Familienpolitik: Gulfstreams neue Business Jets

Neue Business Jets
Gulfstreams Familienpolitik

Veröffentlicht am 06.01.2022

Glanzvolle Shows zu Premieren neuer Flugzeugprogramme ist man von Gulfstream gewohnt. Zuletzt hatte das Unternehmen auf der NBAA-BACE im Oktober 2019 in Las Vegas die G700 als Business Jet mit der nach eigener Aussage branchenweit größten Kabine vorgestellt. Was sollte da noch kommen? Die Antwort lieferte der Flugzeughersteller im Oktober 2021 auf einem Hybrid-Event am Firmensitz in Savannah, Georgia. Geladene Gäste waren vor Ort, gleichzeitig wurde die Show live im Internet übertragen.

Ultralangstrecke

G800 heißt die dort präsentierte, neueste Kreation für anspruchsvolle Geschäftsreisende, die sich größtmögliche Reichweite für Reisen rund um den Globus wünschen. Fast 15000 Kilometer (8000 nautische Meilen) nonstop schafft der Luxusliner bei einer ökonomischen Reisegeschwindigkeit von Mach 0.85 – das reicht aus, um ohne Tankstopp von London den Norden Australiens anzusteuern. Immer noch üppige 13000 Kilometer (7000 nautische Meilen) sind mit Mach 0.90 möglich. Anders gesagt: Auf der Reichweitenkarte bleiben auf der Weltkarte nur wenige blinde Flecken übrig. Die G800 wird das Erbe der G650 und G650ER als neuer Maßstab in Sachen Reichweite antreten. "Wir haben die Ultralangstrecken-G800 entwickelt, um die Reichweite unserer Kunden auf mehr Menschen und Orte auf der ganzen Welt auszudehnen", sagte President Mark Burns.

Gulfstream Aerospace

Große Kabine und hohe Geschwindigkeit

Ebenfalls neu ist die G400, die mit großer Kabine und hoher Geschwindigkeit gepaart mit einer im Vergleich zu den Langstreckenjets eher moderaten Reichweite von 7778 Kilometern (4200 nautische Meilen) ins Rennen um die Gunst der Kundschaft startet. 7315 Kilometer (3950 nautische Meilen) stehen bei Mach 0.88 im Datenblatt. Selbst diese Werte genügen für mehrstündige Flüge aus Mitteleuropa über den Atlantik an die US-Ostküste oder in die Weiten Russlands. Burns sieht in der G400 das passende Produkt für ein Segment, das am Markt lange vernachlässigt worden sei. Gulfstreams Zeitplan für die Indienststellung der neuen Business Jets ist ambitioniert.

Komplette Kabinenausstattung

Die Rollversuche der G800 haben begonnen – dank der Ähnlichkeit zur G650 gelang dies, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Im Gegensatz zur virtuell gelaunchten G400 wurde bei der Premiere eine G800 ganz dicht ans Publikum geschleppt. Ende des Jahres soll der Erstflug erfolgen und die Auslieferungen sollen bereits 2023 beginnen. Dann soll auch die G400 abheben und zwei Jahre später, also 2025, bei den ersten Kunden landen. Unterdessen läuft die Erprobung der G700 weiter. Der 2019 enthüllte Langstreckenjet hob am 14. Februar 2020 zum Jungfernflug ab und soll 2022 die Serienreife erreichen. Zuletzt ist im April 2021 ein sechstes Testflugzeug gestartet, das erstmals über eine komplette Kabinenausstattung verfügt.

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Planung von Langer Hand

Möglich ist diese Schlagzahl neuer Programme dank einer von langer Hand geplanten Strategie mit einem klar strukturierten Baukastensystem. Schon früh – Mark Burns erwähnte auf der Bühne das Jahr 2006 – hat Gulfstream mit Unterstützung des Mutterkonzerns General Dynamics die Umstellung auf zwei Flugzeugfamilien geplant: Eine Familie mit großen Jets, aufbauend auf der 2008 vorgestellten G650, deren Erbe jetzt in G700 und G800 fortgeführt wird, und eine Familie etwas kleinerer Flugzeuge, also die Modelle G400 bis G600. Als 2014 die G500 und G600 angekündigt wurden, hatten die Planungen für die G400 bereits begonnen, gab Burns zu verstehen. Ebenso war die G800 längst in der Pipeline, als 2019 die G700 das Licht der Öffentlichkeit erblickte. "Es ist gut, dass wir unsere Vision von dem, woran wir arbeiten und was wir erreichen möchten, jetzt auf den Tisch gelegt haben", sagte er. Dass die Ankündigung des Duos G400 und G800 ausgerechnet in den Aufschwung der Geschäftsluftfahrt nach der Corona-Pandemie fällt, bewertet der Gulfstream-Präsident als glücklichen Umstand.

