Die Flugzeuge des DLR
Europas größte Forschungsflotte

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) verfügt über die größte zivile Forschungsflotte in Europa. Unterhalt und Betrieb der aktuell zwölf Fluggeräte sind nicht gerade günstig. Dennoch lohnt sich dieser Aufwand, gerade auch in der Zukunft.

Europas größte Forschungsflotte
Foto: DLR

Vom Segelflugzeug bis zum Airliner, vom Oldtimer-Hubschrauber bis zum Hightech-Business-Jet: Das DLR betreibt an den Forschungsflughäfen Braunschweig und Oberpfaffenhofen eine bunte Flotte. Forschungsflüge zählen seit spätestens den 1960er-Jahren zum Repertoire des DLR und seiner Vorgängerorganisationen. Doch wozu braucht man Forschungsflugzeuge? "Es gibt zwei Kerngründe: zur Weiterentwicklung der Flugzeuge selbst und als Plattform, um Messungen an unzugänglichen Orten durchzuführen", sagt Dr. Burkard Wigger, Leiter der Einrichtung Flugexperimente beim DLR. Von Braunschweig aus starten die Flugzeuge meist in der ersten Funktion, dabei geht es schwerpunktmäßig um Forschungsarbeiten zu Aerodynamik, Aeroelastik, Flugsysteme und Flugverkehrsmanagement. Von Oberpfaffenhofen aus heben die Flugzeuge überwiegend in der zweiten Funktion ab, als Mess- und Sensorplattformen für die Atmosphären-, Klima- und Umweltforschung. Das wohl bekannteste Exemplar dieser Kategorie ist die Gulfstream G550 HALO (High Altitude and Long Range), die das DLR seit 2009 zusammen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, dem Forschungszentrum Jülich, dem Karlsruher Institut für Technologie und dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig betreibt.

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DLR (CC BY-NC-ND 3.0)
Die Gulfstream G550 HALO mit dem Kennzeichen D-ADLR sammelt mithilfe seines Nasenmasts und den zahlreichen Modifikationen allerlei Atmosphärendaten.

Zahlreiche Modifikationen

Der HALO ist jährlich rund 400 Stunden in der Luft, zuletzt über dem Amazonas-Regenwald in Brasilien, um Daten zu den chemischen Prozessen in der noch sauberen Atmosphäre dieser Gegend zu sammeln. Die nächste Mission wird schon vorbereitet. Das Flugzeug ist in den kommenden fünf Jahren ausgebucht. Die G550 ist ein gutes Beispiel dafür, wie speziell die DLR-Forschungsflieger sind. "Sie hat sehr viele Modifikationen. Wir haben auf der Oberseite 14 und auf der Unterseite 9 Durchbrüche in unterschiedlichen Größen, wo wir Einlässe, Auslässe, Antennen, optische Fenster und Sonstiges in die Außenhaut einbauen können, um Gase, Funksignale, Licht, Laser, LiDAR rein- und rauszubringen. Wir können Außenanbauten anbringen im sogenannten Belly Pod, beispielsweise optische Sensorsysteme zur Messung von Spurengasen. Der Nasenmast mit seiner Sensorik, die im DLR eigenentwickelt wurde, liefert Luftdaten, die um ein, zwei Zehnerpotenzen besser und genauer sind als alles, was das Flugzeug selbst kann", schwärmt Wigger. Die Modifikationen verdrei- oder vervierfachen den Wert des Flugzeugs über die gesamte Lebensdauer, schätzt er.

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Das DLR nutzt seine Forschungsflugzeuge deshalb solange es geht. Der Business-Jet Dassault Falcon 20E-5 ist neben dem Hubschrauber vom Typ Bo 105 das älteste Muster und steht seit 1976 im Dienst des DLR. Von Oberpfaffenhofen aus wird die Falcon 20 hauptsächlich zur Atmosphärenforschung, aber auch für die Erprobung neuer Instrumente und Verfahren eingesetzt. Bekannt wurde sie nicht zuletzt als Abgasstrahl-Jäger, der den Schadstoffausstoß vorausfliegender Flugzeuge vermisst. Mit 46 Jahren leide die Falcon 20 nun aber zunehmend unter Alterskrankheiten. "Wir haben deswegen ein Programm gestartet für den Ersatz durch ein neues Flugzeug", sagt Wigger.

Gesucht wird ein Nachfolger in einer ähnlichen Größenordnung. Er muss drei wichtige Anforderungen erfüllen: Für die Abgasvermessung sollte er in der Lage sein, in einem geringen Abstand von nur 50 bis 100 Metern hinter einem anderen Flugzeug herzufliegen, von der Größe und Nutzlast her muss er für die Unterbringung der Messinstrumente geeignet sein und genügend Performance bereitstellen, um einem Verkehrsflugzeug in normaler Betriebsumgebung folgen zu können. Die Ausschreibung für das neue Forschungsflugzeug läuft seit Ende 2022, sein Name steht auch schon fest: ASTAR (Atmospheric and Remote Sensing Test and Research aircraft). Bis etwa 2029 muss die Falcon 20 aber noch durchhalten. Dafür bekommt sie eine weitere Lebensverlängerung, dazu zählt auch ein großer Korrosionscheck.

DLR (CC BY-NC-ND 3.0)
Die Dassault Falcon 20E-5 ist im Dienst des DLR seit 1976. Sie ist eines der ältesten Forschungsflugzeuge und dient unter anderem der Umwelt- und Klimaforschung sowie der Messung von Emissionen vorausfliegender Flugzeuge.

