Mit der HS 748 landete der britische Flugzeugbauer Hawker-Siddeley (zuvor Avro) in den 60er-Jahren einen Achtungserfolg. Immerhin 381 Exemplare des Regionalturboprops entstanden zwischen 1960 und 1987. Einst als moderner Ersatz für die Douglas DC-3 angepriesen, geriet die HS 748 gegenüber ihrer berühmten Vorgängerin jedoch zunehmend ins Hintertreffen. Während nach wie vor Dutzende DC-3 in den entlegenen Winkeln dieser Welt ihren Dienst verrichten, fliegen heute nur noch wenige HS 748 im zivilen Einsatz – unüberhörbar durch das furiose Heulen ihrer beiden Rolls-Royce Dart-Triebwerke.
Stolzes Arbeitspferd
Viele Jahre lang diente die Hawker Siddeley HS 748 auch der Yukon-Fluglinie Air North als Arbeitspferd. Der britische Turboprop-Airliner bewies bei den Kanadiern selbst bei hartem Winterwetter Nehmerqualitäten und verband zuverlässig die abgelegenen Gemeinden der Region – "mit Stolz", wie es die Fluggesellschaft selbst schreibt. Doch schon seit geraumer Zeit war die HS 748 als Passagierflugzeug bei Air North ins zweite Glied gerückt. Boeing 737 und ATR 42 hatten die Regentschaft in Whitehorse übernommen, wo Air North ihre Basis hat. Von den fünf Briten-Oldies, die zuletzt zur Flotte zählten, waren nur zwei noch sporadisch in der Luft.

Umbau zum Frachter
Eine dieser beiden Maschinen, die 43 Jahre alte C-GANA, verließ Whitehorse im Dezember 2020. Ihr Ziel war Thunder Bay in der Provinz Ontario, wo sie von der ortsansässigen Wasaya Airways aktuell zum Frachter umgebaut wird. Dort erhielt sie am 21. Januar bekannte Gesellschaft: Mit der C-FCSE, Baujahr 1970, und damit stolze 51 Jahre alt, landete auch die letzte HS 748 der Air North an diesem Tag in Thunder Bay. Unter der Flugnummer 4N 190 war sie von Whitehorse zunächst nach Edmonton geflogen, bevor sie kurz darauf die finale Etappe auf sich nahm. Zählt man beide Legs zusammen, war die C-FCSE dabei fast acht Stunden in der Luft.

Glücksfall mit Wermutstropfen
Für die beiden Ex-Air North-Maschinen war die Überstellung vom Nordwesten in den Südosten Kanadas ein echter Glücksfall: Während andere, sehr viel jüngere Airliner-Kollegen reihenweise auf dem Schrottplatz landen, wartet auf die HS 748 in Thunder Bay eine neue Aufgabe: nach ihrem Umbau werden sie die Cargo-Flotte von Wasaya Airways verstärken – und sich dort inmitten einer Flotte aus weiteren HS 748 sowie Dash 8-100-Frachtern wiederfinden. Die fliegerische Zukunft der Turboprop-Veteranen dürfte damit für die nächsten Jahre sicher sein – getrübt allein durch den Wermutstropfen, dass Passagiere die beiden Maschinen kaum noch einmal von innen sehen dürften.