Pearl 700

Die Datenblätter verdeutlichen die Verwandtschaft zwischen den Flugzeugen. Die G800 baut in vielerlei Hinsicht auf der G700 auf. Beide Jets nutzen als Antrieb das in Dahlewitz bei Berlin entwickelte und hergestellte Pearl 700 von Rolls-Royce mit einem Schub von jeweils 81,20 Kilonewton. Auch die Flügel mit jeweils 31,39 Metern Spannweite samt Winglets sind identisch. Die Tragflächen kamen mit der G650 auf den Markt, finden sich heute auch in G400, G500 sowie G600 wieder und vereinen die Fähigkeit zum schnellen Reiseflug mit der Möglichkeit für steile Anflüge auf anspruchsvolle Plätze.

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Verbesserte Effizienz

Ohne auf Details einzugehen, erwähnt Gulfstream in seiner Pressemitteilung die verbesserte Effizienz der G800, was bei identischer Spritmenge an Bord und ähnlichen Gewichten zumindest teilweise die 900 Kilometer mehr an Reichweite erklären dürfte. Der Rumpf beider Flugzeuge bietet Platz für eine 2,49 Meter breite und 1,91 Meter hohe Kabine. Bei der Länge der Kabine hat nach wie vor die G700 die Nase vorn. 17,35 Meter stehen 14,27 Meter gegenüber, unterteilt in bis zu fünf beziehungsweise vier Wohnbereiche, was sich auch in der Außenlänge der beiden Business Jets bemerkbar macht. Beide Flugzeuge können in Höhen bis 15545 Meter (Flugfläche 510) operieren.

Symmetry Flight Deck als Standard

Parallelen zeigen sich auch zwischen G400 und den zugelassenen Modellen G500 und G600. Deren Kabinen messen 2,31 Meter in der Breite, 1,88 Meter in der Höhe sowie zwischen 11,07 und 13,77 Meter in der Länge. Für die G400 werden drei Grundrisse mit Optionen für bis zu zwölf Passagiere angeboten. Beim Antrieb kommt Pratt & Whitney Canada mit den PW800-Turbofans zum Zug. Durch das Clean-Wing-Design und die fortschrittlichen Triebwerke sollen Treibstoffverbrauch, Emissionen und Lärm reduziert werden, heißt es. Die Unterschiede zwischen G400, G500 und G600 liegen vor allem in der Reichweite: Mit 12223 Kilometern erfüllt die G600 andere Anforderungen als die G400.

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Platzangebot mehr als üppig

Komfortabel geht es an Bord aller Jets zu. Bei der Gestaltung der G700-Kabine habe man viel gelernt, was nun allen Jets zugutekommt. Selbst wenn die Kabine bei G400 bis G600 etwas knapper ausfällt als in den beiden Flaggschiffen, absolut gesehen ist das Platzangebot mehr als üppig, was auch Gulfstream betont. Explizit erwähnt der Hersteller, dass die Passagiere stets frische, niemals umgewälzte Luft atmen. Der Druck an Bord der G800 entspricht in einer Höhe von 12500 Metern den Bedingungen, die sonst in rund 900 Metern herrschen. An Bord der G400 sind es knapp 1000 Meter. Erwähnt werden auch der "flüsterleise Geräuschpegel" und die markanten ovalen Gulfstream-Panoramafenster, die extra viel Tageslicht ins Innere lassen. In der G800sind es 16, zehn in der G400.

Fly-by-Wire-Steuerung

Die Cockpits von G400 und G800 sind mit dem Symmetry Flight Deck ausgestattet, das in der G500 seine Premiere hatte und auf dem Honeywell Primus Epic basiert. Die Jets verfügen über aktive Sidesticks, also eine Fly-by-Wire-Steuerung, und zehn Touchscreen-Displays. Das Predictive Landing Performance System (PLPS) soll die Piloten frühzeitig vor Gefahren auf der Landebahn warnen, so dass diese ihren Anflug anpassen oder abbrechen können. Die beiden Head-up-Displays der G800 sind mit einem Combined Vision System ausgestattet.

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Datenbankbasierte Informationen

Es vereint die Daten aus Enhanced Flight Vision System (EFVS) und Synthetic Vision System (SVS). Anders gesagt: Datenbankbasierte Informationen und reale Bilder werden zu einem einzigen Bild vereint, um so das Situationsbewusstsein der Piloten zu verbessern und den Zugang zu mehr Flughäfen zu ermöglichen. Unter der Haube haben die Ingenieure ein sogenanntes Data Concentration Network von GE Aviation für einen reibungslosen Datenfluss installiert, das auch künftige Avionik-Upgrades erleichtern soll.

Super Midsize Jet G280

Nicht vergessen hat Gulfstream auch sein kleinstes Modell, den Super Midsize Jet G280 mit 6667 Kilometern (3600 nautische Meilen) Reichweite und Platz für maximal zehn Fluggäste, der unter anderem mit der kürzlich aktualisierten Challenger 3500 von Bombardier konkurriert. Auch hier gibt es an Bord jetzt optional zu 100 Prozent Frischluft und einige Upgrades bei der Avionik.