Seit Ende Oktober 2012 baut Boeing die 777 mit einer Produktionsrate von 8,3 Flugzeugen pro Monat. Das sind immerhin fast 20 Prozent mehr als die bisher monatlich gebauten sieben Jets und mit rund 100 Flugzeugen pro Jahr die bisher höchste Rate, die jemals ein Boeing-Großraumflugzeug erreichte. Den Anfang beim neuen Arbeitstakt machte ein 777-Frachter für Korean Air, dessen untere Rumpfschale für die Hecksektion Ende Oktober in die Montagevorrichtung geladen wurde. Im Februar 2013 wurde dieses Flugzeug ausgeliefert.
„Wir haben hierfür hunderte Leute eingestellt und trainiert“, sagte Scott Fancher, der Boeing-777-Programmvorstand; er ist mittlerweile für sämtliche neuen Zivilflugzeug-Programme bei Boeing zuständig. „Diese historische Produktionserhöhung spiegelt die starke Nachfrage nach der 777 wider. Sie bleibt der eindeutige Sieger im Markt der Flugzeuge mit 300 bis 400 Sitzen.“
Boeing spendierte der 777, die auf einer „Moving Production Line“, also einer rollenden Taktstraße nach dem Vorbild der Autoindustrie gebaut wird, auch neue Produktionswerkzeuge. So werden modernste Bohrmaschinen für Flügel und Rümpfe verwendet; sie klammern sich auf flexiblen Führungsschienen an die jeweils zu bearbeitende Sektion. Automatische Sprühmaschinen übernehmen neuerdings Teile der Lackierung.
777 eine der tragenden Säulen bei Boeing

Mit über 1300 festen Bestellungen von 63 Kunden und bisher 1058 Auslieferungen ist der Kassenschlager Boeing 777 für den amerikanischen Hersteller eine der tragenden Säulen seines Zivilgeschäfts. Alle 777 entstehen im Boeing-Werk Everett, in einem Hallentrakt gleich neben der 787-, 767- und der 747-8-Endmontage.
Die Entwicklung der „Triple Seven“ hatte Ende der 80er Jahre noch unter der irreführenden Projektbezeichnung 767X begonnen. Boeing konzipierte die 777 als zweistrahliges Großraumflugzeug für Langstrecken. Um trotz einer anfänglichen Spannweite von 60,9 Metern auch auf engen Inlandsflughäfen,wie New York-LaGuardia parken zu können, entwickelte Boeing als Option hochklappbare Flügelspitzen, die am Ende aber keine Airline bestellte. Bei der aktuellen Generation 777-300ER wurden die Flügelspitzen deshalb mit „Raked Wingtips“ verlängert und für zusätzliches Tankvolumen genutzt.
Erstmals bei Boeing nutzt die 777 eine dreifach redundante, elektronische Flugsteuerung, die im Zweimann-Glascockpit allerdings über klassische Steuerhörner und Ruderpedale angesprochen wird. Die Steuerung basiert im Kern auf den gleichen Computerchips von BAE Systems (vormals Marconi), die unter anderem auch bei Airbus verwendet werden.
Entwicklung mit 3D-Software

Als erstes Verkehrsflugzeug wurde die 777 komplett mit 3D-Software entwickelt. Dadurch konnte sich Boeing den Bau eines originalgroßen Modells (Mock-up) sparen. Boeing verkündete den offiziellen Programmstart am 15. Oktober 1990 nach einem Großauftrag von United Airlines über 34 Flugzeuge. United stellte am 7. Juni 1995 mit einem Flug von London nach Washington auch das erste Kundenflugzeug in Dienst.
Als zweistrahliges Langstreckenmuster erhielt die 777 erstmals eine ETOPS-180-Zulassung der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA. 1995 gestattete die Behörde die sogenannten „Extended Twin-engine Operations“ (Betriebserlaubnis zum zweistrahligen Langstrecken-Flugbetrieb), zunächst nur für die Motorisierungsvariante mit Pratt & Whitney-Turbinen. Weil ein Ausweichflughafen nach diesen Regeln erst nach 180 Minuten im Einmotorenflug erreicht sein muss, darf die 777 direkte und damit kürzere Routen über Ozeanen, Polarregionen, Gebirgen und Wüsten nutzen, als Zweistrahler ohne ETOPS-Zulassung. In Verbindung mit der praktisch erwiesenen sehr hohen Triebwerkszuverlässigkeit setzten sich damit zweistrahlige Flugzeuge auf Langstrecken auch über dem Pazifik durch. Die neuesten Boeing 777 sind sogar für ETOPS-330 zugelassen.
777 gehört zu den sichersten Flugzeugen der Welt

