Nur ein einziges Prozent der weltweiten Frachtmenge, wenn man diese nach Gewicht bemisst, reist per Flugzeug. Das zumindest hat Boeing errechnet. Aber nach Warenwert gemessen werden immerhin 35 Prozent der weltweiten Frachtmenge mit Flugzeugen transportiert. Mit durchschnittlich 4,2 Prozent pro Jahr soll der Luftfrachtverkehrsmarkt in den nächsten 20 Jahren schneller wachsen als der Welthandel insgesamt, dessen Wachstum Boeing mit 3,4 Prozent ansetzt. Airbus ist mit einer ähnlichen Vorhersage für denselben Zeitraum mit vier Prozent beziehungsweise 3,3 Prozent Welthandelswachstum nur leicht vorsichtiger.
Express-Transport
Inwieweit beide Prognosen unter dem Eindruck der aktuellen „Corona-Krise“ noch die Wirklichkeit abbilden, muss sich zeigen. Die „Option Luftfracht“ wird aber auch künftig immer dann ins Spiel kommen, wenn es schnell gehen muss, wenn die Ware sehr teuer, empfindlich oder verderblich ist. Vom radioaktiven Reagenzglas bis zum empfindlichen Rennpferd kann jedes gewünschte Ladegut auch fliegen –bis hin zu klobigsten Schwerlasten, etwa kompletten Generatoren, Baumaschinen, Triebwerken oder Industrieanlagen, für die Großraum-Spezialtransporter bereitstehen.

Im Bauch von Airlinern
Wenn Fracht fliegen soll, gibt es zwei Wege: als „Belly Cargo“ im Bauch von Verkehrsflugzeugen oder in sogenannten Vollfrachtern, die man fabrikneu oder als aus gebrauchten Passagierflugzeugen umgebaute Frachter kaufen kann. „Belly Cargo hat sich mit der Verbreitung moderner Passagierflugzeuge, wie der zweistrahligen Großraummuster Boeing 787, 777, Airbus A330 und A350, immer weiter durchgesetzt. Diese haben im Unterdeck neben den Koffern noch viel Raum für Luftfracht und können auch Ladegut auf Paletten verdauen. Allerdings bedienen die Magistralen des Passagierverkehrs nicht unbedingt auch jene des Frachtverkehrs, sodass noch genug unterversorgte Ziele vorhanden sind. Und nicht immer trifft der Flugplan der Passagierairlines die Bedürfnisse nach schnellem Transport und die Fahrpläne der Kunden. Außerdem darf Gefahrgut, in der Luftfracht als Klassifizierung weit verbreitet, aus Sicherheitsgründen nur sehr eingeschränkt im Unterdeck von Passagierflugzeugen befördert werden.
Fabrikneue Frachter sind kostspielig
Fabrikneue Frachter, wie der Airbus A330F, die Boeing 777F oder die vierstrahlige Boeing 747-8F, haben die neuesten Triebwerke, sind entsprechend sparsam und auf den Frachteinsatz optimiert. So besitzen nur die reinals Frachter gebauten Jumbos das berühmte Bugtor für besonders langes Ladegut. Sie punkten außerdem mit einer hohen Kabine mit steilen Wänden, in die entsprechend hoch gestapelte und breite Frachtpaletten passen. Mit ihren elektrischen Ladesystemen, partiellen Passagierabteilen für Kuriere und den großen Frachttoren sind solche Modelle nicht ganz billig. Fabrikneu kostet eine Boeing 767-300F rund 220 Millionen Dollar, ein Airbus-A330-200-Frachter etwa 240 Millionen Dollar, ein 777-Freighter sogar 442 Millionen Dollar. Damit ist der sehr leistungsfähige Zweistrahler sogar noch teurer als sein großer vierstrahliger Bruder, die 747-8F, den man schon ab 420 Millionen Dollar bekommt.

Die Auslastung muss stimmen
Egal welches Muster man wählt: Die sparsamen, aber teuren Neubaufrachter muss man möglichst immer voll auslasten, nur dann spielen sie ihr Geld wieder ein. Nur Airlines, die regelmäßig sehr viel Fracht in engen Flugplänen auf Hauptstrecken befördern, können diese kostbaren Werkzeuge voll ausnutzen. Viele Transporter parken jedoch tagsüber auf einsamen Vorfeldern, um erst abends zum Leben zu erwachen. Denn über den Tag haben die Kunden ihre Produkte erzeugt und angeliefert, über Nacht müssen sie nun zum Zielort gebracht werden. Danach heißt es wieder warten bis zum nächsten Abend. Viele Frachter erreichen deshalb nicht die hohe tägliche Nutzungsdauer von Passagierflugzeugen. Hierfür die allerneuesten Jets zu kaufen oder zu leasen wäre zu teuer.
Umbaufrachter als goldene Mitte
Die Lösung sind Umbaufrachter: Sie entstehen aus gebrauchten, noch jungen Passagierflugzeugen, die ein Drittel bis etwa die Hälfte ihrer strukturellen Lebensdauer hinter sich haben. Nach einem großen Check und dem Umbau sind sie technisch wieder tipptopp, zuverlässig und in der Anschaffung wesentlich günstiger als fabrikneue Frachtflugzeuge. So lassen sich auch kleinere Nachteile bei den Betriebskosten locker verschmerzen. So setzen auch viele renommierte Frachtairlines auf Umbaufrachter, wie sie etwa bei den Elbe Flugzeugwerken in Dresden (EFW) aus Passagier-A330 entstehen. Ein Umbau direkt beim Hersteller, wie den zu Singapore Technologies Engineering und Airbus gehörenden EFW, hat den Vorteil, dass die Hersteller dank Insiderwissens ihre Flugzeuge noch besser kennen, und die Umbaufrachter oft noch etwas leichter und optimierter hinbekommen. Freie Frachter-Umbauwerften, die auch hohe Qualität liefern, sind dafür oft preisgünstiger.

Frachtairlines für jeden Bedarf
Die Luftfracht-Airlines selbst kann man grob in drei Gruppen einteilen: die klassischen Linien-Airlines, wie zum Beispiel Lufthansa Cargo oder Cargolux, die Expressfracht-Airlines, wie etwa UPS und FedEx Express, und die Spezialfracht-Airlines, die oft frühere östliche Militärtransporter einsetzen, wie die An-12, Il-76, An-124 und sogar die An-225 von Antonov Airlines. Diese Frachtcharter- und Spezialfrachtfirmen haben sich durch flexible Dienste und mit Heckrampen auch für schlecht ausgerüstete Flugplätze ohne Bodeninfrastruktur geeignete Flugzeuge einen guten Ruf erworben. Nicht ohne Grund stehen sie weltweit im Einsatz.
Künftige Lieferung per Drohne
Als nächster Luftfracht-Branchenriese lauert bereits Amazon in den Startlöchern. Der wohlhabende Internethandelskonzern baut sich seit einigen Jahren mit Prime Air eine eigene Expressfracht-Airline auf –zunächst mit Boeing-767-Frachtern, nun auch ergänzend mit 737-Umbaufrachtern und künftig vielleicht auch mit fabrikneuen Flugzeugen. Derweil testet der Internethandelsriese aus Seattle auch schon einen neuen Luftfrachtzweig: Drohnen. Unbemannte Drohnen mit Elektroantrieb sollen Pakete bis zu einem Gewicht von 2,3 Kilogramm in einem Radius von 24 Kilometern bis zur Türschwelle zustellen. Auch Googles Drohnentochter Wing Aviation und UPS haben bereits kommerzielle Drohnenlizenzen der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA erhalten.