Ein imposanter Feuerball markiert mit ohrenbetäubendem Donnerschlag am kühlen Morgen des 4. November den Beginn der Übung am Köln Bonn Airport. Angenommenes Szenario: Bei dichtem Nebel sind zwei voll besetzte Passagierflugzeuge am Boden kollidiert, es brennt. Zusätzliche Erschwernis: Passagiere eines benachbarten, dritten "Flugzeugs" – hier dargestellt durch einen voll besetzten Vorfeldbus – haben das Unglück aus nächster Nähe mitbekommen und irren, nun selbst in Panik und unter Schock stehend, über das Vorfeld, was die Rettungsarbeiten zusätzlich behindert. Der Kölner Kontrollturm hat die Explosion beobachtet und per Standleitung sofort die Flughafenfeuerwehr alarmiert. Wenige Sekunden verstreichen, bevor man deren Sirenen aus der Ferne heraneilen hört. Nur die Flughafenfeuerwehr darf im Einsatz quer über alle Rollwege und Startbahnen fahren, der Tower hält ihr dazu alle benötigten Wege frei und stoppt sogar den Flugbetrieb. Mit Vollgas rast die Feuerwehr in Kolonne über Kölns Frachtvorfeld zum heutigen Unglücksort, Kölns Vorfeldbereich "A".

Für die aufwendige Übung und den passenden Knalleffekt gab es Hilfe von TV- und Filmspezialisten.
Flugzeugoldies spielen mit
Die halbinselartige Übungsfläche nahe des "Moxy"-Hotels wurde für die Übung ausnahmsweise abgesperrt. Eine alte BAe-146-300, die frühere D-AMAX, und eine Fokker F27-600F, die frühere D-BAKD, sowie der besagte Bus markieren heute hier die Unglücksraben. In Dreierformation übernehmen Rosenbauer-Löschfahrzeuge "Panther 8x8" der Flughafenfeuerwehr das Vorauskommando und arbeiten sich nahe der linken Cockpitseite koordiniert voran. Mit massiven Wasserschwallen belegen sie die "brennenden" Flugzeuge aus ihren Wasserkanonen und bedecken deren Oberflächen mit tonnenweise Wassernebel;aus Umweltschutzgründen heute ausnahmsweise ohne Schaumbeimischung.

Leistungsfähige Wasserkanonen können das Feuer binnen kurzer Zeit ersticken.
Löschwasser wird geklärt
Die Flügel-Außenhaut der zuvor schwärzlich verwitterten BAe sieht schon nach wenigen Sekunden Wasserkanonade aus wie neu. An den ablaufenden Wasserlachen und eindrucksvoll großen Pfützen sieht man, welche Wassermassen hier in kürzester Zeit ausgebracht werden können. Das Vorfeldwasser wird übrigens in einem getrennten Abwasserkreislauf, der separat spezialgeklärt wird, aufgefangen. Zurück zur laufenden Übung: Unter höchstem Zeitdruck gilt es jetzt, das Leben der Flugzeuginsassen zu retten. Sie haben nur wenige Sekunden Zeit, dem Inferno aus sengender Hitze und giftigem Rauch zu entkommen. Doch die meisten Kabinentüren bleiben zu, Notrutschen sind nicht zu sehen, die Passagiere und Crews brauchen Hilfe von außen. Unter schwerem Atemschutz öffnen Feuerwehrtrupps in feuerfesten Anzügen von außen die Kabinentüren und stellen Leitern an.
Testpassagiere helfen bei Übung
Rund 70 Testpassagiere, überwiegend Mitglieder benachbarter Jugendfeuerwehren, vor allem aus Köln, hatten zuvor als Übungsteilnehmer an Bord Platz genommen. Mit teilweise martialisch geschminkten Verletzungen und genauer Einweisung über das darzustellende Verhalten simulieren sie nun, medizinisch korrekt, Patienten mit Knochenbrüchen, eingeschränkter Bewegungsfähigkeit und seelischen Schockzuständen. Dies gilt auch für die traumatisierten Insassen des Busses, die als angenommene Augenzeugen auf dem Vorfeld von der Feuerwehr "eingefangen" und beruhigt werden müssen. Immerhin fahren hier ständig immer mehr schwere Rettungsfahrzeuge und Gerätewagen im koordinierten Angriff zur Brandbekämpfung vor. In diesem Gewimmel ziellos herumzuirren, wäre lebensgefährlich.

