Auf der diesjährigen Ingenieurstagung des American Institute of Aeronautics and Astronautics in Atlanta wartete Boeing mit einem besonderen Thema auf: Kein geringerer als Kevin Bowcutt, Boeings leitender Hyperschall-Forscher, stellte ein Flugzeugkonzept mit Mach-5-Fähigkeiten vor, das seine Forscher derzeit „studieren“. Zu den vielen Anwendungsmöglichkeiten gehöre auch der Passagiertransport. „Hyperschalltechnik würde die Welt schneller als jemals zuvor miteinander verbinden“, schwärmte der hochrangige Forscher. „Boeings Erfahrungen aus sechs Jahrzehnten Hyperschallforschung machen uns zur geeigneten Firma, die diese Technik zur Marktreife bringen könnte.“
In der Tat hat Boeing mit der von Kevin Bowcutt für die US Air Force entwickelten, unbemannten X-51A erstmals ein erfolgreiches Hyperschall-Testluftfahrzeug an den Himmel gebracht, das 2013, nach dem Abwurf von einer B-52 und dem Beschleunigen mithilfe einer Booster-Rakete auf Mach 4.8, sein eigenes Triebwerk zündete und 210 Sekunden lang mit Mach 5.1 flog. Nach Brennschluss stürzte es, wie geplant, in den Pazifik.

Staustrahl braucht Hilfe
Die Triebwerke sind bei Hyperschall-Flugkörpern das entscheidende Bauteil. Die Staustrahltriebwerke mit Überschallverbrennung (Scramjet) verzichten auf bewegliche Teile wie Fanschaufeln und Verdichter. Stattdessen nutzen sie die Überschall-Luftströmung zur Verdichtung. Anders als bei Raketen stammt der Sauerstoff zur Verbrennung aus der Atmosphäre. Deswegen sind Scramjets vergleichsweise wirtschaftlich. Kehrseite der Medaille: Sie müssen erst einmal mit einem weiteren Antrieb auf Überschalltempo gebracht werden, um überhaupt zünden zu können. Also braucht man noch eine Rakete oder eingebaute Strahltriebwerke für die Beschleunigungs- und Landephase. Ein Hyperschall-Verkehrsflugzeug könnte, bei entsprechender Reichweite, jeden Punkt der Erde in drei Stunden erreichen. Ein verlockender Gedanke, besonders in Hinblick auf bisher quälend lange Transpazifikflüge. Dazu bräuchte man aber die geeigneten Triebwerke, die zuvor für Militärprogramme und auf Militärrechnung entwickelt werden müssten.
Möglicherweise ist dies aber schon heute, unter Geheimhaltung, der Fall. Und vielleicht ist genau diese Tatsache der Auslöser für Boeings jüngste Verkehrsjet-Überlegungen, zu der nähere Daten noch nicht genannt wurden. Bevor überhaupt ein Passagierflugzeug mit Hyperschall fliegt, wären auch noch Umweltfragen wie Überschallknall, Abgas und schließlich die Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Bis es vielleicht einmal soweit ist, haben die Forscher also noch komplizierte Aufgaben zu lösen.