Der Riese vom Bosporus: Turkish Airlines fliegt (fast) überall hin

Größtes Streckennetz der Welt
Turkish Airlines, der Riese vom Bosporus

Veröffentlicht am 14.07.2024

Flughafen Istanbul, 21. Mai. Kurz vor 15 Uhr landet Flug TK1524 pünktlich aus Düsseldorf. Statt der üblichen Boeing 787 wurde der Vormittagsflug vom Rhein wegen hoher Nachfrage kurzfristig auf eine noch größere 777-300ER umgestellt. Das bedeutet: maximaler Langstreckenkomfort in der Kabine mit Bordunterhaltungssystem und Schlafsesseln auf dem nur dreistündigen "Zubringer". An der Verpflegung spart Turkish bekanntermaßen nicht, sie gründete für ihr Catering ein eigenes Joint Venture mit der österreichisch-türkischen DO&CO aus Wien. In der Business Class an Bord beginnt das Essen mit einem großen Vorspeisentablett, bevor das eigentliche Speisetablett mit Wunschmenü – auch westlichem – in Restaurantqualität serviert wird. Der besondere Aufwand bei Komfort, Service und Essen überrascht nicht, denn Turkish hat die wohlhabenden, großen Nahost-Airlines vom Golf als Erzkonkurrenten vor der Haustür. Wie diese will sie den Wachstumsmarkt Asien und Indien über ihr eigenes Drehkreuz erschließen und mit Europa und der Welt verknüpfen, und dazu umwirbt sie die Passagiere. An Bord "unserer" 777-300ER reisen heute gefühlt ein Drittel Passagiere aus Deutschland mit türkischen Wurzeln, die vermutlich noch innerhalb der Türkei weiterreisen wollen, etwa zum Familienbesuch, ein Drittel jüngere Geschäftsleute und ein Drittel Globetrotter auf dem Weg zu Langstreckenzielen in Asien, die in Istanbul umsteigen.

IGA

Drehkreuz Istanbul

In Istanbul ist alles etwas größer. Die bereits 2700 Jahre alte Metropole ist mit ihren 15,8 Mio. Einwohnern allein im engeren Stadtgebiet die bei Weitem größte Stadt Europas, ein gewaltiger Ballungsraum weit vor Berlin, London, Paris und Moskau und etwa auf dem Größenniveau von New York. An Europas Brücke zu Asien hat man, wie auch auf dem neuen Riesenflughafen "Istanbul Grand Airport" (genannt "iGA"), der ganz im Norden der Riesenstadt an der Küste des Schwarzen Meeres liegt, das Gefühl "chinesischer Ausmaße". Wie sonst nur in fernöstlichen Metropolen findet man hier extrem ausgedehnte Flughafenanlagen. Dies erfordert zwar kleine Fußmärsche imgigantischen Terminal (aber auf Laufbändern), dafür sind aber alle Anlagen so ausreichend dimensioniert, dass die Einreise auch bei großem Andrang, wie bei Ankunft der FLUG REVUE, dank vieler Parallelschlangen nahtlos und schnell funktioniert und der Flughafen sehr pünktlich arbeitet. Mit perfekter Organisation, Sauberkeit, auffallend gepflegten Anlagen und sehr viel Servicepersonal punkten die Türken hier überall. Kommt man direkt aus Deutschland, hat man hier das Gefühl, auf ein deutlich höheres Serviceniveau aufzusteigen.

