Es war der 30. Oktober 2011, als die Il-76 der georgischen Airline Sky Georgia ihren letzten Flug unternahm. Geplant gewesen war das nicht, vielmehr den Umständen geschuldet. Denn das Flugzeug mit dem Kennzeichen 4L-SKN brachte an jenem Tag Zelte ins türkische Erzurum, nachdem ein Erdbeben die nahe des Iran gelegene Provinz Van erschüttert, mehr als 600 Menschenleben gefordert und Tausende Bewohner obdachlos gemacht hatte. Die humanitäre Aktion geriet für Sky Georgia und die 4L-SKN allerdings zum Dilemma: Eine andere Il-76 aus Kirgisistan stieß auf dem Vorfeld mit der parkenden Schwester aus Georgien zusammen, schlitzte mit ihrer Tragfläche den Rumpf der 4L-SKN im Bereich des Cockpits auf. Eine Reparatur scheiterte, weil Eigentümerin und Versicherungsgesellschaft sich nicht einig wurden. Und so parkt die Il-76 nach wie vor in Erzurum, eine blaue Plane über dem "Gesicht", und in zunehmend schlechterer Verfassung.
Startpreis 20.700 Euro
Elf Jahre später versucht die staatliche Flughafenbehörde DHMI, die den Airport in Erzurum betreibt, sich des havarierten Flugzeugs endlich zu entledigen. Jahrelang habe man auf eine Meldung aus Georgien gewartet, schrieben türkische Medien bereits 2020. Eine Antwort habe man aber nie erhalten. Von wem auch? Sky Georgia ist inzwischen längst verblichen und stellte noch im Unfalljahr 2011 den Betrieb ein. Andere Parteien schienen sich nie für den beschädigten Frachter zu interessieren. Und so soll er nun, am 22. November um 14:30 Uhr Ortszeit, meistbietend versteigert werden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu geht die Auktion am Hauptsitz der DHMI in Ankara über die Bühne. Der Startpreis für die inzwischen 38 Lenze zählende Il-76 liegt bei überschaubaren 400.000 Türkischen Lira (derzeit etwa 20.700 Euro).
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Vogelnest in der Hilfsturbine
Was mögliche Käufer für diese Summe bekommen, wirkt allerdings auch nicht wirklich so, als wäre es sehr viel mehr wert. Die nunmehr elf Jahre, die das Flugzeug in Erzurum auf seinem Standplatz vor sich hin rottete, haben jedenfalls deutliche Spuren hinterlassen. Ein Video, das der türkische Youtuber Murat Mert im Frühjahr dieses Jahres aufnahm, zeigt den äußerlichen Zustand der 4L-SKN. Und der nimmt sich recht bescheiden aus.
Natürlich ist der Schaden im Cockpitbereich nach wie vor nicht repariert, stattdessen verdeckt weiter die fest verzurrte blaue Plane den Bug. Wie viel Regenwasser in all den Jahren durch irgendwelche Ritzen ins Flugzeuginnere gelangt ist, lässt sich anhand der Aufnahmen nicht sagen. Aus den Reifen des mächtigen Iljuschin-Fahrwerks ist die Luft entwichen, die platten Reifen sind übersät mit Vogelkot. Woher der kommt, wird bei näherem Hinsehen klar: Im Auslass der APU, die sich im linken Hauptfahrwerkskasten befindet, sind Reste eines Vogelnests erkennbar. Die beiden innenliegenden Triebwerke präsentieren sich mit ausgefahrener Schubumkehr, während der weiß lackierte Rumpf, von leichten Spuren der Verwitterung abgesehen, noch durchaus ansehnlich daherkommt.
Wer holt sie sich?
Dass der flügellahme Frachter jemals wieder abheben wird, scheint trotzdem ziemlich unwahrscheinlich. Eher denkbar ist ein Ende als Teilespender. Oder doch nicht? Man darf auf jeden Fall gespannt sein, wer sich die welke Il-76 anlacht, wie viele Lira er dafür auf den Tresen blättern muss – und was er danach mit dem Flugzeug anstellt.
