Beim ersten Spatenstich für den Ausbau in Charleston schwärmte Stephanie Pope, Chefin der Boeing-Verkehrsflugzeugsparte, am 7. November vor der Belegschaft: "Ihr baut hier den Dreamliner, das technisch modernste Verkehrsflugzeug der Welt. Es gibt eine enorme Nachfrage nach diesem Flugzeug. Die Kunden lieben die 787 für ihre Effizienz und ihren Passagierkomfort. Wir haben bisher schon über 2200 Bestellungen erhalten. Mit der zweiten Endmontagehalle rüsten wir Boeing South Carolina für viele weitere Jahrzehnte der 787-Produktion."Über eine Milliarde Dollar lässt sich Boeing den großen Ausbau des noch jungen Ostküsten-Standortes kosten, der erst 2009 den Betrieb aufnahm und heute schon 8200 Mitarbeiter beschäftigt. 1000 weitere Boeing-Arbeitsplätze sollen in den nächsten fünf Jahren entstehen, und während der Bauzeit werden noch 2500 Bauarbeiter beschäftigt. Schon 2026 soll hier die 787-Produktionsrate auf zehn Flugzeuge im Monat angehoben werden.

Boeing erweitert den Standort Charleston, um die steigende Nachfrage nach der 787 langfristig bedienen zu können.
Spezialität: Kohlefaser
Aber Charleston endmontiert mittlerweile nicht nur sämtliche Boeing 787, sondern hier entstehen auch Kohlefaser-Baugruppen wie 787-Rumpfsektionen, Triebwerks-Lufteinläufe für die 737 MAX und für die Rolls-Royce F130-Triebwerke der künftigen B-52J. Außerdem baut Charleston in Boeings "Interiors Responsibility Center" 787-Kabinen-Inneneinrichtungen, darunter Gepäckfächer, Verkleidungen und sogenannte Monumente, darunter WC-Kabinen. Außerdem gibt es im Dach der riesigen Endmontagehalle Büros der Entwicklungsabteilung Boeing Research and Technology und ein Auslieferungszentrum für 787-Kundenübergaben. Dreamliner-Flügel sowie Bug- und Hecksektionen liefern Boeings haus- eigene Dreamlifter-Spezialtransporter, umgebaute 747-Frachter, von Partnern aus Japan und Italien nach Charleston. Zur jetzt begonnenen Erweiterung gehören neben der neuen Halle vergrößerte Vorfeldflächen, zusätzliche Produktionsvorbereitungspositionen, mehr Büros sowie eine neue Lackierhalle für 787-Leitwerke.

Mit Programmen wie „DreamLearners“ wirbt Boeing schon früh um technische Nachwuchskräfte in South Carolina.
Ansiedlung funktioniert
South Carolina, ursprünglich ein strukturschwacher und landwirtschaftlich geprägter US-Bundesstaat im Südosten, hatte Boeing mit Ansiedlungshilfen und Steuererleichterungen im Gesamtwert von einer Milliarde Dollar an die Atlantikküste gelockt. Der Flugzeugbauer suchte seinerzeit neue Standorte abseits seiner traditionellen Hochlohnwerke in Washington State und Kalifornien. Anders als in Seattle oder Los Angeles sind in South Carolina auch keine Gewerkschaften als Arbeitnehmervertretung vorgeschrieben. Immerhin hat Boeing seitdem drei Milliarden Dollar in Charleston investiert, wo jeder direkte Boeing-Arbeitsplatz noch einmal 2,6 weitere Jobs im Umfeld sichert. So sind allein 200 Boeing-Zulieferer in South Carolina ansässig geworden. Im Südosten der USA findet Boeing, wie auch Airbus im Werk Mobile, Alabama, Arbeitnehmer zu günstigeren Konditionen. Dafür müssen die Flugzeughersteller, Boeing wie Airbus, diese Mitarbeiter oft aber erst noch umfangreich ausbilden und qualifizieren.
Boeing versucht, Schüler aus South Carolina schon ab der fünften Klasse für den Flugzeugbau zu begeistern. Seit 2012 wurden im Boeing-Programm "DreamLearners" schon eine Million Schüler umworben. Dafür verteilt Boeing maßgeschneidertes Informationsmaterial an Lehrer, stellt Fachleute für Vorträge an Schulen ab und lädt Schülergruppen in die eigenen Werke ein. Auch Studenten technischer und mathematischer Studiengänge umwirbt der Hersteller später gezielt. Außerdem werden die einmal gewonnenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neben ihrer Boeing-Arbeit, in Kursen weitergebildet und höher qualifiziert. "Es ist ein riesiger Vertrauensbeweis für die Menschen und das Geschäftsklima in South Carolina, dass Boeing hier immer weiter investiert", lobte Gouverneur Henry McMaster. "Die Erweiterung stärkt unsere Führungsrolle als ein Weltmarktführer in der Luft- und Raumfahrt und mit fortschrittlichster Fertigungstechnik. Die Partnerschaft mit Boeing eröffnet uns neue Chancen und Wohlstand."

Die Boeing 787 hat sich mittlerweile zum Verkaufserfolg entwickelt.
Hoffnungsträger 787
Für Boeing bedeutet die Kapazitätserhöhung in Charleston, dass man den Verkaufsschlager 787 noch schneller liefern kann und schneller Geld in die Kassen bekommt. Nach kostspieligen Anlaufschwierigkeiten entwickelt sich die Boeing 787 zum Verkaufserfolg. 1000 Flugzeuge sind noch fest bestellt, allein in diesem Jahr kamen 300 Orders hinzu – auch, weil Boeing die 787 ersatzweise statt der 777-9 anbieten kann. In den nächsten 20 Jahren erwartet Boeing weltweit einen Absatzmarkt für 7800 Großraumflugzeuge. Mit der jüngsten Investition in die Infrastruktur setzt Boeing nach Jahren des Improvisierens wieder auf Zuverlässigkeit und Planbarkeit der Lieferungen. Der Erfolg der 787 zeigt aber auch, dass sich ein komplett neues Flugzeugprogramm auf lange Sicht für den Hersteller lohnt.

Eine Boeing 787-10 über der Innenstadt von Charleston.
Die Boeing 787-Familie
- Aufgabe: Langstrecken-Verkehrsflugzeug für rund 200 bis 300 Passagiere
- Besonderheiten: Besonders leichte Struktur aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff, stark elektrische Systemarchitektur
- Antrieb: zwei GEnx-1B oder Trent 1000
- Reichweite: 15 700 km
- bisherige Bestellungen: 2277
- bisherige Auslieferungen: 1245, davon 573 aus Charleston
- Erstflüge: 15.12.2009 (787-8), 17.09.2013 (787-9), 31.03.2017 (787-10)





