Es ist noch keine drei Jahre her, da schwebte Air Astana beim Gedanken an Embraer auf Wolke sieben: Im Dezember 2018 hieß Kasachstans nationale Airline ihren ersten E2-Jet am Heimat-Airport Almaty willkommen. Air Astana wurde damit zur ersten Airline in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), die den weiterentwickelten Kurzstreckenjet aus Brasilien in Dienst stellte. Das feierte der Carrier mit einem sehr gelungenen Schneeleoparden-Anstrich – und ließ dem Premierenjet im Folgejahr vier weitere E190-E2 folgen.
Die Euphorie wich dem Frust
Doch mit den Jets, allesamt über AerCap geleast, ist Air Astana heute gar nicht mehr glücklich. Alle fünf Maschinen standen seit Dezember 2020 am Boden, aus Sicherheitsgründen, wegen wiederholter Probleme mit Mechanik und Software, wie es heißt. Die Kasachen nennen eine ganze Reihe an Vorfällen, von denen sich der erste im Juni 2019 ereignet habe. Damals sei während eines Fluges von Taschkent nach Almaty die Enteisungsanlage ausgefallen. Beim Versuch der Piloten, das Problem zu lösen, habe sich die Zapfluftversorgung für die Kabine ausgeschaltet, woraufhin es zum Abfall des Kabinendrucks gekommen sei. Die Maschine sei anschließend sicher in Schymkent notgelandet.
Fehler und Probleme
Mehrmals seien Air Astana-Crews in der Folgezeit von weiteren Problemen mit E2-Jets heimgesucht worden. Dazu zählen laut Airline zum Beispiel Ausfälle des Hydrauliksystems, unkontrollierte Änderungen der Flughöhe sowie "fehlerhafte Fehlermeldungen". Gleich 23 mal sollen E2-Jets etwa Warnungen vor Rauch ausgespuckt haben, die sich als falscher Alarm herausstellten – weil der zuständige Sensor nicht ausreichend zwischen Staub und Rauch unterscheiden konnte. Da die Summe der Probleme die Lufttüchtigkeit der E2-Jets untergrabe, habe man die Teilflotte am 15. Dezember 2020 vorübergehend stillgelegt, so Air Astana weiter.

Kasachen fordern Schadenersatz
Seit Ende Juni sind zwar mindestens zwei der fünf Flugzeuge wieder im Dienst – doch für die Zeit dazwischen fordert Air Astana nun vor einem Gericht in New York Schadenersatz von Embraer. Konfrontiert mit den Problemen, habe Embraer stets nur halbherzige Lösungen und Stückwerk angeboten – deshalb sollen die Brasilianer als Ausgleich rund zwölf Millionen US-Dollar an Air Astana zahlen, was sich laut Fluglinie aus Vertrags- und Gewährleistungsansprüchen ergibt. Außerdem soll Embraer nicht ausreichend auf Unterschiede zwischen der E2-Baureihe und dem Vorgängermuster E190 hingewiesen haben, das Air Astana zehn Jahre lang betrieb. Das berge "ein unnötiges Sicherheitsrisiko" bei der Pilotenschulung.
Embraer hält dagegen
Die Gegenseite sieht die Angelegenheit naturgemäß etwas anders und betont, dass Air Astana die Jets auf eigene Initiative aus dem Verkehr gezogen habe. Aus Embraers Sicht habe es dafür aber keinen Anlass gegeben: "Solche Probleme treten zwar gelegentlich auf, stellen jedoch zu keinem Zeitpunkt ein unmittelbares Sicherheitsrisiko dar und das Flugzeug ist sicher gelandet." Air Astana sei die einzige Fluggesellschaft gewesen, die den Einsatz von E2-Flugzeugen eingestellt habe. Sicherheit habe für Embraer oberste Priorität. Man werde sich gegen die Anschuldigungen deshalb "energisch verteidigen", heißt es aus Brasilien.