkeit einer A350F im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist", so Evans gegenüber Reuters.