IGA

Wachstumsziele und Strategie

"Die Verlagerung globaler Reiserouten von den traditionellen USA-Europa-Strecken hin zu USA-Asien und Europa-Asien ist für uns strategisch vorteilhaft. Istanbul liegt perfekt, um von diesen Veränderungen zu profitieren, was Turkish Airlines ermöglicht, als Tor zwischen den Kontinenten zu agieren und für eine breitere Reisendenbasis attraktiv zu sein", erläutert Ahmet Olmus¸tur, Chief Commercial Officer bei Turkish Airlines, gegenüber der FLUG REVUE die Strategie. "Dank des neuen Flughafens in Istanbul mit zusätzlichen Slots und Kapazitäten konnten wir die Umsteigedauer verkürzen und unser Wachstum in bestehenden und neuen Märkten ankurbeln", so der Geschäftsführer. Beeindruckende 346 Ziele in 130 Staaten, darunter sind 80 innerhalb von drei Flugstunden erreichbar, steuern die Türken im Linienverkehr an. Im März kam mit Melbourne die erste australische Stadt hinzu. Für den Kontinent "Down Under" hat sich Turkish Ende 2023 im Rahmen eines Großauftrages sogar eine eigene Spezialflotte von 15 Airbus A350-1000 bestellt, die den langen Weg nonstop schaffen. "Kürzlich haben wir unser 450. Flugzeug in Dienst gestellt. Bis 2033 planen wir, unsere Flotte auf über 800 Flugzeuge zu erweitern und unser Passagiernetz auf mehr als 400 Ziele weltweit auszudehnen", sagt COO Ahmet Olmus¸tur.

AirTeamImages / Mehrad Watson

Wirtschaftliche Herausforderungen und Erfolge

Natürlich kommt man angesichts der hohen türkischen Inflationsrate (75,45 Prozent im Mai) nicht umhin, nach der wirtschaftlichen Lage des ehrgeizig wachsenden Unternehmens zu fragen. "Wir erwarten, dass wir 2025 die sechstprofitabelste Fluggesellschaft der Welt sind," entgegnet Ahmet Olmus¸tur. "Wir haben immer ein zweistelliges Wachstum geplant und es auch erreicht: In den letzten 19 Jahren haben wir fast jedes Jahr einen Gewinn erwirtschaftet und die Zahl der stündlichen Starts und Landungen auf 120 erhöht. In Bezug auf angebotene Sitzmeilen (Sitze mal Strecke) sind wir die führende Fluggesellschaft in Europa und die zweitgrößte Fluggesellschaft nach Zahl der Flüge und Sitzplätze. Weltweit liegen wir an achter Stelle aller Fluggesellschaften. Wir konzentrieren uns auf Wachstum, Effizienz und Ertragssteigerung, ohne Kompromisse bei der Kundenzufriedenheit einzugehen. Trotz globaler wirtschaftlicher Herausforderungen verfolgen wir Expansionsmöglichkeiten und strikte Kostendisziplin." Laut Geschäftsbericht hilft die weiche Inlandswährung Turkish sogar deutlich bei den Kosten, während die Airline viele Einnahmen in harten Dollar erzielt.

Turkish Airlines

Umfangreiches Personaltraining

Dass die Türken es mit ihrem Wachstum ernst meinen, merkt man auch an der Infrastruktur zum Personaltraining. Die FLUG REVUE durfte das moderne, 41000 Quadratmeter große Simulatorzentrum am alten Atatürk-Flughafen besichtigen, wo nicht weniger als 27 Flugsimulatoren und große, teilweise bewegliche Kabinenattrappen für die Flugbegleiterausbildung stehen. 814 Ausbilder kümmern sich hier pro Jahr um bis zu 1913 Piloten und Flugbegleiter. Die Kurse reichen vom Brandschutztraining im feuerfesten Kabinentrainer über Evakuierungsübungen und das Überleben auf See bis hin zu Schmink- und Servicekursen. Die Piloten, darunter auch von Fremdkunden, erwerben hier die Type Ratings für ihre Einsatzmuster, darunter Boeing 737-800, 737 MAX 8, 787, 777, Airbus A320-Familie, A330 und A350.

Airbus

Seit 2008 Mitglied der Star Alliance

Mithilfe von Lufthansa trat Turkish 2008 der Star Alliance bei. Spätestens damals wurden auch viele deutsche Passagiere auf die Bosporus-Airline aufmerksam. "Der deutsche Markt ist aufgrund der starken Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sowie der großen türkischen Diaspora in Deutschland von großer Bedeutung", bestätigt Olmus¸tur. Mit elf Destinationen in Deutschland, darunter Hamburg, Berlin, Düsseldorf und München, erfülle man die Bedürfnisse von Geschäfts- und Urlaubsreisenden.