Normaler Flugbetrieb herrscht auf dem alten Caldener Flugplatz schon seit fast zehn Jahren nicht mehr. Auf der Asphaltpiste 04/22 parken Tausende Autos, Leasing-Rückläufer auf dem Weg zum Händler. Auf dem Vorfeld hält die hessische Landespolizei Fahrsicherheitstrainings ab. Fliegerisch ausgestorben ist der Flugplatz trotzdem nicht. Regelmäßig starten und landen hier Hubschrauber: H120, H135, H145, H155 und H225. Denn in Calden befindet sich einer von vier MRO-Standorten (Maintenance, Repair and Overhaul, auf Deutsch: Instandhaltung, Reparatur und Überholung) von Airbus Helicopters Deutschland (die anderen sind in Baden-Baden, Bückeburg und Augsburg). Angeboten wird die ganze Bandbreite der Line- und Base-Maintenance bis hin zur Generalüberholung inklusive Lackierung. Zum MRO-Center mit seinen insgesamt rund 80 Mitarbeitern gehören auch ein Part-21-Entwicklungsbetrieb und CAMO (Continuing Airworthiness Management Organisation, zuständig für die Lufttüchtigkeit der Hubschrauber). Bevor es in eine der sechs Hallen geht, werden die Hubschrauber in der Regel zunächst während eines Eingangsflugs begutachtet. Nach Abschluss der Arbeiten testen der Werkspilot sowie Elektrik- und Mechanikprüfer den Heli ausgiebig in der Luft, bevor er zurück an den Kunden geht. Privatleute, Geschäftskunden und öffentliche Auftraggeber aus ganz Europa setzen auf die Instandhaltung ihrer Hubschrauber bei Airbus Helicopters in Calden. Rund 40 Mitarbeiter sind in der Werft tätig, zwölf Docks stehen für die Arbeiten zur Verfügung. Bei unserem Besuch sind fast alle belegt, hauptsächlich mit EC135 beziehungsweise H135. Aber auch eine H155 und eine Super Puma sind zu Gast.

Sicherheit im Blick
Checkflüge finden an diesem Tag nicht statt. Eine EC135 wird aber nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Calden auf ihren ersten Flug am nächsten Tag vorbereitet. "Die Anspannung davor ist groß", sagt Mathias Nagler, Fluggerätmechaniker und Luftfahrtprüfer. Mehr als 1000 Mannstunden stecken in dem Hubschrauber. Nagler gibt als C-Prüfer das gesamte Fluggerät nach Base-Maintenance-Tätigkeiten wieder frei für den Flugbetrieb – oder schickt es zurück ins Dock für Nacharbeiten. Sicherheit hat in der Instandhaltung – ob von Flugzeugen oder Hubschraubern – höchste Priorität. Bei Airbus Helicopters in Calden gilt deshalb sogar das Sechsaugenprinzip: Einzelne Tätigkeiten an Mechanik und Elektrik werden von sogenannten B1- und B2-Prüfern bestätigt. Zusätzlich schaut ein Prüfer, der nicht an dem Hubschrauber beteiligt war, über die Arbeiten und die Dokumentation, bevor am Ende die Freigabe durch den C-Prüfer erfolgt. Vertrauen in die Fähigkeiten und Gewissenhaftigkeit der Mitarbeiter ist aber unerlässlich. "Das Team ist das Wichtigste", sagt Nagler. Die EC135 ist einer der 18 orangefarbenen Zivilschutzhubschrauber des Bundesinnenministeriums, die seit Herbst 2019 und noch bis Herbst 2023 bei Airbus Helicopters in Calden sukzessive aufgemotzt werden. Neben einem großen Check, der nach 1000 Flugstunden oder alle drei Jahre fällig ist, erhalten sie ein umfassendes Retrofit: moderne Garmin-GTN-650-Navigationsgeräte mit farbigen Touchscreens, neue Transponder sowie digitale Handfunkgeräte. Das verlängert die Lebensdauer der hochbelasteten Rettungshubschrauber, die 2007 und 2008 in Dienst gestellt wurden, noch einmal um mehrere Jahre.