Mit nur zwei „hull losses“, also versicherungsrechtlichen Totalverlusten ohne Todesopfer, gehört die 777 zu den sichersten Flugzeugen der Welt. Dabei hatten sich ganz am Anfang der Flugerprobung noch giftige Eigenschaften im Langsamflug mit voll ausgefahrenen Landeklappen gezeigt, wie sich Boeing-Testpilot John Cashman bei seiner Pensionierung 2007 erinnerte. In ausführlichen Flugtests mit 600 gezielten Strömungsabrissen habe man der 777 ihre Tendenz abgewöhnt, sich ungefragt auf den Rücken zu drehen. Heute ist das Muster auch zum Vorbild für die 787 geworden. Es dauert nur sechs Tage, um einen 777-Piloten auf den technisch eng verwandten Dreamliner umzuschulen.
Dank ihres enormen Rumpfdurchmessers von 6,19 Metern und einer Kabinenbreite von 5,86 Meter bietet die 777 in der Economy Class, wie eine 747, bis zu zehn Passagieren pro Reihe Platz. Typischer ist allerdings eine Bestuhlung in Neunerreihen. In der Business Class wird bislang, laut Boeing, meistens eine 2+3+2-Bestuhlung genutzt, bei der allerdings ein ungeliebter Mittelplatz entsteht. Die neuesten Kabinengrundrisse für die aktuelle Business Class mit flachen Schlafsesseln vermeiden diesen durch ihre Fischgrätenanordnung, ohne kostbaren Kabinenraum zu vergeuden.
Nach dem Jungfernflug der ersten 777-200 am 12. Juni 1994 entwickelte Boeing den Zweistrahler zur Familie weiter. Die Langstreckenversion 777-200ER (Extended Range) hob am 7. Oktober 1996 ab. Diese schaffte nun statt zuvor Routen wie London - New York nun auch London - Los Angeles nonstop. Am 16. Oktober 1997 folgte dann die von 63,7 auf 73,9 Meter Rumpflänge gestreckte 777-300.
Die Erfolgsfamilie Boeing 777





Als zweite Generation der Erfolgsfamilie erschien schließlich die Boeing 777-300ER, ihr Erstflug war am 24. Februar 2003. Diese Generation, bei deren Entwicklung sich der Triebwerkshersteller General Electric auch als Risikopartner beteiligte, wird ausschließlich mit dem Triebwerk GE90-115B angeboten, dem stärksten zivilen Triebwerk der Welt. Zu einem nochmaligen Nachfrageschub verhalfen diese gleichermaßen schubstarken, wirtschaftlichen und zuverlässigen Giganten in Verbindung mit aerodynamisch überarbeiteten Flügeln mit „Raked Wingtips“, einem modernisierten Cockpit und einer modifizierten Kabine,. Heute ist die sehr leistungsfähige 777-300ER das Flaggschiff der gesamten Boeing-Familie. Das drückt sich auch im Listenpreis aus: Eine neue 777-300ER kostet aktuell stolze 315 Millionen Dollar.
Mit dem gleichen Triebwerk und dem gleichen überarbeiteten Flügel wird auch eine kürzere Version angeboten, die 777-200LR (Longer Range). Dieser Zweistrahler für Ultralangstrecken flog am 8. März 2005 zum ersten Mal und erreicht eine Extremreichweite von 17395 Kilometern. Schließlich fehlt noch die Frachtversion, die 777 Freighter. Sie basiert weitgehend auf der 777-200LR, erhielt aber einen fensterlosen Rumpf mit großem, seitlichem Frachttor.
In der Frachtversion werden auch die einzigen deutsch registrierten Boeing 777 betrieben: Der deutsche Fonds „Deucalion Capital VII Limited“ der DVB Bank AG hat 2007 insgesamt acht 777F bei Boeing bestellt, die heute bei AeroLogic in Leipzig fliegen. Deren Partner Lufthansa Cargo und DHL setzen die Frachter im Wechsel auf eigenen Routen ein. Lufthansa Cargo hat 2011 noch fünf zusätzliche Flugzeuge zum rein eigenen Gebrauch nachbestellt. Im Passagierbereich ist Austrian Airlines zu nennen, die vier Boeing 777-200 als Flaggschiffe einsetzt. Davon stammen drei Flugzeuge aus dem Bestand von Österreichs 777- Erstbesteller Lauda Air.
Das Jahr 2013 wird für die Boeing 777 ein besonders wichtiges Jahr. Boeing steht vor der Entscheidung, ob die „Triple Seven“ noch einmal mit einem völlig neuen Flügel aus Verbundwerkstoff zur „777X“ aufgewertet werden soll oder ob man stattdessen lieber auf einen doppelt gestreckten Dreamliner, die schon projektierte 787-10, setzt. Airbus attackiert die Boeing-Erfolgsfamilie 777 bereits mit der A350-1000, worauf der amerikanische Hersteller reagieren muss. Allerdings schwächt jede Verbesserung seiner 777 hausintern auch den vierstrahligen Boeing-Klassiker 747-8.
FLUG REVUE Ausgabe 02/2013