Wir haben bisher 1281 Aufträge von 79 Kunden", rechnet George Alabi, Regional Director für Product Marketing bei Boeing, beim Gespräch mit der FLUG REVUE Ende Januar stolz vor. "Unser Frachter ist viel erfolgreicher als der Wettbewerber", stichelt er gegen die A330F. Gerade erst hat auch die US Air Force Boeings 767-Programm mit Nachbestellungen für KC-46A-Tanker bedacht und seit Jahresbeginn 2021 für weitere 2,1 Milliarden Dollar erst 12 und dann noch einmal 15 Flugzeuge fest geordert.
Militärversion KC-46A
Damit erhält das Militär nun mindestens 94 "Pegasus"-Tanker, so die US-Militärbezeichnung der KC-46A, interner Boeing-Versionsname 767-2C, von denen Boeing 42 schon gebaut hat. Ein Rahmenvertrag stellt bereits die doppelte Höhe in Aussicht. Die Militärversion KC-46A, K für Tanker und C für Cargo, basiert auf der kurzen Rumpflänge der Boeing 767-200. Erst nach einem erbitterten Duell mit der A330MRTT hatte Boeing den Großauftrag doch noch für sich entschieden.
Viele Kinderkrankheiten
Seitdem ließ sich das US-Militär seine 767-Version aufwendig umrüsten: Das Cockpit erhielt Bildschirme nach Art der Boeing 787. Hinzu kamen militärische Avionik und Funkgeräte. Allerdings litt die neue Technik unter vielen Kinderkrankheiten. So lösten sich bei Tanker-Testflügen wiederholt dessen Frachtverriegelungen im Flug und der Tankausleger ließ sich anfangs nicht fein genug steuern. Deshalb baut Boeing derzeit auf eigene Kosten eine bessere Kamera- und Monitoranlage für die Betankungssteuerung ein und die Air Force selbst finanziert einen verbesserten Tankausleger.
Schlauch-Trichter-Tanksystem
Gleich hinter dem Cockpit, zwischen den vorderen Kabinentüren, wird die verbesserte Monitorkonsole für einen oder zwei Tanksondenbediener eingebaut, der/die mit der Blickrichtung zum Heck sitzt/sitzen. Sie steuern den Tankausleger unter dem Heck über Joysticks und zwei große 3-D-Monitore, wobei sie 3-D-Brillen tragen. Außerdem verfügt jeder Arbeitsplatz über drei kleinere Monitore, die ständig eine 180-Grad-Panoramaansicht unter dem Rumpf rückwärts zeigen, schließlich müssen auch noch die Sonden des Schlauch-Trichter-Tanksystems unter dem Flügel überwacht werden. Hinter dem Tankbedienerabteil sind in der Kabine eine kleine Küchenzeile und eine Toilettenkabine für die Crew und die Passagiere installiert. Seitlich davon befinden sich zwei feste Vierergruppen von Sitzen.

Fensterloser Frachtraum
Dahinter beginnt der fensterlose Frachtraum, in dem man bei Bedarf noch Sitze auf Paletten unterbringen kann. Bis zu 58 Passagiere dürften mitfliegen. Der hohe Laderaum mit steilen Seitenwänden ist durch ein seitliches Frachttor auch für Container und sperriges Ladegut zugänglich und mit einer stabilen Gurtnetzbarriere in Richtung Bug gesichert. Anders als die A330MRTT, die auch als Tanker ihren gesamten Kerosinvorrat im großen Flügel mit 60 Metern Spannweite befördert, nutzt die 767 ihr Unterdeck für Tankbehälter. Dafür kommt Boeings Twin mit kurzen 47,60 Metern Spannweite aus, womit er noch in viele vorhandene Hangars der Vorgängerin KC-135 passt, die nur 40 Meter Spannweite aufweist.
Besonders wirtschaftliches Muster
Die kurze Spannweite ist ein Erbe der 767-Passagierversion. Diese wurde Ende der 1970er-Jahre, nach dem Ölpreisschock, als besonders wirtschaftliches Muster entwickelt. Für US-Airlines war damals klar, der neue Jet – mit zwei Gängen in der Kabine zählt die 767 schon als kleiner Widebody – musste für den US-Inlandsverkehr auch nach LaGuardia passen, den New Yorker Stadtflughafen mit seinerzeit gefürchtet engen Parkpositionen und Vorfeldern.
Verbesserte Triebwerke
Die anfängliche 767-200 wurde mit verbesserten Triebwerken zur langstreckentauglichen Boeing 767-200ER (Extended Range) aufgewertet, die den Zweistrahlerverkehr über dem Nordatlantik, gemeinsam mit der A310, mit ins Rollen brachte. Später wuchs die 767 in der Länge zur 767-300, von der ebenfalls eine verbesserte 767-300ER abgeleitet wurde. Und schließlich streckte Boeing die 767 noch einmal, zur in vielen technischen Details verbesserten 767-400. Diese Version floppte jedoch am Markt und wurde angesichts der neuen 787 nicht weiter verfolgt.

