Im Polarkreis stoßen klassische Transporthubschrauber an ihre Grenzen. Doch die Arktis ist für viele Staaten unverzichtbar – zur Forschung und als strategisches Gebiet. Das russische Dolgoprudnensker Konstruktionsbüro für Automatisierung (DKBA), Teil des Staatskonzerns Rostec, arbeitet seit einigen Jahren an einer Alternative zum russischen Transporthubschrauber Mi-8. Mit Transportluftschiffen, die bei Temperaturen bis zu minus 60 Grad Celsius in Bodennähe problemlos fliegen können, will das Unternehmen sicherstellen, dass Fracht auch unter polaren Extrembedingungen ankommt.
Spezialhüllen halten extremer Kälte stand
Das Herzstück der Entwicklung sind hochspezialisierte Polymerhüllen mit einer Gasdurchlässigkeit von weniger als 0,5 Litern pro Quadratmeter und Tag. Die Verbundstoffkonstruktionen bleiben laut DKBA bis minus 60 Grad Celsius flexibel und stabil. Gefüllt werden sie mit Gasen niedriger Wärmeleitfähigkeit, was Wärmeverluste minimiert und die strukturelle Integrität auch bei langen Einsätzen ohne Wartungsmöglichkeit gewährleistet.
Die Luftschiffe setzen auf Hybridantriebssysteme, die für lange autonome Flüge ausgelegt sind. Dank aerostatischer Auftriebskraft – das Luftschiff schwebt von sich aus – wird Treibstoff nur für Vortrieb und Manöver benötigt. Damit lässt sich der Verbrauch niedrig halten.
Aktuelle Prototypen werden derzeit im Moskauer Oblast und im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen unter Realbedingungen getestet, wie das Portal RuAviation berichtet. Die Entwicklung werde durch föderale Programme gefördert.
Russische Kooperation für Lastentransport bis zu 200 Tonnen
Ende vergangenen Jahres schloss DKBA eine Kooperationsvereinbarung mit der Technischen Bauman-Universität in Moskau. Erklärtes Ziel ist die Entwicklung stratosphärischer Langzeitplattformen und der Aufbau einer Pilotproduktion für Freiballone mit automatischer pneumatischer Ausgleichstechnik.
Das Kernstück dieser Technologie ist ein System, das den Druck in den Innenkammern des Ballons eigenständig reguliert und so den Auftrieb je nach Flughöhe, Temperatur und Außendruck anpasst. Dadurch sollen extrem lange Flugzeiten auch bei Extremtemperaturen möglich werden.
Die Zusammenarbeit solle "eine solide Grundlage für ehrgeizige Projekte im Bereich der Luftfahrttechnik" schaffen, so DKBA-Generaldirektor Michail Kalinin zur Kooperationsvereinbarung.

DKBA entwickelt unter anderem Luftschiffe zu Forschungszwecken, wie das DP-29.
An der Bauman-Universität arbeitet seit 2021 eine Projektgruppe für aerostatische Systeme. 2023 ließ sie Russlands größtes unbemanntes Luftschiff mit 65 Kubikmetern Volumen starten – es flog über zehn Stunden und legte dabei 200 Kilometer zurück.
Parallel dazu hat die russische Normungsbehörde "Rosstandart" 2024 ein Technisches Komitee "Ballone und Luftschiffe" eingerichtet, das von DKBA geleitet wird. Veraltete sowjetische Standards werden vom Komitee aktualisiert und an moderne Anforderungen angepasst. Das Komitee soll besonders die Grundlagen für Luftschiffe mit 30 bis 200 Tonnen Tragfähigkeit für schwer zugängliche Arktis-Regionen schaffen. Russland legt damit den Fokus klar auf die Transportportmöglichkeiten, die die Luftschiffe bieten.
Ob die Transporthubschrauber tatsächlich langfristig durch Luftschiffe ersetzt oder – was wahrscheinlicher ist – "nur" ergänzt werden sollen, bleibt vorerst offen. Russian Helicopters hat seinerseit erst vor ein paar Jahren die neue Mi-8-Generation vorgestellt, zu der auch die für Extremkälte optimierte Mi-8AMT Arctic gehört. Allerdings bieten sich in der Aktis auch diverse militärsche Anwendungen – zum Beispiel zu Forschungs- und Überwachungszwecken. Die dafür nötige Technik wird von DKBA ebenso produziert.
Auch die USA setzen auf Luftschifftechnologie
Die russischen Bemühungen in der Luftschiffstechnik sind kein Einzelfall. Auch die US-Army hat 2024 zehn Rüstungsfirmen für ein 4,2-Milliarden-Dollar-Programm ausgewählt, darunter Raytheon und Leidos. Das "Persistent Surveillance System – Tethered" soll über zehn Jahre eine neue Generation gebundener Überwachungsballone entwickeln.