Die "Schwerverletzten" werden von den Einsatzkräften in Sicherheit gebracht.
Treffpunkt Patientenablage
Während die erste Löschgruppe den eigentlichen Brand bereits unter Kontrolle bekommt und die Menschenrettung anläuft, errichtet die Feuerwehr auf dem benachbarten Vorfeld, mit deutlichem Sicherheitsabstand, die "Patientenablage". Hierhin werden einheitlich alle Geschädigten gebracht, um sie schnellstmöglich zu sichten und nach Behandlungsbedürftigkeit zu sortieren. Die schwersten Fälle, eingeteilt von ebenfalls herbeigeeilten Notärzten, übernimmt sogleich die Kölner Berufsfeuerwehr, deren Fahrzeuge als scheinbar endlos lange Blaulicht-Kolonne aus der Innenstadt, verstärkt durch zahlreiche Krankenwagen der Johanniter, mittlerweile aus Köln auf dem Vorfeld eingetroffen sind.
Zusammenarbeit und perfekte Kommunikation
Während die spezialisierte Flughafenfeuerwehr immer die eigentliche Flugzeugrettung übernimmt, transportiert die Berufsfeuerwehr die Patienten anschließend in die Krankenhäuser weiter. Als Dritter im Bunde erscheint auch sehr schnell die komplett ausgerüstete Flughafenfeuerwehr der Bundeswehr von der gegenüberliegenden Flughafenseite. Sie stellt sich mit ihren, noch vollgetankten, Löschfahrzeugen in Bereitschaft, falls der Brandherd jetzt noch einmal aufflammen sollte. Die Bundeswehrfeuerwehr bildet nicht nur die größte Flughafenfeuerwehr in Deutschland, sondern sie ist zusätzlich auch mit exotischen, militärischen Gefahrgütern und Unfallszenarien vertraut, etwa verunglückenden Tankflugzeugen oder Munitionstransportern. Das Üben einer perfekten Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, an diesem Tag rund 350 Personen, inklusive Landes- und Bundespolizei, sei eines der Hauptziele der Übung, erläutert Kölns Flughafenchef Thilo Schmid, der, gemeinsam mit leitenden Feuerwehrleuten des Flughafens und der Berufsfeuerwehr, die Übung vom Dach des Flughafenhotels aus beobachtet. Mal gebe es hinterher nur Kleinigkeiten zu ändern, etwa eine teilweise verstellte, einzelne Tordurchfahrt, ein anderes Mal könnten sich aber auch grundsätzlichere Änderungen der Anrückwege oder der Alarmierungsabläufe ergeben.

Brand gelöscht, Passagiere gerettet. Jetzt folgt die genaue Auswertung der Übung.
Monatelange Auswertung
Im normalen Alltagsbetrieb der Brandbekämpfer ist für derartig große Übungen mit viel Koordinierungsaufwand kein Platz. Deswegen beobachten auch Vertreter der Bezirks- und NRW-Landesregierung die Übung und protokollieren deren Abläufe. Weil die an den Flughafen geeilten Kräfte der Feuerwehr in der ganzen Region durch Nachrücker ersetzt werden müssen, ergibt sich, wie in einem Schneeballsystem, eine riesige Folgewelle aus in Bereitschaft versetzten, freiwilligen Feuerwehren sowie Krankenhäusern und Krankenfahrzeugen der großräumigen Umgebung. Nur die Schwerstverletzten werden direkt in die knappen Krankenhausbetten der Stadt Köln transportiert. Die mittelschweren Fälle werden dagegen auf die Krankenhäuser der gesamten Umgebung verteilt, um kein einzelnes Krankenhaus zu überlasten. Immer wichtiger wird auch die psychologische Betreuung. Sie reicht von der fachgerechten Begleitung und Ansprache der Verletzten auf dem Vorfeld bis hin zur psychologischen Betreuung angenommener Angehöriger im Ankunftsbereich durch Fachpersonal des Flughafens, von Airlines und Notfallseelsorgern, was heute ebenfalls in einem eigenen Kölner Terminalbereich praktisch geübt wird.
Psychologische Hilfe
Auch die Helfer selbst – sie können, wie Soldaten, bei ihren Einsätzen, bei denen sie selbst in Lebensgefahr geraten, traumatische Erfahrungen und seelische Verletzungen davontragen – werden heutzutage nachversorgt. Keiner muss mehr den unerschütterlichen "Helden spielen" und alles still in sich hineinfressen. Stattdessen unterstützen Gruppengespräche mit anderen Betroffenen und angenehme Gruppenerlebnisse, etwa gemeinsame Ausflüge und Grillwochenenden, die Verarbeitung der oft dramatischen Situationen, in welche die Rettungsprofis dienstlich geraten. Sich als Helfer auch selbst helfen zu lassen,ist heute keine Schande mehr. Als Beobachter der Übung staunt man über die Schnelligkeit und disziplinierte Perfektion, mit der Hunderte Menschen koordiniert vorgehen, um, im realen Fall unter Lebensgefahr für sich selbst, Verunglückte zu retten. Fast wie Zinnsoldaten, aber dabei nicht in unbeweglicher Starre, arbeiten die nach Funktionen aufgeteilten Spezialisten in geordneten Formationen ihre Aufgaben wie aus einem Guss ab. Alles greift ineinander. Doch auch die heute perfekte Vorstellung ist nicht gut genug: Rund drei Monate lang wird die Auswertung der Übung dauern. Erst dann können die Schlüsse gezogen werden, bis zum nächsten Mal, hoffentlich nur einer Übung.