Boeing Converted Freighter
Die 767 überlebte aber als Frachter. Nicht nur als weiterhin neu gebaute 767-300F, sondern auch als Umbaufrachter 767BCF (Boeing Converted Freighter), der aus gebrauchten Passagierjets entsteht. 24 Paletten passen ins Hauptdeck, das in der Ausführung ab Werk 438 Kubikmeter Volumen bietet.
Hohe Einsatzzuverlässigkeit
Nagelneue Frachter lohnen sich für Kunden, die den rund 220 Millionen Dollar teuren Twin auf Hauptstrecken in engem Takt einsetzen wollen und ihn mehrfach pro Tag füllen können. "Der Production Freighter schafft die volle Reichweite und hat die niedrigeren Betriebskosten, den geringeren Verbrauch und die noch höhere Einsatzzuverlässigkeit", vergleicht Boeing-Manager George Alabi die Varianten. "Für den Umbaufrachter nimmt man typischerweise 15 bis 20 Jahre alte Passagierflugzeuge, die man so etwa für 15 bis 20 Millionen Dollar gebraucht bekommt. Nach dem Umbau sind sie noch für über 15 Dienstjahre als Frachter gut. Ein nagelneuer Frachter hält dagegen mindestens doppelt so lange."
Manuelles Frachtladesystem
Manche Kunden wollten ohnehin lieber Neuflugzeuge, berichtet Alabi. So bestellten sich FedEx Express und UPS neue 767-Frachter. Aber die meisten Kunden mischten ihre Flotten gezielt aus neuen und alten Frachtern, genau für das jeweilige Einsatzprofil. Einen Trend hat Alabi bei den Neubestellungen ausgemacht: Immer mehr Airlines bestellten sich ihren neuen Frachter mit manuellem Frachtladesystem. Dieses sei leichter, billiger und wartungsärmer, so die Erwartung der Kunden.

Modernste Cockpitavionik
Dafür stecken diese das gesparte Geld gerne in modernste Cockpitavionik. So kann man bei Collins Aerospace seitenweise verlockende Extras für das 767-Cockpit bestellen: Head-up-Displays, vielfach vernetzte Cockpitanzeigen für präzise Navigation mit Live-Höhenwindupdates und pünktliche Flüge auch in vollstem Luftraum und bei schlechtestem Wetter, und sogar Infrarotkameras im Bug für sichere Landungen bei Nacht und Nebel auf schlechter ausgestatteten Flugplätzen lassen sich optional installieren.
Air-Force-Tanker
Drei 767 kann Boeing pro Monat derzeit bauen. Die räumlich abgetrennte Endmontage befindet sich im gigantischen Hallentrakt von Everett, allerdings an einer Art verschwiegenem Nebeneingang. Grund ist der hier parallele Bau der Air-Force-Tanker, die gemäß strengen US-Militärvorschriften unter ständiger Bewachung und Aufsicht entstehen.
Kunden aus dem Ausland
Übrigens hat auch der Tanker Kunden aus dem Ausland. So orderte nach Italien auch Japan den mittleren Boeing-Zweistrahler. Jüngst, am 8.Februar, startete der erste japanischer Tanker zum Erstflug. Für die zivile 767 ist – auch dank der stabilen Militärfertigung – noch jahrelang eine Produktionsmöglichkeit gesichert. 74 Frachter sind derzeit bestellt. "So lange Airlines sie kaufen, bauen wir sie", verspricht Alabi.
Boeing 767-300F
Triebwerke: GE CF6-80C2B7F mit 276 kN
Länge: 54,9 m
Spannweite: 47,6 m
Höhe: 15,9 m
Kraftstoff: 90 770 Liter
Max. Startmasse: 185 060 kg
Reisegeschwindigkeit: Mach 0.80 oder 850 km/h in 10 700 m Reiseflughöhe (FL350)
Reichweite: 6025 km mit der maximalen Nutzlast von 52,7 Tonnen
Typische Frachtzuladung: 24 Paletten (88x125 Zoll, Kontur), 7 Paletten (96x125 Zoll), zwei LD-2-Container und Stückgut
Boeing 767-2C bzw. USAF KC-46 Pegasus
(Basisflugzeug: 767-200ER)
Triebwerke: PW4062 mit 289 kN
Länge: 50,5 m
Spannweite: 47,5 m
Höhe: 16,1 m
Kraftstoff: 96 265 kg
Max. Startmasse: 188 240 kg
Reichweite: eigen-luftbetankungsfähig
Reisegeschwindigkeit: Mach 0.86
Typische Kabinenkonfigurationen: fest installierte Sitze für bis zu 15 Besatzungsmitglieder, 58 Passagiere (FAA-zugelassen) oder 114 bei Notfall- einsätzen; 18 Frachtpaletten der Größe 463L; Ambulanzeinsatz: 54 Patienten auf Ambulanzpaletten, davon 24 liegend und 30 sitzend oder sechs intensivmedizinische Behandlungseinheiten.
Entwicklung der Boeing 767 im Überblick
1978: Bestellung von 30 Boeing 767-200 durch United für Kurz- und Mittelstrecken.
1981: Rollout und Erstflug.
1983: Um 3,1 Meter verlängerte 767-300, erste Auslieferung 1986.
Danach "ER"-(Extended Range)-Langstreckenversionen mit höhenstartfähiger Hilfsgasturbine (APU), viertem Generator, Avionikkühlung und verbesserter Feuerlöschanlage im Frachtraum.
1999: Rollout und Erstflug der nochmals verlängerten 767-400ER. Heute werden nur noch der Frachter und der Tanker angeboten.