Retrofit-Großprojekt
Ihr knalliges Orange dominiert in der südwestlichsten Halle des MRO-Centers. Zwei EC135 stehen in den Docks, ausgeweidet. Die Rotorblätter sind abmontiert, ein Heckausleger ist quer hinter der zugehörigen Zelle aufgebockt. Die Cowlings wurden entfernt. Ein Arrius-Triebwerk steht noch auf einem Tisch, nachdem Module ausgetauscht wurden. Türen, Sitze und Kabinenverkleidungen haben die Mitarbeiter ausgebaut, auch vom Cockpit ist nur noch das leere Instrumentenpanel übrig. Unter dem Bug liegt ein Mitarbeiter mit Stirnlampe in einem Liegesitz, über ihm ein Gewirr aus Kabeln. Er bündelt den vermeintlichen Kabelsalat mithilfe von Wachsband zu ordentlichen Strängen. Dasselbe macht der Auszubildende in der Kabine. Die Kabel führen vom Avionik-Deck im Heck bis vorn in die Nasenspitze des Hubschraubers, wo später die neuen Cockpitgeräte angeschlossen werden. Die Elektrik muss dabei besonders geschützt werden: Kabelstränge erhalten ein Kleid aus robustem Gewebe, damit sie durch die Vibrationen im Betrieb nicht aufscheuern, Steckverbindungen und Anschlüsse werden mit Verriegelungsbügeln oder Schrauben vor dem Rausrutschen gesichert. Drei bis fünf Monate verbringt jeder der orangefarbenen Helis in der Werft. "Ein Drittel aller Arbeiten ist geplant, zwei Drittel sind ungeplante Beanstandungen", sagt Nagler. Wenn zum Beispiel die Spänewarnanzeige des Hauptgetriebes Alarm schlägt, muss es ausgetauscht werden, auch wenn dies nicht Teil des ursprünglich geplanten Arbeitspakets war.
Keine Zeit für Langeweile
Die EC135 oder H135 ist das derzeit am häufigsten im MRO-Center in Calden zu findende Hubschrauber-Modell. Langweilig wird die Arbeit daran trotzdem nicht. "Es gibt Unterschiede zwischen den Serialnummern, bei Bauteilen, Metallarbeiten, Klappen, Verschlüssen, in der Kabelverlegung", zählt der Fluggerätelektroniker und Prüfer Daniel Barwe auf. Selbst bei den orangefarbenen Zivilschutzhubschraubern sei keiner gleich wie der andere. Hinzukommen unterschiedliche Ausstattungen je nach Betreiber. Barwe genießt die Abwechslung. Er hat zuvor bei der Bundeswehr in Fritzlar am Tiger gearbeitet sowie bei einem Hubschrauber-Wartungsunternehmen in Mittelhessen. In der Halle nebenan sind die Instandhaltungsmitarbeiter ebenfalls mit einer umfangreichen Avionik-Nachrüstung und der 1000- Stunden-Kontrolle von insgesamt 24 EC135 eines weiteren Kunden beschäftigt. Die dunkelblauen Hubschrauber der Bundes-polizei erhalten unter anderem neue Downlink-Antennen, Navigationsgeräte, Transponder sowie einen neuen Arbeitsplatz für den Kamera-Operator. Gleichzeitig werden die Hubschrauber um nicht mehr benötigte Geräte und Kabel entschlackt.

Handarbeit bei der Überprüfung
"Am Ende eines Retrofits werden sämtliche Leitungen ‚durchgeklingelt‘", erklärt Barwe. Auch wenn die Technik moderner wird: Gemessen wird immer noch von Hand. Manchmal fördern die Elektroniker so auch Fehler zutage. Die Suche nach der Ursache, zum Beispiel einer losen Verbindung, ist eine Geduldsprobe. Neben der Avionik wird auch die Mechanik überprüft. Rotorblätter und Heckrotor werden, nachdem sie wieder montiert sind, ausbalanciert und der Blattspurlauf wird eingestellt. Bei einem Ground Run werden anschließend die Vibrationen mittels Sensoren und der Spurlauf optisch gemessen. Es folgen Tests im Schwebeflug, bevor es in größere Höhen geht
Testen, Testen, Testen
Im Flug werden beispielsweise die Triebwerke, das Drehmoment sowie die N1- und N2-Drehzahlen genauer unter die Lupe genommen und richtig eingestellt, ebenso die neu eingebaute und programmierte Avionik. Insgesamt kommen, je nach Heli und Art der zuvor durchgeführten Arbeiten, 50 bis 100 Stunden für Tests zusammen, davon rund 10 für Flugtests. Luftfahrtprüfer wie Matthias Nagler und Daniel Barwe sitzen dabei links neben dem Piloten und arbeiten das Testprotokoll ab. "Fliegen ist das Geschenk für die eigene Arbeit", sagt Barwe. Und es sorgt dafür, dass doch noch ein bisschen Flugbetrieb auf dem alten Caldener Flugplatz herrscht.