Neuzugänge

Der jüngste Neuzugang des DLR, die D-CEFD, ist eine Dornier 228. Sie ist das dritte Exemplar dieses Typs in der Flotte. "Das ist ein unheimlich wertvolles Flugzeug für uns, weil extrem robust, einfach und günstig." Eine der beiden Propellerturbinen der "Foxtrott-Delta" wird gemeinsam mit MTU Aero Engines in Oberpfaffenhofen durch einen Brennstoffzellenantriebsstrang mit 600 Kilowatt Leistung ersetzt. Der Erstflug ist für die Mitte des Jahrzehnts geplant. "Am Ende wird der Flieger sehr stark modifiziert sein. Wenn er fliegt, werden alle sagen: Das war echt eine Leistung."

Einen anderen Zweck erfüllt künftig das zweitjüngste Flugzeug der Flotte, die Falcon 2000LX ISTAR (In-flight Systems and Technology Airborne Research). Sie soll ab der zweiten Jahreshälfte mit einer experimentellen Flugsteuerung ausgestattet werden. "In rund drei Jahren werden wir dann die Möglichkeit haben, das Flugzeug auch aus dem Experiment heraus voll und ganz zu steuern." Das Verhalten von anderen Flugzeugen, auch solchen, die noch gar nicht gebaut wurden, kann dann nachgebildet werden. Man spricht dabei von In-flight-Simulation. Das ist interessant für Versuche, die mit der Integration von unbemannten Fluggeräten in den zivilen Luftraum zu tun haben, aber auch für Flugzeugneuentwicklungen.

Fliegender Teststand

Das größte Mitglied der DLR-Flotte, der Airbus A320 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft), wird auch bald wieder fliegen – nach mehr als zwei Jahren Pause. Derzeit ist er in einer Halle in Braunschweig eingelagert und erfährt nur eine Minimalwartung. Eigentlich wollte sich das DLR vom ATRA, der vor allem für die Forschung in Sachen Aerodynamik und Lärmverringerung unterwegs war, trennen, unter anderem aus Kostengründen. "Wir hatten aber keine Chance, das Flugzeug sinnvoll an einen anderen Betreiber zu verkaufen. Es hat einfach so viele Modifikationen aus Flight-Tests, dass kein Mensch der Welt es wieder in einen Airliner zurückbauen könnte", erklärt Wigger. Das Flugzeug in ein Museum zu stellen, kam aber nicht infrage. "Forschungsseitig ist es noch für viele Jahre, sogar Jahrzehnte gut." Man habe deswegen nach alternativen Verwendungen gesucht – und eine gefunden: In einer langjährig angelegten Zusammenarbeit mit Airbus Defence and Space wird der ATRA künftig als fliegender Teststand eingesetzt, "um bestimmte militärische Anwendungen zu unterstützen", sagt Wigger. Beispielsweise können Sensoren und Systeme so vor ihrem eigentlichen Einsatz getestet und validiert werden. Ab Mitte 2023 wird die A320 voraussichtlich wieder in Betrieb genommen.

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Das größte Flottenmitglied, der Airbus A320 ATRA (vorne), darf nun doch weiter fliegen. Ab Mitte 2023 wird er in Zusammenarbeit mit Airbus DS als fliegender Teststand eingesetzt.

Für Wigger und sein Team ist der Weiterbetrieb des ATRA ein Gewinn. Eine große Flotte helfe dabei, das Personal geschult zu halten und die Fähigkeiten der Einrichtung zu stärken. Das DLR ist vom Luftfahrt-Bundesamt als luftfahrttechnischer Betrieb, als CAMO (Continuing Airworthiness Management Organisation) und als Instandhaltungsbetrieb anerkannt. Modifikationen an den Flugzeugen und Instandhaltungsarbeiten dürfen selbstständig durchgeführt werden. 155 Mitarbeiter sind aktuell im Forschungsflugbetrieb beschäftigt, darunter Fluggerätmechaniker und -elektriker, CAMO-Mitarbeiter, Flugversuchsingenieure, Projektmanager, Mess- und Sensortechniker sowie Piloten.

In die Zukunft investiert

Dass der ATRA wieder fliegen soll, hat nach Ansicht von Wigger noch einen Vorteil: "Wir nutzen Steuergeld sinnvoll weiter." Das entspricht der Philosophie, die Flugzeuge so lange für die Forschung einzusetzen wie nur möglich. Rund 1500 Stunden sind die DLR-Flieger in Summe pro Jahr in der Luft und absolvieren dabei durchschnittlich 50 große und kleine Flugversuche. Die Experimente können je nach Dauer und Komplexität zwischen 1000 Euro und mehreren Millionen Euro kosten. So ist es nicht verwunderlich, dass für den Gesamtbetrieb der Forschungsflotte jährlich ein zweistelliger Millionenbetrag anfällt. Das Geld sieht Wigger gut investiert, auch in Zukunft. Daran änderten auch die immer besser werdenden Möglichkeiten der numerischen Simulation nichts. "Ich sehe in den nächsten 10, 20, 30 Jahren sogar steigenden Bedarf an Forschungsflugzeugen, weil wir zwei riesengroße Themen vor uns haben: erstens in ultraschneller Geschwindigkeit Klimaneutralität herzustellen und zweitens automatisierten Verkehr mit bemanntem Verkehr zu kombinieren."

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